Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Sonntag, 20. Juli 2014

Geheimcode Wildgänse (Arcobaleno selvaggio) 1984 Antonio Margheriti

Inhalt: Wesley (Lewis Collins) befehligt eine Einheit freischaffender Söldner, die sich auf besonders gefährliche Einsätze spezialisiert hat, weshalb auch die Trainingsmethoden wenig zimperlich ausfallen. Wegen seiner Härte rumort es innerhalb der Mannschaft, aber Wesley kann sich bei der Auswahl seiner Männer keine Schwächen und Disziplinlosigkeiten leisten.

Wie notwendig diese Perfektion ist, erweist sich, als Wesley von Fletcher (Ernest Borgnine) und Charleton (Klaus Kinski) in Hongkong empfangen wird, die ihn und seine Männer beauftragen, ein Drogen-Camp zu zerstören, dass sich inmitten eines von Militärdiktatur und Guerilla umkämpften Gebiets befindet. Den US-Amerikaner Fletcher motivieren persönliche Gründe, aber die Rolle Charletons bleibt im Ungewissen. Schon in Hongkong entkommt Wesley nur knapp seinen Verfolgern – ein kleiner Vorgeschmack auf das, was ihn im asiatischen Dschungel erwartet…


Knapp zehn Jahre nach dem Rückzug des US-amerikanischen Militärs aus Vietnam schien auch Regisseur Antonio Margheriti seine Schlachten geschlagen zu haben. Der amerikanische Darsteller David Warbeck hatte als Vertreter der US-Armee gefährliche Missionen in "L'ultimo cacciatore" (Jäger der Apokalypse, 1980), "Fuga dall'arcipelago maledetto" (Höllenkommando zur Ewigkeit, 1982) und "Tornado" (Im Wendekreis des Söldners, 1983) im vietnamesischen Dschungel bestanden, jeweils gedreht auf den Philippinen und produziert von Gianfranco Couyoumdjian, der auch die Drehbücher schrieb - zu den beiden Nachfolgern von "L'ultimo cacciatore" gemeinsam mit Tito Carpi. Nur der Schweizer Produzent Erwin C.Dietrich hatte offensichtlich noch nicht genug davon und verpflichtete das komplette Kreativ-Team für einen erneuten Söldner-Aufguss, nachdem er sein fast 20jähriges Engagement im Erotik-Genre beendet hatte.

Wie schon während seiner Zusammenarbeit mit Jesus Franco (siehe den Essay "Die 70er Jahre Erotik-Connection") hatte Dietrich erheblichen Einfluss auf die Besetzung des als deutsch-italienische Co-Produktion entstandenen Films. Mit seinem Kameramann Peter Baumgartner gehörte sein langjähriger Mitstreiter ebenso zum Team wie eine Vielzahl damals unbekannter deutscher Schauspieler, die unter dem als neuen Hauptdarsteller verpflichteten englischen TV-Star Lewis Collins ("Die Profis" 1977-1983) Mitglieder der Söldner-Truppe mimten. Manfred Lehmann, Thomas Danneberg oder Frank Glaubrecht haben heute einen hervorragenden Ruf als Synchron-Sprecher, als Stars wurden von Dietrich aber die leicht gealterten Ernest Borgnine und Lee Van Cleef engagiert, dazu noch die US-Mimin Mimsy Farmer - ebenfalls erfahren im italienischen Genre-Film ("Il profumo della signora in nero" (Das Parfüm der Dame in Schwarz, 1974)) - und fast obligatorisch Klaus Kinski, der nach seinen vielen Italo-Western-Einsätzen nun auch im italienischen Action-Film der 80er Jahre sein Talent als Finsterling beweisen durfte.

So vorhersehbar diese Konstellation klingt, muss man Dietrich zugestehen, Margheritis Dschungel-Action-Filmen damit neuen Schwung verliehen zu haben. Zwar entstand "Geheimcode Wildgänse" (italienischer Verleihtitel "Arcobaleno selvaggio") ebenfalls auf den Philippinen, aber nicht mehr der Vietnam-Krieg stand im Mittelpunkt, sondern die Herstellung von Heroin im sogenannten „Goldenen Dreieck“ in den angrenzenden asiatischen Staaten Thailand, Laos und Burma, kombiniert mit klassischen Elementen der Militärdiktatur, dabei konkrete Anspielungen auf tatsächliche Ereignisse vermeidend. Autor Gianfranco Couyoumdjian, auch Co-Produzent an der Seite Dietrichs, und Tito Carpi nutzten diese Vorlage für ein buntes Gemisch aus Guerilla-Kämpfen, Militär-Aktionen und den Interessen internationaler Multis am einträglichen Drogen-Geschäft, die von Hongkong aus agieren.

Hier beginnt auch die Handlung, in der Wesley (Lewis Collins) und seine Spezialeinheit den Auftrag erhalten, die schwer bewachten Drogen-Küchen auszuschalten. Zwar bekommen sie Unterstützung durch die heimischen Guerilla-Kämpfer, aber nachdem sie ein erstes Drogen-Camp ausgeschaltet haben, erweist sich ihre Aufgabe zunehmend als Todeskommando, da auch ihre Auftraggeber eigene Interessen verfolgen, wie sich schon in Hongkong ankündigte, als Wesley nur knapp einem Anschlag entging. Ein zu tiefes Eindringen in die inhaltliche Logik erweist sich als ebenso wenig sinnvoll, wie die häufig geäußerten Vorwürfe von Rassismus und Gewaltverherrlichung, denen sich Margheritis Dschungelfilme während ihrer Entstehungszeit ausgesetzt sahen. Trotz typischer Klischees – hier die europäischen/us-amerikanischen Kämpfer für die richtige Sache, dort die asiatischen Despoten – erstaunt aus heutiger Sicht die Ausgewogenheit in der Schuldfrage international agierender Banden und der fehlende Heroismus in den Aktionen der Söldner trotz ihrer ständigen Kämpfe, Schusswechsel und Explosionen.

Selbst die Gewaltdarstellungen wirken mit dem zeitlichen Abstand von drei Jahrzehnten weniger explizit oder sadistisch, sondern reihen sich angemessen in ein gut inszeniertes Abenteuerspektakel - wie gewohnt überzeugte Margheriti mit atemberaubenden Stunts und knalligem Feuerwerk - das trotz seiner linearen Erzählform und den üblichen Charakteren des Kriegsfilm-Genres unterhaltend und im Detail überraschend bleibt. Für die langjährigen Begleiter des Regisseurs - Gianfranco Couyoumdjian und Tito Carpi - wurde es die letzte Zusammenarbeit, während Produzent Dietrich noch zwei weitere Filme mit Lewis Collins in der Hauptrolle und seiner Stammbesetzung folgen ließ – „Kommando Leopard“ (1985) und „Der Commander“ (1986) – die die Thematik nur leicht variiert wiederholten, aber nicht mehr an die qualitative Dichte von „Geheimcode Wildgänse“ herankamen.

"Geheimcode Wildgänse" Deutschland, Italien 1984, Regie: Antonio Margheriti, Drehbuch: Tito Carpi, Gianfranco Couyoumdijan, Michael Lester, Darsteller : Lewis Collins, Ernest Borgnine, Lee Van Cleef, Klaus Kinski, Mimsy Farmer, Manfred Lehmann, Thomas Danneberg, Laufzeit : 98 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Antonio Margheriti:

Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.