Mittwoch, 23. Dezember 2009

Fango bollente (Hot mud) 1975 Vittorio Salerno

Inhalt : Ovidio Mainardi (Joe Dallesandro) arbeitet als Techniker in einer modernen Computerfirma in Turin. Die Arbeit ist sehr eintönig und sämtliche Mitarbeiter stehen unter hohem Leistungsdruck. Ein Experiment mit weißen Mäusen, dass er in einer der Forschungsabteilungen beobachtet, bringt ihn auf eine Idee. Bei einem Fussballspiel provoziert er mit zwei Freunden eine Schlägerei, stiehlt vor dem Stadion ein Auto, begeht mehrere Unfälle und entkommt mit seinen Freunden auf einem gestohlenen Motorrad, nachdem sie Fahrer und Beifahrerin mit einer überraschend geöffneten Tür herunter geholt hatten.

Am nächsten Tag erfahren sie, dass es bei dem Vorfall im Stadion einen Toten gab, aber die Polizei hegt keinen Ver
dacht gegen konkrete Personen und auch der Auto- und Motorraddiebstahl wird den üblichen Verdächtigen - Einwanderern und politischen Aktionisten - in die Schuhe geschoben. Als die drei Freunde am nächsten Tag von der Arbeit nach Hause fahren, stoßen sie beinahe mit einem Lastwagen zusammen, der die Vorfahrt missachtet hatte, und sie zusätzlich noch verhöhnt. Es kommt zu einer Auseinandersetzung, bei der Mainardi den Fahrer mit einem Schraubenzieher ersticht.

Als sich wieder die Zeuge
naussagen als unzureichend herausstellen und die Polizei keine Spur hat, beginnen die Drei systematisch mit mörderischen Aktionen...


"Fango bollente" (wörtlich "Heisser Schmutz") verdeutlicht, ähnlich wie der zeitgleich entstandene "L'uomo della strada fa giustizia" ("Der Mann auf der Straße sorgt für Gerechtigkeit"), wie stark die gesellschaftlich angespannte Situation Italiens Mitte der 70er Jahre Einfluss auch auf die Filme genommen hatte, die unter Verwendung reißerischer und schockierender Elemente vordergründig auf Unterhaltung setzten. "Fango bollente" funktioniert in dieser Hinsicht auf mehreren Ebenen, da er einerseits als "Poliziesco" die Suche des Commissarios nach den Serienmördern beschreibt, dazu über brutalste Elemente verfügt - von einem rituellen Mord an einem Zuhälter und seiner Prostituierten, über Vergewaltigung bis zur Tötung einer nackten Schönen mit einem Gabelstapler - andererseits seine Story in ein sehr realistisches Umfeld einbettet, die eine bis heute aktuelle Gesellschaftskritik impliziert.

Dieses Szenario reagierte Mitte der 70er Jahre auf die zunehmende Zahl an terroristischen Attentaten und Verbrechen, von Regisseur und Drehbuchautor Vittorio Salerno bewusst als Hintergrund gewählt, um seiner Story noch zusätzliche Brisanz zu verleihen, verbunden mit einer stringenten, in ihrer Entwicklung nachvollziehbaren Story, die zudem von zwei überzeugenden Protagonisten lebt, die hier als Gegenspieler fungieren.

Da ist zum Einen Ovidio Mainardi (Joe Dallesandro, ein us - amerikanischer Darsteller, der aus Andy Warhol's Factory stammte und dort als männliches Nacktmodell berühmt wurde), der als Techniker in einer Computerfabrik arbeitet. Auch wenn die veralteten Geräte heute einen steinzeitlichen Eindruck hinterlassen, überrascht die Modernität in der Betrachtung des Arbeitslebens. Sowohl die umgebende Architektur, als auch Kleidung und Arbeitsklima haben nichts an Aktualität verloren, auch wenn der pessimistische Blick auf die Eintönigkeit der Tätigkeit, die der Film hier be
schreibt, sicherlich einer damals vorherrschenden Skepsis vor der neuen Technik entsprang.

Sehr gelungen ist in diesem Zusammenhang die Szene, in der Commissario Santaga (Enrico Maria Salerno) das erste Mal auftaucht. Der gehbehinderte, ältere Beamte befindet sich in einem Vortragsraum der Computerfirma, wo er als Vertreter der Polizei in die neue Technik eingewiesen werden soll. Nachdem der Vortragende seine von Fach
begriffen geprägte Rede beendet hatte, stellt ihm der Commissario eine ebenso verschlüsselte Frage. Dafür bekommt er wegen seiner Mitarbeit viel Lob, eine Antwort erhält er natürlich nicht, denn so offensichtlich seine Frage nur Fachwissen vortäuschte, so wenig war der Vortragende in der Lage, es zu durchschauen. Diese ironische, seine Umwelt jederzeit entlarvende Sprache behält der Commissario über die gesamte Spielzeit bei, was dem Film eine angenehm humorvolle Komponente verleiht.

Als sich die beiden Protagonisten bei dieser Gelegenheit das erste Mal begegnen, lag der erste mörderische Akt schon zurück, wurde aber noch nicht als solcher betrachtet. Mainardi hatte, nachdem er in seiner Firma ein Experiment mit weißen Mäusen betrachtet hatte, spontan diese Erfahrung bei einem Fussballspiel von Juventus Turin umgesetzt. Der Zusammenhang zwischen dem Aggressionsverhalten von eingesperrten weißen Mäusen und Fußballfans in einem vollen Stadion, wirkt im ersten Moment etwas vereinfacht, bekommt aber hinsichtlich der Vorkommnisse im Brüsseler Heysel-Stadion zehn Jahre später, bei dem 39 Fans von Juventus Turin starben, eine tragische, vorausschauende Komponente, die verdeutlicht wie nah der Film, den Salerno wie schon mehrfach zuvor gemeinsam mit Ernesto Gastaldi entwickelte (darunter "La lunga spiaggia fredda" (Rocker sterben nicht so leicht, 1971), der Realität kam. Mit zwei Freunden hatte Mainardi eine Kettenreaktion ausgelöst, die eine Schlägerei provozierte, bei der ein Mann stirbt, während er das Stadion schon wieder verlassen hatte, um ein Auto zu stehlen. Mit diesem verursachen die drei Männer weitere Unfälle bis sie zwei Motorradfahrer mit einer geöffneten Tür herunterholen, um mit deren Maschine zu fliehen.


Für die Polizei stellt der tödliche Unfall im Stadion keinen kriminellen Akt dar, aber auch die Diebstähle und Unfälle werden nicht aufgeklärt, da sie nur, wie üblich, Immigranten und politischen Aktivisten in die Schuhe geschoben werden - ein gelungener Seitenhieb auf die damals vorherrschenden Vorurteile. Commissario Santaga vermutet als Einziger einen Zusammenhang, wird aber von ignoranten und selbstgefälligen Kollegen und Vorgesetzten nicht ernst genommen. Die Parallelen zu Umberto Lenzis "L'uomo della strada fa giustizia" in der generellen Beschreibung einer aggressiven Gesellschaft sind offensichtlich, gehen aber in ihrer Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft noch darüber hinaus, indem Alltäglichkeiten die Mordserie auslösen. War die Aktion im Stadion noch spontan, führt eine Auseinandersetzung im Straßenverkehr zum ersten Mord. Nach einem Beinaheunfall mit einem LKW kommt es auf der Straße zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Fahrer und den drei Kollegen, bei der Mainardi den Fahrer mit einem Schraubenzieher tötet. Als sie merken, dass ihnen immer noch Niemand, obwohl der Mord mitten am Tag auf einer öffentlichen Straße begangen wurde, auf die Schliche kommt, beginnen sie gezielt ihre Taten auszuführen. 

