Tatsächlich will er mit seiner Geliebten (Lisa Gastoni) in die Schweiz fliehen und sucht nur nach einer Gelegenheit, sich alleine abzusetzen. Doch nicht nur die Deutschen kontrollieren ihn, sondern auch die amerikanische und englische Armee wollen seiner habbar werden, um ihn in Schauprozessen vorzuführen. Allerdings haben sie nicht die Rechnung mit den Partisanen gemacht, die Mussolini schon zum Tode verurteilt haben...
Filme über bekannte Personen der Zeitgeschichte haben immer zwei Nachteile, mit denen sich die Filmschaffenden auseinandersetzen müssen. Zum Einen weiß der Zuseher in der Regel, was historisch geschehen ist, so daß es schwierig ist, Überraschungen in die Story einzufügen. Zum Anderen muß mit größtmöglicher Sorgfalt ein authentisches Bild des Charakters der dargestellten Person gezeichnet werden, um sich nicht der Geschichtsverfälschung verdächtig zu machen. Bei einer Person wie dem faschistischen italienischen Diktator Benito Mussolini liegt die Latte noch um einiges höher, da man sich hier schnell dem Vorwurf der Verharmlosung oder falschen Parteinahme aussetzen kann. Regisseur und Autor Carlo Lizzani, ein Kind des Neorealismus, der schon beim Episodenfilm "L'amore in città" (1954) beteiligt war, sowie sein Co-Autor Fabio Pitturro stehen sicher nicht im Verdacht, eine Person wie den "Duce", der viel Leid über das italienische Volk gebracht und sich Hitlers Rassenideologie angeschlossen hatte, falsch einzuordnen. Aber der Versuch, einer solchen Figur auf der Suche nach einem realistischen Hintergrund nahe zu kommen, stellt immer auch die Frage, wie sehr man einem Diktator ein menschliches Antlitz geben darf. Und ob dem Film die Gratwanderung zwischen Nachvollziehbarkeit des Charakters und der Achtung vor dessen Opfern gelingt.
Selbstverständlich war 1974 die Geschichte der Phase des italienischen Faschismus noch präsenter, denn anders ist es nur schwer erklärbar, warum es kaum Informationen über die Situation gibt, in der sich Mussolini vier Tage vor seinem Tod in Mailand befand. Die dokumentarische Sequenz, mit der der Film beginnt, widmet sich nur der Kriegssituation und stellt die voranschreitenden alliierten Truppen zeichentrickartig dar. Dass Mussolini schon zwei Jahre zuvor durch den italienischen König zur Abdankung gezwungen wurde, dass die deutschen Truppen ihn dann aus dem Gefängnis befreiten und im von ihnen besetzten Norditalien in einer Art Marionettenregierung (Republik "Salò"), die komplett Hitlers Kontrolle unterstand, wieder als Führer einsetzten - darüber verliert der Film kein Wort. Genauso wie über den Fakt, daß sich Italien schon 1943 den alliierten Truppen ergab, worüber sich Hitler so sehr ärgerte, dass darauf hin die eigentlich nur zur Unterstützung anwesende deutsche Armee die Kontrolle in Italien übernahm. Nachdem 1944 die alliierten Truppen gemeinsam mit italienischen Partisanen Rom befreit hatten und dort eine demokratische Regierung eingesetzt hatten, entstand das bürgerkriegsartige Durcheinander, daß den gesamten Film bestimmt. Sämtliche übrig gebliebenen Anhänger Mussolinis hatten sich immer weiter in den Norden zurückgezogen, wo sie gemeinsam mit der deutschen Armee gegen die Alliierten und Partisanen kämpften.
Dieses Wissen ist unbedingt notwendig, um in den Film hineinzufinden. Gleich in der ersten Szene dringt ein deutscher General ohne anzuklopfen in das Amtszimmer Mussolinis. Der Film verdeutlicht sehr schnell, daß Mussolini nichts mehr zu sagen hat und vollständig unter Kontrolle steht. Er trifft sich gemeinsam mit wenigen Ministern seiner Partei mit dem Kardinal von Mailand (Henry Fonda), der Mussolini dazu überreden will, nicht gegen die italienischen Partisanen und damit die eigenen Landsleute, zu kämpfen. Er fürchtet nicht nur viele Tote, sondern auch die Zerstörung Mailands. Wer annimmt, bei diesem Gespräch geht es hart zur Sache, irrt. Im Gegenteil, die Wortwechsel wirken fast diplomatisch gelassen und aus dem Mund des Kardinals ist kein Wort der Kritik gegenüber Mussolini zu hören. Erst als plötzlich bekannt wird, daß die deutschen Truppen sich ohne Mussolini zu informieren, ergeben haben, springt dieser noch einmal auf in seine bekannte "Cäsar"-Geste und behauptet, daß er selbst wieder die Kontrolle übernommen hätte.