Parallel zur wachsenden Brutalität ihrer Vorgehensweise, vertieft der Film deren gesellschaftlichen Hintergrund, der zu drei Typisierungen führt. Mainardi, verheiratet mit einer attraktiven Ärztin, die ihn aus Karrieregründen betrügt, gehört zur bürgerlichen Oberschicht, während sein aus Italiens Süden stammender Kollege Teil einer Großfamilie ist, die in einem heruntergekommenen Mietshaus lebt. Er schämt sich für seine ärmliche Verwandtschaft. Der Dritte, Giacomo Boato, lebt noch bei seiner Mutter, die ein strenges Regime in ihrem Haushalt führt. Es ist bemerkenswert, mit welcher Fülle an Details der Film - trotz seiner verhältnismäßig kurzen Laufzeit - aufwartet und damit eine Komplexität entwickelt, die unmittelbare Klischees vermeidet.

Die Taten selbst scheinen wenig mit dem jeweiligen Hintergrund der drei Männer zu tun zu haben, da sie als Folge von Langeweile, Monotonie und einer unterschwelligen Aggression geschildert werden, aber ihre Herkunft führt zu unterschiedlichen Reaktionen, als sich die Schlinge der Polizei, gezogen von Commissario Santaga, langsam um ihren Hals legt. Als Mainardis Kollege, wegen einer Phantomzeichnung verunsichert, nach Hause kommt und dort die Polizei antrifft, reagiert er überhastet, flieht und wird überwältigt. An dieser Szenerie wird die Finesse und Doppeldeutigkeit des Films deutlich, denn die Polizei kam nicht seinetwegen, sondern wollte auf Veranlassung des Besitzers das herunter gekommene Mietshaus räumen lassen.

"Fango bollente" gelingt es mühelos, seine schnelle, jederzeit unterhaltende Story mit der Beschreibung einer egoistischen, dummen und aggressiven Gesellschaft zu kombinieren. Obwohl die Morde der drei Männer detailliert geschildert werden, verhindert er damit deren Dämonisierung, da er diese als logische Reaktion auf ihre Umwelt erscheinen lässt. Einzig Commissario Santaga kann in seiner zynischen Art noch Sympathiepunkte sammeln, aber auch er irrt letztlich, denn in einem Punkt ist sich der italienischen Film in seiner Beschreibung der Realität der 70er Jahre einig, egal ob künstlerisch, politisch oder als Unterhaltungsfilmm motiviert: ein Lösung existiert nicht.

"Fango bollente" Italien 1975, Regie: Vittorio Salerno, Drehbuch: Vittorio Salerno, Ernesto Gastaldi, Darsteller: Joe Dallesandro, Enrico Maria Salerno, Salvatore Borghese, Luigi Casellato, Martine Brochard, Umberto Ceriani, Laufzeit: 80 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Vittorio Salerno:

"No, il caso è felicamente risolto" (1973)

Donnerstag, 17. Dezember 2009

La moglie più bella (Recht und Leidenschaft) 1970 Damiano Damiani

Inhalt: Der Boss eines Mafia-Clans in Sizilien, Antonino Stella (Amerigo Tot), und seine engsten Vertrauten lassen sich ohne Gegenwehr von der Polizei verhaften, um bei einer Gerichtsverhandlung, deren Zeugen sie beeinflusst haben, frei gesprochen zu werden. Vito (Alessio Orano), ein junges Mitglied des Clans, soll während seiner Abwesenheit für Ordnung sorgen. Als Stella erfährt, dass Vito noch keine Frau und Kinder hat, empfiehlt er ihm, sich schnell eine Ehefrau zu besorgen. Am besten aus einer armen Familie, da diese ihm treu ergeben bleiben wird.

Wenig später fällt ihm die noch 15jährige, sehr hübsche Francesca (Ornella Muti) auf, und er beginnt um sie zu werben. Sie erwidert seine Gefühle und auch ihre eingeschüchterten Eltern stimmen der Hochzeit mit dem bekannten Mafioso zu. Doch Vito ka
nn nicht aus seiner Haut und erniedrigt die selbstbewusste Francesca mehrfach, worauf sie den Hochzeitsfeierlichkeiten fern bleibt...


Ein wesentlicher Mythos, den die Mafia über Jahrzehnte aufbaute, betrifft ihre Position für die einfache Bevölkerung, besonders in ihrem Ursprungsland Sizilien. Während das Vertrauen zum Staat und seinen Vertretern als stark gestört galt, entwickelte die Mafia familienartige Strukturen, in denen das jeweilige Oberhaupt (der "Pate") für seine Mitglieder die eigentliche rechtliche Instanz darstellte.

Auf Grund der großen Armut in der Bevölkerung Siziliens, hatte die Kriminalität in ihren Anfängen noch den Charakter einer Auflehnung gegen die her
rschende Klasse, was sich auch darin zeigte, dass Niemand, der sich an die Mafia - Regeln hielt, im Stich gelassen wurde. Der Name "Cosa nostra" ("Unsere Sache") romantisiert diesen scheinbaren Zusammenhalt in der Bevölkerung, zu dessen wichtigster Regel die "Omertà" wurde, eine unumstößliche Schweigepflicht gegenüber allen, die nicht dazu gehören.

Als Damiano Damiani "La moglie più bella" 1970 drehte, hatte sich die kriminelle Organisation schon lange von diesen Anfängen entfernt. Während die Mafia - Bosse und ihre unmittelbaren Vertrauten immer reicher wurden, wirkte sich deren Einfluss auf Politik und Wirtschaft negativ für den größten Teil der Einwohner Siziliens aus. Trotzdem blieben diese Regeln unangetastet und die Anteilnahme der Bevölkerung ungebrochen, was Damiano Damiani gleich zu Beginn verdeutlicht, als der örtliche P
ate Antonino Stella (Amerigo Tot) und seine engsten Vertrauten von der Polizei in Haft genommen werden und sich nicht dagegen wehren.

Während viele Bewohner der Kleinstadt dem Mafiaboss ihre Sympathien versichern und besonders der junge Vito Juvara (Alessio Orano), ein zur "Familie" gehöriger junger Mann, der seine Verlässlichkeit schon bewiesen hatte, dagegen vorgehen will, erläutert Stella in ruhigen Worten, was er damit bezweckt. Er forciert die Gerichtsverhandlung, um nach einem Freispruch, an dem er dank Einflussnahme auf die Zeugen keinen Zweifel hat, seine Ruhe vor weiteren Nachstellungen der Polizei zu haben. Er bittet Vito deshalb, sich während seiner Abwesenheit um die Geschäfte zu kümmern. Wichtiger als dieser Vorgang, ist für Damiani Stellas letzter Satz an Vito, nachdem er fragte, ob dieser schon eine Frau und Kinder hätte. Als er verneint, fordert Stella ihn auf, sich umgehend eine Frau zu suchen, am besten aus einer armen Familie, da sie sich in Zukunft als dankbar und treu erweisen wird.

"La moglie più bella" ("Die schönste Ehefrau") widmet sich - wie der Filmtitel schon besagt - einer Liebesgeschichte zwischen dem jungen Anführer der örtlichen Mafiagruppe und der sehr hübschen Francesca (Ornella Muti), der noch jugendlichen Tochter einer armen Dorffamilie, die nach einem Erdbeben in einer Baracke wohnt und ein einfaches Feld bestellt. Die üblichen kriminellen Zutaten, wie das Attentat auf einen missliebigen Zeugen, Erpressung oder Rivalitäten zwischen Gangs, nehmen hier nur eine begleitende Funktion ein, ebenso wie die Ereignisse um den Paten keine wesentliche Ro
lle mehr spielen. Viel mehr entlarvt Damiani die inneren Strukturen der Mafia, deren scheinbar funktionierendes, sehr patriarchalisch ausgelegtes System, als verlogenes Konstrukt, dass letztlich nur Opfer hervorbringt.

Nachdem Vito Francesca als ideale Frau für seine Zwecke entdeckt hatte, macht er ihr selbstbewusst den Hof. Zumindest scheint es so, aber als ein möglicher Nebenbuhler sich zuerst nicht einschüchtern lässt, droht Vito diesem in einem Zug mit dem Tod, wenn er sich nochmals blicken lassen würde. Dabei hätte er das gar nicht nötig gehabt, worin sich Damianis entsch
eidender Schachzug verdeutlicht, der die hier geschilderte Konstellation in ihrer Komplexität weit über ähnliche Geschichten hinaus hebt. Vito Juvara ist ein attraktiver Mann, dem Francesca sofort mit Wohlwollen gegenüber steht. Die Gefühle zwischen ihnen entwickeln sich ganz selbstverständlich und ihre Beziehung hätte überall eine Chance gehabt, aber der Film macht früh deutlich, dass sich alle Beteiligten den strengen, unausgesprochenen Regeln unterwerfen müssen.

Dass es zum Bruch zwischen den jungen Liebenden kommt, liegt an Francesca. Keineswegs wegen mangelnder Gefühle oder gar einer Kritik an seinen kriminellen Aktivitäten, sondern weil sie als Frau ernst genommen werden will. Ornella Muti gelingt es in ihrer ersten Rolle - trotz ihrer Jugendlichkeit - eine Mischung aus Selbstbewusstsein und Tradition zu vermitteln, die zwar die damals übliche, unterwürfige Frauenrolle in Frage stellt, dabei aber in ihrer sizilianischen Umgebung authentisch bleibt. Dass Vito nicht aus seiner Haut kann, und in seinem Werben um sie, immer aus der Position des Mächtigen agiert, demontiert ihn zunehmend. Ganz unmerklich macht der Film deutlich, dass die Betonung von Macht und die Erhaltung dieser durch Drohung und Gewalt, das Gegenteil von Selbstbewusstsein ist. Innerhalb ihrer Beziehung funktioniert das nicht, und als Vito, ganz seinem vorgegebenen Rollenklischee als zukünftigem Patriarch entsprechend, Francesca mehrfach erniedrigt, kommt sie nicht zu der vereinbarten Hochzeit.


Auch Alessio Orano als Vito gelingt es seiner Rolle als mafiösem Schönling überraschende Aspekte abzugewinnen. Nach außen mit den üblichen Gesten im Kreise seiner Kumpels agierend, merkt man ihm seine Gefühle nur unmerklich an. Erst als sich die Zurückweisung Francescas innerhalb der Geschäftsbeziehungen für seinen Ruf als schädlich erweist, reagiert er mit einer Bestrafung. Damiano Damiani, sonst keineswegs zurückhaltend in der Deutlichmachung von Gewalttaten, bleibt trotz der erfolgten Entführung und anschließenden Vergewaltigung optisch zurückhaltend und undramatisch. Damit betont er, ohne die Taten als solche zu verharmlosen, dass Vito nicht wirklich gewalttätig werden wollte, sondern es ihm nur auf die Symbolik ankam, die Frau zu unterwerfen, um seine Position wieder herzustellen. Unterschwellig spürt man seine Gefühle für sie.

Der Film widmet sich im Folgenden der realistischen Schilderung von Francescas Kampf um eine Bestrafung des Vergewaltigers durch die Behörden, mit den üblichen negativen Reaktionen der Gesellschaft bis hin zu ihren Eltern, die aus ihrer ärmlichen Position heraus, keinerlei Kraft zum Widerstand finden. Für die Polizei ist es eine Chance, eines Verbrechers habhaft zu werden, den sie wegen seiner anderen Taten nicht überführen könnten, weshalb es falsch wäre, Francescas letztlichen Sieg als Erfolg im Kampf gegen die Mafia anzusehen oder auch nur als kleinen Schritt zur Emanzipation der Frau.

Das die Behörden hilflos sind, macht Damiani mit der am Ende eingestreuten Information deutlich, dass der Pate und seine Partner wie geplant freigesprochen wurden. Denn auch wenn Damiani seine Geschichte im Stil eines Thrillers erzählt, handelt es sich letztlich um eine unglückliche Liebesgeschichte, was im Gegensatz zu dem verfälschenden deutschen Titel "Recht und Leidenschaft" der Origi
naltitel deutlich macht - es ist "Die schönste Ehefrau", um die es hier geht. Und das Vito diese nicht bekommen kann, liegt an einer inneren Struktur, die jeden Menschen an ein strenges Reglement fesselt, dass seine Funktion und Rolle bestimmt. Und jede romantische Verklärung der sogenannten "Familie" als absurd hinstellt.

"la moglie più bella" Italien 1970, Regie: Damiano Damiani, Drehbuch: Damiano DamianiDarsteller : Ornella Muti, Alessio Orano, Tano Cimarosa, Pierluigi Aprà, Amerigo Tot, Laufzeit : 108 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Damiano Damiani:

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Ieri, oggi e domani (Gestern, heute und morgen) 1963 Vittorio De Sica

Inhalt: 1. Episode "Adelina"

Adelina (Sophia Loren) soll in ein neapolitanisches Gefängnis, da sie unversteuerte Zigaretten verkauft hatte, und ihre Strafe nicht zahlen kann. Doch der Anwalt Verace (Agostino Salvietti) hilft ihr,
indem er ihr mitteilt, dass sie als schwangere Frau - sie erwartet ihr zweites Kind - nicht verhaftet werden darf, bis das Kind 6 Monate alt ist. Als die Polizei deshalb ein halbes Jahr nach der Geburt wieder bei ihr vorbei kommt, müssen die Beamten feststellen, dass Adelina schon wieder schwanger ist. Ihr Mann Carmine (Marcello Mastroianni) hatte rechtzeitig dafür gesorgt, aber nachdem auf diese Weise, Jahre später, schon das siebte Kind geboren wurde, stellen sich zunehmend Verschleisserscheinungen ein...


2. Episode "Anna"

Anna (Sophia Loren) langweilt ihr luxuriöses Leben. Während ihr erfolgreicher Mann auf Geschäftsreise ist, lernt sie den jungen Autoren R
enzo (Marcello Mastroianni) kennen, mit dem sie ein Verhältnis eingeht. Sie träumt von romantischen Reisen und aufregenden Abenteuern, aber Renzo merkt schnell, dass er für die schöne Anna austauschbar ist...

3. Episode "Mara"

Mara (Sophia Loren) arbeitet als Edel-Prostituierte in einer römischen Dachwohnung, wo sie Geschäftsreisende empfängt. Gerade hat sich wieder Augusto (Marcello Mastroianni) aus Bologna angemeldet, der sehr in die attraktive Anna vernarrt ist und sich schon auf ein Schäferstündchen freut. Dabei kommen ihm aber die Nachbarn in die Quere, denn der junge Enkelsohn, der sich zum Priester weihen lassen möchte, hat kein Interesse mehr daran, nachdem er Mara kennenlernte. Ausgerechnet seine Großmutter, die Mara zuvor immer verteufelte, bittet sie jetzt um Hilfe...