Nur in diesen kurzen Augenblicken erkennt man den Größenwahn, der dazu führte, dass er Italien in einen sinnlosen Krieg führte. Lizzani muss das bewusst gewesen sein, denn er versuchte den Charakter des Diktators mit Rückblenden genauer zu beleuchten. Diese "Erinnerungssequenzen" laufen vor dem geistigen Auge des "Duce" ab und wirken insgesamt etwas unwirklich - wie im Nachhinein hinzugefügt. Zwar lassen die Informationen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, zeigen dessen Ehrgeiz, nicht hinter Hitler in die zweite Reihe zurückfallen zu wollen, weshalb er die eigenen Soldaten in den Krieg schickte, aber die Wirkung dieser Bilder ist deutlich schwächer als Rod Steigers Darstellung.
Auch das Mussolini seine Untertanen im Stich lässt, um seine Haut und die der Geliebten zu retten, ist eher subtil dargestellt. Nur kurz nach seinen heroischen Worten gegenüber dem Kardinal, läßt er gegensätzliche Taten sprechen und flieht nach Como, dabei ständig von der deutschen Armee bewacht, die sich gemeinsam mit ihm nach der Kapitulation auf dem geordneten Rückzug nach Österreich befindet. Aber er will in Wirklichkeit nicht nach Österreich, sondern in die Schweiz, in die er vorsorglich schon über 100 Millionen Lire transferieren ließ. Als er deshalb versucht, einen Abzweig zu nehmen, gerät er in eine peinliche Situation. An einem konspirativen Treffpunkt angekommen, muß er erfahren, daß die ihm zur Unterstützung versprochenen italienischen Truppen sich in Luft aufgelöst haben. Kaum hat er das begriffen, strömen von allen Seiten deutsche Soldaten auf ihn zu, die sein Verschwinden schnell bemerkt hatten.
So sehr sich der Film bemüht, Ordnung in das wirre Geschehen zu bringen, so wenig gelingt ihm das. Es bedarf schon einer großen Portion Aufmerksamkeit gegenüber dem sprachintensiven Film, immer auf der Höhe des Geschehens bleiben zu wollen, da viele unterschiedliche Interessen um Mussolini herrschen. Ständig wechselt der Film zwischen Partisanentruppen, amerikanischen Soldaten und deren Interessenvertretern, Mitgliedern der italienischen demokratischen Regierungspartei, die wiederum mit den Partisanen zusammenarbeitet, Mussolini mit seinen Getreuen und verschiedenen deutschen Armeeangehörigen, von denen die einen nur ihre eigenen Truppen in Sicherheit bringen wollen und die anderen unbedingt Mussolini in ihrer Obhut behalten wollen. Einzig Rod Steiger und seine Geliebte bleiben da als Protagonisten in Erinnerung, deren Charaktere angemessen gestaltet sind.
Am diffizilsten ist in diesem Zusammenhang der Partisanenoffizier Valerio anzusehen, von Franco Nero wie gewohnt cool und von unnahbarer Perfektion dargestellt. Ihm obliegt die Aufgabe, Mussolini, nachdem dieser von den Partisanen aufgegriffen wurde, heil am Volk vorbei nach Mailand zurückzuholen, wo ihm der Prozess gemacht werden soll. Valerio versichert gegenüber der Regierung, daß er keine persönlichen Rachegefühle mehr hat und macht sich auf den Weg. Als er später Mussolini von den Kameraden, die den "Duce" korrekt und respektvoll gefangen hielten, übernommen hat, erschießt er diesen kaltblütig an der nächsten Straßenkurve, womit der Film schlagartig endet. Diese Darstellung ist aus der heutigen Sicht mehr als fragwürdig, auch wenn Mussolini hier "wie ein Hund stirbt". Aber dem alten Mann gehört zumindest unser Mitleid, während man von der inneren Zerrissenheit und der aufgestauten Wut des Valerio und dessen Vorgeschichte nichts weiß und in ihm nur einen kaltblütigen Killer sehen kann, der auch noch den Tod der Geliebten in Kauf nimmt.
Man spürt, daß es Lizzani um eine seriöse Aufarbeitung der Geschichte ging. Zu Erkennen ist das an den ausgezeichneten Darstellerleistungen, an dem fast vollständigen Verzicht auf Action und drastischen Darstellungen, an den teilweise sehr ausgefeilten Dialogen vor allem zwischen Mussolini und seiner Geliebten und an der Vermeidung von Klischees und Pathos. Weder werden die deutschen Soldaten bösartig, noch die Partisanen heldenhaft dargestellt - auch macht der Film deutlich, wie sehr schon der zukünftige kalte Krieg gegen den Kommunismus in den Startlöchern stand, weshalb Mussolini von Engländern und Amerikanern händeringend gebraucht wurde. Steigers Spiel, das zunehmend deutlicher werden läßt, welch erniedrigendes Schicksal Mussolini kurz vor seinem Tod erleiden musste, wie wehrlos, feige und schwach er wurde, ist von beeindruckender Intensität. Aber hier geht der Film in seinem Versuch einer objektiven Ausrichtung zu weit, denn Steiger zeigt einen alternden Menschen, der seinen Zenit überschritten hat und wie ein Ertrinkender versucht, an alte Herrlichkeiten anzuknüpfen. Die wenigen Sequenzen dagegen, die die Auswirkungen seiner selbstherrlichen, sich überschätzenden Macht zeigen, werden im Film kaum hervorgehoben und erfordern für eine angemessene Einordnung ein erhebliches Hintergrundwissen.
Man spürt, daß es Lizzani um eine seriöse Aufarbeitung der Geschichte ging. Zu Erkennen ist das an den ausgezeichneten Darstellerleistungen, an dem fast vollständigen Verzicht auf Action und drastischen Darstellungen, an den teilweise sehr ausgefeilten Dialogen vor allem zwischen Mussolini und seiner Geliebten und an der Vermeidung von Klischees und Pathos. Weder werden die deutschen Soldaten bösartig, noch die Partisanen heldenhaft dargestellt - auch macht der Film deutlich, wie sehr schon der zukünftige kalte Krieg gegen den Kommunismus in den Startlöchern stand, weshalb Mussolini von Engländern und Amerikanern händeringend gebraucht wurde. Steigers Spiel, das zunehmend deutlicher werden läßt, welch erniedrigendes Schicksal Mussolini kurz vor seinem Tod erleiden musste, wie wehrlos, feige und schwach er wurde, ist von beeindruckender Intensität. Aber hier geht der Film in seinem Versuch einer objektiven Ausrichtung zu weit, denn Steiger zeigt einen alternden Menschen, der seinen Zenit überschritten hat und wie ein Ertrinkender versucht, an alte Herrlichkeiten anzuknüpfen. Die wenigen Sequenzen dagegen, die die Auswirkungen seiner selbstherrlichen, sich überschätzenden Macht zeigen, werden im Film kaum hervorgehoben und erfordern für eine angemessene Einordnung ein erhebliches Hintergrundwissen.
Im Gegensatz dazu ist die Darstellung des eigenhändig die Todesstrafe ausführenden Partisanenoffiziers zu oberflächlich, weshalb der gesamte Film insgesamt einen fragwürdigen Eindruck hinterlässt. Dass "Mussolini: ultimo Atto" heute in Vergessenheit geraten ist, ist einerseits schade auf Grund der großartigen Darstellerleistungen und der intensiv gezeigten Atmosphäre des Kriegsendes in Italien, andererseits ist es zu begrüßen, da hier ein missverständliches Bild des Diktators gezeigt wird. Im Vergleich zu Pasolinis "Salò" (Die 120 Tage von Sodom, 1975), der ein Jahr später erschien, wirkt Lizzanis Versuch, die Geschehnisse der letzten Kriegstage an der Person des Mussolini festzumachen, zu wenig konsequent in seiner Haltung, so das sein Film trotz aller Bemühungen nicht über eine gewisse Beliebigkeit hinaus kommt.
"Mussolini: ultimo atto" Italien 1974, Regie: Carlo Lizzani, Drehbuch: Carlo Lizzani, Fabio Pittorru, Darsteller : Rod Steiger, Henry Fonda, Franco Nero, Lisa Gastoni, Laufzeit : 109 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Carlo Lizzani:
"L'amore in città" (1953)
"Requiescant" (1967)
"Banditi a Milano" (1968)
"Amore e rabbia" (1969)
"Roma bene" (1971)
"Requiescant" (1967)
"Banditi a Milano" (1968)
"Amore e rabbia" (1969)
"Roma bene" (1971)
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