Als Vittorio De Sica "Ieri, oggi e domani" (Gestern, heute und morgen) 1963 drehte, hatte er ein sehr bewegtes Leben als Darsteller und Regisseur hinter sich, das ihn nach einer Phase populärer Komödien in den 30er Jahren über eine sehr ernsthafte Auseinandersetzung mit den Gegenwartsproblemen Italiens ("Neorealismus") wieder zu einer leichteren Betrachtung des Alltags zurückführte. Zudem hatte Cesare Zavattini, sein bevorzugter Drehbuchautor, der bei fast allen seiner Filme mitgewirkt hatte, den Episodenfilm für sich entdeckt. De Sica hatte entsprechend 1954 mit "L'oro di Napoli" einen sechsteiligen Episodenfilm geschaffen, allerdings als allein zuständiger Regisseur.

Erst bei "Boccaccio '70", bei dem De Sica für die vierte und letzte Episode verantwortlich zeichnete, war es zu einer Zusammenarbeit mit anderen Regisseuren gekommen. Allerdings wirkte De Sicas Kurzfilm "La riffa" im Vergleich zu den absurd, ernsten Episoden Monicellis, Fellinis und Viscontis wie ein Fremdkörper in seiner zwar ironischen, aber eher komödiantisch harmlosen Machart, was letztlich ein Jahr später zu "Ieri, oggi e domani" führte. Hier konnten sich De Sica und Zavattini ganz unter eigenen Vorzeichen ausleben und sie griffen konsequenterweise auf die Hauptdarstellerin aus "La riffa", Sophia Loren, wieder zurück, die in den drei Episoden ihres neuen Films jeweils die Hauptrolle mimen sollte. Auch in "L'oro di Napoli" hatte sie schon in einer Episode mitgewirkt.

Der Bogen dieser filmischen Phase lässt sich noch weiter spannen bis zum 1964 entstandenen "Matrimonio all'italiana" (Heiraten auf italienisch), wieder mit Sop
hia Loren in der Hauptrolle, wieder mit Marcello Mastroianni, der in "Ieri,oggi e domani" jeweils ihr Partner ist, aber diesmal mit Eduardo De Filippo als Drehbuchautor, der zuvor schon für die erste Episode in "Ieri, oggi e domani" zuständig war. Inhaltlich liegen die Filme sehr nah beieinander, da sie komplett auf die Präsenz und den Charakter Sophia Lorens als temperamentvolle Italienerin zugeschnitten sind und jeweils von deren Mann Carlo Ponti produziert wurden.

Als Ausgangspunkt für diese sehr erfolgreiche Phase, die "Ieri, oggi e domani" den Oscar für den "besten fremdsprachigen Film" 1965 einbrachte und "Matrimonio all'italiana" immerhin noch eine Nominierung für den selben Preis im Jahr darauf (während ein Film wie "Boccaccio '70" dort keinerlei Zuspruch fand), kann "Es begann in Neapel" von 1960 gelten. Hier spielten Vittorio De Sica und Sophia Loren neben Hollywood-Star Clark Gable, der einen zynischen Typen mimt, dem von der jungen Italienerin neues Leben eingehaucht wird. Dieses damals sehr populäre Rollenklischee zeichnete, gemeinsam mit den pittoresken Bildern der alten Städte und der Mittelmeerstrände, ein sehr positives, lebensfrohes Bild Italiens, das sich auch von Armut und Bürokratismus nicht den Spaß verderben ließ, aber trotz aller frivolen Anspielungen und kleineren kriminellen Verfehlungen immer moralisc
h einwandfrei blieb.

Trotz des vorherrschenden komödiantischen Untertons lag De Sica damit in einer Hinsicht auf einer Linie mit seinen ern
sten neorealistischen Werken wie "Ladri di biciclette",(Fahrraddiebe, 1948), "Miracolo a Milano" (Das Wunder von Mailand, 1951) oder dem bereits erwähnten "L'oro di Napoli". Diese verdeutlichten zwar die Missstände der Nachkriegszeit in Italien ohne Verharmlosung, idealisierten aber den einfachen Menschen, der das Herz auf dem rechten Fleck hatte und solidarisch für die Belange seines Nächsten eintrat. Nicht von ungefähr waren Vittorio De Sicas Filme damals deutlich populärer als Viscontis und Rossellinis zeitgleich entstandene Filme des Neorealismus, da für ihn immer die Umstände die Schuld an den Missständen trugen, die erst zum Fehlverhalten Einzelner führten. 

Zum Entstehungszeitraum von „Ieri, oggi e domani“ war die Diskrepanz zu den aktuellen realistischen Filmen eines Luchino Visconti („Rocco e i suoi fratelli“(Rocco und seine Brüder, 1960)) noch gewachsen, ganz abgesehen von den in der Tradition des Neorealismus stehenden jungen Regisseuren Francesco Rosi oder Pier Paolo Pasolini, die wesentlich pessimistischer das Verhalten der Menschen beurteilten. Eine kritische Haltung, die auch De Sica weiter in Filmen auslebte, die heute kaum noch bekannt sind. 1956 brachte er mit "Il tetto" (Das Dach) einen letzten Film in der neorealistischen Tradition heraus, der seine Karriere als Regisseur um Jahre zurückwarf, und mit "Il boom" (1963) erschien eine bitter-böse Komödie nur wenige Monate zuvor, die in ihrer kritischen Haltung von rigider Konsequenz war. Mit dem Ergebnis, dass der Film außerhalb Italiens nicht vermarktet wurde. Vielleicht ein weiterer Grund für seinen genehmeren Stil ab "Ieri, oggi, domani".

Betrachtet man die drei Episoden des Films einzeln, dann fällt auf, dass nur im Titel die Bezeichnung „Gestern, heute und morgen“ fällt, während die Episoden selbst nach ihren weiblichen Hauptfiguren benannt wurden. Tatsächlich spielen sie alle zur selben Zeit, Anfang der 60er Jahre, in den Städten Neapel, Mailand und Rom, weshalb der Filmtitel nur als Bewertung zu verstehen ist.



1. Episode „Adelina“

Die Geschichte von der jungen Adelina, die ein Kind nach dem anderen bekommt, um nicht ins Gefängnis zu müssen, verkörpert am stärksten das Bindeglied zwischen Lorens Rolle in „Es begann in Neapel“ und dem ein Jahr später entstandenen „Heiraten auf italienisch“. Vor allem wird in dem knapp einstündigen Film deutlich, wie sehr sich De Sica von seinen neorealistischen Wurzeln entfernt hatte. Dabei zeigt Neapel mit seinen engen Gassen, den überbevölkerten Wohnungen, der hohen Arbeitslosigkeit und der zur Schwarzarbeit gezwungenen Bevölkerung nicht weniger Missstände als i
n seinen zehn Jahre zuvor entstandenen Filmen, aber über allem liegt der Zuckerguss der Lebensfreude und Gemeinsamkeit, während die Kamera in wunderschönen Panoramen schwelgt.

Ideal besetzt als Gegenpart zur dominanten Loren, ist Marcello Mastroianni, der immer so wirkt, als wollte er ein Macho sein, der in Wirklichkeit aber ein lie
benswerter, weicher Zeitgenosse ist. Von ihm gehen deshalb auch die komischsten Momente aus, da es ihm gelingt, auch die Schattenseiten eines Lebens aufzuzeigen, dass ihm zwar eine Traumfrau an die Seite stellte, die jederzeit Sex mit ihm haben will, das Ganze aber zunehmend zum Akkord verkommt, da er sie immer zielgerecht schwängern soll. Obwohl die Probleme der Menschen und auch die allgegenwärtige Armut immer präsent bleiben, kommt keinen Moment das Gefühl von Hoffnungslosigkeit auf, selbst als Adelina letztendlich doch ins Gefängnis gehen muss, weil ihr Mann von Schlaflosigkeit (nicht erstaunlich mit sieben Kindern in einer Ein-Raumwohnung) geschwächt, nicht mehr zum Sex in der Lage ist.

Zuvor hatte Adelina einen Moment damit geliebäugelt, einen anderen Mann dafür einzuspannen, aber als dieser sogleich begeistert beginnt, an ihr herum zu fummeln, entfernt sie sich angewidert. In dieser Szene wird deutlich, wie wenig De Sica riskiert, denn auch wenn ausgeübte Sexualität quasi die Grundlage der hier erzählten Geschichte darstellt, bleibt diese doch immer ganz moralisch im Rahmen einer Ehe. Allein das immer frische Gesicht der Loren, ihre zwar einfachen, aber hübschen Kleidchen und ihre tadellose Figur, lassen keinen Moment den Gedanken zu, in „Adelina“ würde es wirklich realistisch zugehen. Anders als De Sicas frühere Werke
, will der Film nicht mehr die real in diesen Missständen lebenden Menschen erreichen, sondern verwandelt für ein internationales Publikum die kritische Dokumentation eines Zustands in eine leicht verdauliche, optimistisch stimmende Heiterkeit mit dezenten Anklängen an die Realität. Der Erfolg gab ihm recht.

 2. Episode „Anna“

Erst mit dem zweiten Teil wird deutlich, wie De Sica und Zavattini die Bezeichnung „Ieri“ (gestern) für die erste Episode gemeint hatten. Denn anders als die vor Lebensfreude sprühende Geschichte in einem Armenviertel Neapels, ist Mailand hier das Mekka des Egoismus. Die Geschichte von Anna, der Ehefrau eines reichen Geschäftsmanns, die von ihrem luxuriösen Leben gelangweilt ist, geht auf eine Erzählung Alberto Moravias zurück, was nicht überrascht, da dieser sich häufig dem ziellosen Müßiggang der modernen Gesellschaft gewidmet hatte. Innerhalb der Dreier-Konstellation dieses Films, verkommt der knapp 20minütige und damit mit Abstand kürzeste Teil zu einer einseitig plakativen Abrechnung mit den Wohlhabenden, wie sie von Moravia in dieser Eindimensionalität niemals gemeint war, die a
ber der Loren die Gelegenheit gab, einmal eine zutiefst unsympathische Frau zu spielen.

Schon die rücksichtslose Art, mit der sie ihren Rolls-Royce durch Mailand bewegt, spottet jeder Realität, denn der Film vermittelt eine unterwürfige Haltung der „Normalbevölkerung“ gegenüber den Reichen, die nicht einmal für offensichtliches Fehlverhalten gerade stehen müssen. Auch Mastroiannis Rolle bleibt in diesem Zusammenhang zweifelhaft, da nur das Aussehen Annas als Grund dafür herhalten kann, warum er es nur einen Moment mit dieser arroganten, keine Realität kennenden Frau aushält.

Könnte man den Film in einer solitären Rolle noch als amüsante, bewusst einseitige Abrechnung mit dem Kapital verstehen, wird der Film in seiner Position als „oggi“(heute), unangenehm, da er das pittoreske Leben des ersten Teils noch zusätzlich adelt. Das Gestrige erhält in diesem Zusammenhang den typischen Charakter des Wunsches nach „der guten, alten Zeit“ als der Mensch zwar arm, aber glücklich war.

 3. Episode „Mara“

Vielleicht sollte die Bezeichnung „domani“ (morgen) nach dem bösen Mittelteil wieder Hoffnung wecken. Anders ist der Begriff nur schwer nachzuvollziehen, da die Geschichte über die römische Edel-Prostituierte Mara keinerlei Zukunftsausblick beinhaltet. Trotzdem handelt es sich um den interessantesten und komplexesten Teil des Films, da hier moderne Elemente der Gegenwart wie Prostitution und Geschäft mit Tradition und Solidarität verknüpft werden, ohne einseitige Schlüsse daraus zu ziehen. Tatsächlich ist die Geschichte von der alten Frau, die zuerst kein gutes Haar an ihrer unmorali
schen Nachbarin lässt, diese dann aber um Hilfe bittet, als ihr Enkel sich nicht mehr zum Priester weihen lassen will, nachdem er Maras weiblicher Vorzüge gewahr wurde, voll komischer Momente.

Doch obwohl Sophia Loren wieder im Zentrum des Geschehens steht, ist das vor allem Mastroiannis hintergründiger Art zu verdanken. Seine Darstellung eines in Liebe zu einer Prostituierten verfallenen Geschäftsmanns, der einerseits mit Mara schlafen will, sich andererseits vor den Anrufen seines strengen Papas fürchtet, ist eine wunderbare Karikatur des modernen Mannes. Dagegen mimt die Loren letztendlich immer die gleiche Figur, auch wenn sie durch Äußerlichkeiten wie arm, reich oder prostituiert nach Außen den Eindruck vermittelt, unterschiedliche Charaktere zu spielen. Sie bleibt immer stark und gegenüber Mastroianni dominant und sogar als Prostituierte moralisch einwandfrei. Wirkliche Schwächen oder gar Ambivalenzen kommen bei ihr nicht vor, auch wenn sie in der dritten Episode noch am wenigsten einseitig agiert.

Insgesamt hinterlässt „Ieri, oggi e domani“ einen zwiespältigen Eindruck. Obwohl es sich hier um keinen typischen Episodenfilm handelt, da De Sica jeweils Regie führte, wirken die drei Teile untereinander nicht homogen und trotz des Filmtitels ohne inhaltliche Linie. Im Gegenteil bleibt der Film in seinem nach Außen hin behaupteten Bemühen, ein facettenreiches Bild Italiens zu zeichnen, oberflächlich und ohne den sezierenden Blick von De Sicas neorealistischen Filmen oder dem kurz zuvor erschienenen
"Il boom". Stattdessen wird hier die ewige Mär von den armen, aber lebensfrohen Menschen erzählt, die mit ihrer Improvisations - Lust auch den widrigsten Bedingungen des Lebens ein Schnippchen schlagen, während die bornierten Reichen sich zu Tode langweilen. Gut gespielt, gefällig und nicht ohne Witz inszeniert, traf das Anfang der 60er Jahre wahrscheinlich den Nerv eines Publikums, das die Nachkriegsjahre hinter sich gelassen hatte und wohlig optimistisch in die Zukunft sehen wollte.

"Ieri, oggi e domani" Italien, Frankreich 1963, Regie: Vittorio De Sica, Drehbuch: Cesare Zavattini, Eduardo De Filippo, Darsteller : Sophia Loren, Marcello Mastroianni, Aldo Giuffrè, Agostino Salvietti, Tina Pica, Laufzeit : 119 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Vittorio De Sica:

"Ladri di biciclette" (1948)
"Miracolo a Milano" (1951)
"Umberto D." (1952)
"Stazione Termini" (1953)
"L'oro di Napoli" (1954)
"Il tetto" (1956)
"La ciociara" (1960)
"Boccaccio '70" (1962)
"I sequestrati di Altona" (1962) 
"Il boom" (1963) 
"Le streghe" (1967)

Sonntag, 6. Dezember 2009

Il terrorista (Der Terrorist) 1963 Gianfranco De Bosio

Inhalt: Venedig 1943 - während in der Kirche die Messe stattfindet, bereiten sich in den Nebenräumen drei Männer auf ein Attentat vor, indem sie deutsche Uniformen anziehen. Vorsichtig füllt einer von ihnen Nitroglytzerin in eine Weinflasche und verstaut diese dann in einer Weinkiste. Der Priester unterstützt sie und hilft ihnen dabei, mehrere Kisten mit Wein auf einer Gondoliere unterzubringen. Bevor sie losfahren, aktivieren sie den Sprengsatz, und fahren vorsichtig durch Nebenkanäle Venedigs zum Hauptquartier der deutschen Besatzungsmacht, wo sie den Wein anliefern. Kaum haben sie sich wieder von dem Gebäude entfernt, geht die Bombe hoch, während Ingenieur Braschi (Gian Maria Volontè), der aus der Nähe das Ganze beobachtete, den Kameraden ein positives Zeichen gibt.

Am nächsten Tag kommt die Führungsriege der Widerstandsgruppe, bestehend aus fün
f Männern, zusammen, und diskutieren die Auswirkungen des Attentats, bei dem fünf Menschen umkamen, das allerdings auch rigorose Strafmassnahmen der Deutschen nach sich zog. Ihre Haltung ist sehr unterschiedlich...



"Il terrorista" beginnt mit einem Terrorakt. Drei Männer befinden sich im Hinterraum einer venezianischen Kirche im Jahr 1943, wo sie vom Pfarrer der Gemeinde bei ihrem Vorhaben unterstützt werden. Sie ziehen deutsche Wehrmachts - Uniformen an, verstecken einen Sprengsatz in einer Flasche Wein, die zu einer größeren Weinlieferung an das deutsche Hauptquartier gehört, aktivieren diesen und begeben sich mit einer Gondolfiere auf Nebenkanälen zu ihrem Ziel. Einer von ihnen, ein Deutschlehrer, übergibt in perfektem Soldatendeutsch die Lieferung an die Besatzungsmacht. Nur kurz nachdem sie über einen der vielen Kanäle wieder verschwunden sind, explodiert die Bombe.  

Angesichts der Tatsache, dass sich dieses Attentat einer kleinen Widerstandsgruppe gegen die Besatzungsmacht richtete, scheint der Titel des Films "Il terrorista" unzutreffend, aber Regisseur und Autor Gianfranco De Bosio verdeutlicht mit dieser Bezeichnung, dass es ihm nicht um eine historische Einordnung aus der Sicht des Jahres 1963 ging, sondern um das Ansehen der Widerstandskämpfer im Jahr 1943. Diese hatten nicht nur mit den Deutschen zu tun, sondern auch mit den italienischen Faschisten, die mit diesen gemeinsame Sache machten. Entsprechend war die Propaganda geschaltet, die die Attentate als Terroranschläge auf unschuldige Menschen geisselte und damit Massenverhaftungen und standrechtliche Erschiessungen legitimierte. Dadurch fehlte den Widerstandkämpfern auch die mehrheitliche Rückendeckung in der Zivilbevölkerung.

Dass De Bosio in seinem ersten Film so konkret an diese Phase erinnerte, hat vor allem damit zu tun, dass der Film stark autobiografisch geprägt ist, da er als junger Mann selbst im Widerstand war. Entsprechend authentisch, fast intim fällt der Blick auf die kleine Gruppe von Verschwörern und ihre Schwierigkeiten. Zudem kann der Film nicht De Bosios Vorliebe für das Theater leugnen, an dem er zur Entstehungszeit seines ersten Films schon mehr als 10 Jahre Regiearbeiten ausgeführt hatte. Bis auf die wenigen, gut choreografierten Attentatsszenen, ist der Film sehr sprachlastig und verfügt über teilweise sehr lange theaterartige Dialogszenen. Allein das Zusammentreffen der führenden fünf Männer unmittelbar nach dem zu Beginn geschilderten Attentat ist eine fulminante, jede Perspektive ausleuchtende, fast halbstündige Diskussion über den Sinn und die Legitimation dieser Attentate.

De Bosio beschreibt die komplexe Struktur der Widerstandszelle durch den Verzicht auf einen herausragenden Protagonisten, auch wenn der Ingenieur Braschi (Gian Maria Volontè), der für die Organisation der Attentate zuständig ist, die auffälligste Figur darstellt. Es gelingt De Bosio dadurch, eine zwar nicht zahlenmässige, aber charakteristische Breite in der Widerstandsbewegung darzustellen, die sich aus allen Teilen der Bevölkerung zusammen setzt. So vertritt jeder der fünf Führungsköpfe eine andere Partei, die das komplette Spektrum ohne Mussolinis Faschisten abdeckt, weshalb es zu teilweise vehementen Auseinandersetzungen zwischen der christlichen, der liberalen oder kommunistischen Partei kommt. Der Film macht damit deutlich, wie schwer es den aus dem Bürgertum stammenden Vertretern fiel, Widerstand zu leisten. Und wie sehr sie auch darunter litten, zu Mitteln zu greifen, die sie sonst selbst als verbrecherisch betrachteten.

Auch bei den Ausführenden der Attentate oder dem Ingenieur fehlt jede heroische Attitüde. Im Gegenteil schildert De Bosio Menschen, die sich aus Angst zurückziehen oder zu Verrätern werden. Die gesamte Situation, in der sich die Widerstandskämpfer befinden, erscheint hoffnungslos. Durch die nur schwer zu anderen Zellen herzustellenden Kontakte, fehlt jede übergeordnete Planung. Die kritische Haltung der Bevölkerung und die rigorose Verfolgung durch die Behörden erlaubt zudem keinerlei Erfolgserlebnisse oder das Gefühl von Fortschritt. Ausserdem herrscht selbst innerhalb der Zelle Uneinigkeit über die anzuwendenen Mittel. 


Auch das eigene Privatleben findet nicht mehr statt, wie De Bosio in einer Szene verdeutlicht, in der der Ingenieur nach 3 Jahren zum ersten Mal seine Frau (Anouk Aimeè) wieder sieht."Il terrorista" ist ein in jeder Hinsicht aussergewöhnlicher Film über die Widerstandsbewegung in einem diktatorisch regierten und besetzten Land, da er sich ausschließlich mit den Widerstandskämpfern beschäftigt. Die deutsche Besatzungsmacht oder die italienische Polizei kommen nur in wenigen Szenen als anonym handelnde Personen vor. Dadurch vermittelt De Bosio noch mehr den klaustrophobischen Zustand, in dem sich die kleine Gruppe befindet, die über keine sicheren Rückzugsbereiche verfügt. Auch in der Schilderung der inneren Zerrissenheit der Widerstandskämpfer, der Uneinigkeit in den politischen Zielen und ihrer Umsetzung, erkennt man den Verzicht auf jegliche historische Verklärung, die 1963 schon längst in der allgemeinen Meinung vorherrschte.

Trotzdem lässt De Bosio keinen Zweifel an der Leistung und dem Mut dieser Männer aufkommen, die unter schwierigsten Bedingungen und oft gegen ihre anerzogenen Überzeugungen, Widerstand gegen ein unmenschliches System und ihre Vertreter leisteten. Viel mehr ist der Titel "Il terrorista" und die Art der Umsetzung als Kritik an einem Großteil der Bevölkerung zu verstehen, die damals keineswegs Sympathien für diese Männer hegte, aber inzwischen deren Taten durch Glorifizierung zur eigenen Beruhigung nutzt. Leider ist "Il terrorista" zu Unrecht in Vergessenheit geraten, auch weil der Film sich durch seine theaterartige, sprachintensive Inszenierung wenig an populären Mustern orientiert. An seiner inhaltlichen Aussage hat sich bis heute nichts geändert.

"Il terrorista" Italien, Frankreich 1963, Regie: Gianfranco De Bosio, Drehbuch: Gianfranco De Bosio, Luigi Squarzina, Darsteller : Gian Maria Volontè, Philippe Leroy, Giulio Bosetti, Raffaella Carrà, Anouk Aimèe, Laufzeit : 89 Minuten

Sonntag, 29. November 2009

L'uomo della strada fa giustizia (Manhunt in the city) 1975 Umberto Lenzi

Inhalt: Während David Vannucchi (Henry Silva) seiner Arbeit als Ingenieur nachgeht, hilft seine 8jährige Tochter auf ihrem Heimweg von der Schule einem blinden Mann über die Straße und in ein Bankgebäude. Tatsächlich ist der Mann keineswegs behindert, sondern täuscht seine Blindheit nur vor, um ohne die Schleuse in die Filiale zu gelangen, wo er sofort seine Machinenpistole zückt und die restlichen Bandenmitglieder hereinlässt. Doch bevor sie wieder verschwinden, erschießt er kaltblütig das kleine Mädchen, da sie etwas an ihm bemerkt hatte -"einen Skorpion", wie ihre letzten Worte lauten.

Vanucchi muss gemeinsam mit seiner Frau im Leichenschauhaus seine Tochter identifizieren und auch weiter hilflos mit ansehen, dass die Polizei von den Verbrechern keine Spur hat
. Zuerst verweigert er die angebotene Hilfe einer faschistisch orientierten Bürgerwehr, aber als er zunehmend erfahren muss, wie wenig die Polizei für die Sicherheit ihrer Bürger sorgen kann, nimmt er das Recht in die eigenen Hände...


Der englische Titel (übersetzt "Menschenjagd in der Stadt") verleugnet die feine Ironie, die sich hinter dem Originaltitel verbirgt. "Der Mann von der Straße sorgt für Gerechtigkeit" drückt konkret aus, was sogenannte Rache-Filme unterschwellig vermitteln - mit Selbstjustiz wird nur nachgeholt, was der Polizei zuvor nicht gelungen war. Filme dieser Art unterstellen dabei nicht nur, dass die Polizei unfähig oder korrupt ist und dazu der gesamte Justizapparat durch Bürokratie gelähmt wird, sondern dass "der Mann von der Straße" auch ein besseres Gefühl für Gerechtigkeit hätte. Um entsprechende Emotionen beim Betrachter zu manipulieren, wird plakativ eine zugespitzte Situation erzählt, die letztlich nur eine Konsequenz zulässt. Auch Regisseur und Autor Umberto Lenzi entwirft in wenigen Minuten einen Plot, der diese Intention zu bestätigen scheint, aber wer so offensichtlich fahrlässig schon im Filmtitel damit umgeht, muss noch etwas anderes im Schilde führen...

An "L'uomo della strada fa giustizia" wird deutlich, wie sehr sich die in Italien Mitte der 70er Jahre aufgeheizte Atmosphäre auch in Filmen widerspiegelte, die hauptsächlich der Unterhaltung dienen sollten. Anders als etwa in den parallel entstandenen Werken von Damiano Damiani, der hinter den äußeren Erscheinungen von Gewalt die politischen Hintergründe aufdecken wollte, ist Umberto Lenzi einfach plakativ direkt und fügt eine solche Menge an Verbrechen und Willkür aneinander, dass man beinahe bürgerkriegsähnliche Verhältnisse in Italien vermuten könnte. In dieser Hinsicht ähnelt der Film zwar auch Lenzis anderen Polizieschi dieser Phase, aber im Gegensatz etwa zu "Milano odia: la polizia non può sparare" (Der Berserker, 1974) steht nicht der Kampf Polizei gegen Gangster im Mittelpunkt, sondern der Wunsch nach Selbstjustiz durch den Bürger, ein Thema, dem sich schon "La polizia ringrazia" (Das Syndikat) 1972 widmete.

Dabei greift Umberto Lenzi von Beginn an auf einfachste Mittel der emotionalen Manipulation zurück. Während Vater David Vannucchi (überzeugend in seiner stoischen Unerbittlichkeit vom amerikanischen Mimen Henry Silva dargestellt) seiner Arbeit als Ingenieur nachgeht, bei der er im Straßenbau Explosionen auslöst, geht seine hübsche, blonde Tochter von der Schule nach Hause. Auf der S
traße wird sie von einem Blinden angesprochen, den sie auf dessen Bitte zum Eingang einer Bank geleitet. Durch dieses Manöver umgeht der Gangster die Schleuse, zückt im Inneren sein Maschinengewehr und lässt die restliche Bande hinein, während die Kleine nur stumm vor Schrecken in der Ecke steht. Als die Polizei sich nähert, fliehen sie, aber nicht bevor der angeblich Blinde das Mädchen noch mit ein paar gezielten Schüssen niederstreckt. Ihr war etwas an ihm aufgefallen, was sich in ihren letzten Worten manifestiert - „ein Skorpion“. Als hätte der kaltblütige Mord an einem Kind nicht schon genug Wirkung, zeigt der Film parallel zum Tod der Tochter, den Vater beim Kauf einer Puppe, um unmittelbar darauf ins Leichenschauhaus umzuschalten, wo er gemeinsam mit seiner weinenden Frau Vera (Luciana Paluzzi) zur Erkennung antreten muss.

Immer wieder in den nächsten Minuten blendet der Film idyllische Szenen ein, die den Vater mit der Tochter zeigen, während die Polizei vergeblich versucht, die Täter zu finden. Es dauert nicht lange, bis zwei Männer vor der Tür des Ingenieurs stehen, die ihm seine Hilfe anbieten. Bei Einem von ihnen handelt es sich um den Anwalt Mieli (Claudio Gora), der eine Bürgerwehr vertritt, die sich den Fällen annimmt, die aus ihrer Sicht von der Polizei nicht bewältigt werden können. Zudem erfährt Vannucchi von diesem, dass am Todestag seiner Tochter nicht der übliche Wachposten in der Bank anwesend war, weil dieser die Frau eines hochrangigen Polizeioffiziers zum Friseur begleitet hätte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt scheint der Moment gekommen, das Gesetz in die eigen
e Hand zu nehmen, aber der Film vollzieht eine Wendung. Entscheidend dafür ist nicht, dass Vannucchi die Vertreter der faschistischen Gruppierung aus dem Haus schmeißt und eigene Ermittlungen aufnimmt, sondern das die so klar gezogenen Trennlinien zu bröckeln beginnen.

Tatsächlich lebte Vannucchi schon einige Jahre getrennt von seiner Frau, weshalb er seine Tochter nur selten sah. Schon als er ihr die Puppe kaufte, konnte man an einer Frage an die Verkäuferin erkennen, dass ihm das Leben seiner Tochter nicht wirklich vertraut war. Dadurch erhalten die eingeblendeten Zeitlupensequenzen, in denen er sie unter blauem Himmel hochwirft, einen zunehmend ironischen Charakter. Anders sind auch die Ereignisse nicht aufzufassen, die der Film im Minutentakt auf seine Protagonisten loslässt. Ständig wird irgendwo etwas gestohlen, gehen Bomben hoch oder werden Menschen zusammengeschlagen. Umberto Lenzi lässt dabei zwar kein Klischee aus, übertreibt auch in Tempo und Dichte, bleibt aber in den gesamten Konstellationen realistisch.

Langhaarige Kerle belästigen in einem Cafe Vanucchis Frau mit eindeutig sexuellen Gesten, Rockerbanden brechen am helllichten Tag Autos auf
und schlagen noch die Besitzer zusammen, wenn sich diese dagegen wehren. Als Vanucchi in einer solchen Situation die Täter verfolgt, locken sie ihn in einen Hinterhalt und zerstören sein Auto. Niemand kommt ihnen zu Hilfe und als die Polizei endlich eintrifft, beschwert diese sich nur darüber, dass in Vanucchis Führerschein eine aktuelle Marke fehlt. Rechtsradikale Gruppierungen, wie Mielis Bürgerwehr, schüren das Chaos mit Bombenattentaten und schrecken vor keiner Brutalität zurück, um auf ihrer Weise Verbrecher zu bestrafen.

Innerhalb dieses Chaos, das letztlich nur den atmosphärischen Hintergrund für die eigentliche Story abgibt, wirkt der Polizeikommissar (Paolo Giordani) wie die einzige Konstante. Er versucht Vanucchi zu beruhigen, reizt diesen aber nur mit seiner abwartenden, ruhigen Haltung. Vanucchi dagegen gerät mit Hilfe eines schmierigen Privatdetektivs auf die Spur der Verbrecher, begibt sich selbst in die Unterwelt und muss erfahren, dass er sich mit einem übermächtigen Gegner angelegt hat. Jede seiner Aktionen führt zu einer brutaleren Gegenreaktion und wie Vanucchi, verliert auch der Betrachter zunehmend den Überblick zwischen Gegnern und angeblichen Freunden, bis er einen allerletzten Entschluss fasst.


Umberto Lenzis erzählt vordergründig die spannende und abwechslungsreiche Geschichte eines Mannes, der die Mörder seiner Tochter auf eigene Faust bestrafen will, untergräbt gleichzeitig aber dessen Vorgehensweise auf hintergründige Weise. Nicht nur, dass er die Taten der Bürgerwehr als willkürliche Verbrechen geißelt, auch Vanucchi selbst wirkt oft unüberlegt und übertrieben in seinen Aktionen. Doch erst das intelligente Ende, dass nur scheinbar dem gewohnten Klischee eines Rachefilms entspricht, bestätigt die Ironie des Filmtitels – „Der Mann auf der Straße sorgt für Gerechtigkeit“ – eine Illusion.

"L'uomo della strada fa giustizia" Italien 1975, Regie: Umberto Lenzi, Drehbuch: Umberto Lenzi, Dardano Sacchetti, Darsteller : Henry Silva, Luciana Paluzzi, Silvano Tranquilli, Claudio Gora, Alberto Tarallo, Laufzeit : 91 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Umberto Lenzi:
"Roma a mano armata" (1976)
"Il trucido e lo sbirro" (1976)
"La banda del gobbo" (1978)
"Incubo sulla città contaminata" (1980)

Dienstag, 17. November 2009

L'amore in città (Liebe in der Stadt) 1953 Carlo Lizzani, Michelangelo Antonioni, Dino Risi, Federico Fellini, Francesco Maselli, Alberto Lattuada

Inhalt : Im Format einer gefilmten Zeitung, namens "Lo spettatore", wird das Thema "Liebe in der Stadt" komplex beschrieben :

1. "Bezahlte Liebe" (L'amore che si paga)
Befragung von römischen Prostituierten und Beschreibung ihres Alltags.


2. "Selbstmord
versuch" (Tentato Suicido)
Interview mit fünf Frauen, die einen Selbstmordversuch begangen haben.

3. "Paradies für 3 St
unden" (Paradiso per 3 ore)
Schilderung einer nachmittäglichen Tanzve
ranstaltung, bei der sich junge Frauen und Männer kennenlernen können.

4. "Die Heiratsvermittlung" (Agenzia matrimoniale)
Bei dem Versuch, hinter die Machenschaften einer Agentur für Heiratsvermittlung zu kommen, lernt ein Journalist ein naives Mädchen vom Land kennen, dass ihm von der Agentur angeboten wird. Er beginnt, sie über die Realitäten aufzuklären...


5. "Die Geschichte von Catarina" (Storia di Catarina)
Eine junge Frau aus Sizilie
n sucht Arbeit in Rom, um sich und ihr uneheliches Kind durchzubringen. Da sie über keine Papiere verfügt, kann ihr Niemand helfen, und sie gerät in einen Strudel, der sie schließlich zum Äußersten zwingt...

6."Die Italiener drehen sich um" (Gli Italiani si voltano)
Auf den Straßen in Rom verke
hren viele Menschen, die beobachten und beobachtet werden. Vor allem attraktive, junge Frauen erzeugen vielfache Reaktionen beim männlichen Geschlecht.


Die erste Ausgabe des Kino - Journals "Lo Spettatore" von 1953 erlebte leider keine Fortsetzung und obwohl einige der renommiertesten Regisseure und Drehbuchautoren daran beteiligt waren, wird bei der Analyse deutlich, an welchen Gründen das gelegen haben kann. Analog zu in größeren Abständen erscheinenden Magazinen, gab sich auch "Lo Spettatore" einen
Oberbegriff, den die einzelnen Artikel (hier Kurzfilme) aus unterschiedlichen Positionen heraus behandelten - "L'amore in città" (Die Liebe in der Stadt) - mit Rom als Hintergrund.

Initiator des Projektes war Cesare Zavattini, der hier nicht nur als Produzent auftrat, sondern an fünf der sechs Kurzfilme als Drehbuchautor beteiligt war. Zavattini hatte in den Jahren zuvor einige der wichtigsten Werke des italienischen Neorealismus als Autor verantwortet (mit De Sica unter anderen "Ladri di biciclette" (Fahrraddiebe, 1948), mit Visconti "Bellissima" (1951) und mit De Santis "Roma ore 11" (1952) und es überrascht wenig, dass sich "L'amore in città" ganz diesem Realitätsgedanken unterwarf. Auch die Idee, eine Anzahl von Kurzfilmen unter einem Motto zusammenzufassen, kannte damals nur wenige Vorbilder und war in der hier gezeigten Konseq
uenz neu. Zavattini selbst griff diesen Gedanken erst 1962 wieder auf, als er in "Boccaccio '70" ein ähnliches Konstrukt wählte, dabei aber die einzelnen Filme anders gewichtete.

Angesichts des experimentellen Charakters des Films, fällt es schwer von Fehlern zu sprechen, aber es stellte sich heraus, dass diese Art der filmischen Adaption einer Zeitung nicht wirklich gelang. Das begründet sich
daraus, dass die Bemühung, möglichst authentisch und ohne professionelle Darsteller zu berichten, im Widerspruch zu der auf die Protagonisten gerichteten Kamera stand. Nur in den wenigen Momenten, in denen diese aus einer versteckten Position heraus beobachtet wurden, verfügten die Aufnahmen tatsächlich über den gewünschten dokumentarischen Charakter, während etwa die Befragungen der Prostituierten (Episode "L'amore che si paga") und Derjenigen, die einen Selbstmordversuch hinter sich hatten (Episode "Tentato siucido"), stark durch die dadurch erzielte Aufmerksamkeit beeinflusst wurden.

Besonders die Episode "Storia di Catarina", die vom letzten Akt einer Mutter erzählt, die ohne Arbeit, Papiere und Unterkunft ein erbärmliches Dasein mit ihrem kleinen Sohn fristet, leidet unter diesem Widerspruch. Da Caterina Rigoglioso selbst ihre eigene Situation nachspielte, wurde zwar einerseits eine große Nähe zur Realität erzielt, andererseits nahm das dem Geschehen die eigentliche Tragik. Obwohl es in vielen neorealistischen Filmen üblich war, dass Laiendarsteller in ihrer vertrauten Umgebung agierten, erzählten die Filme letztlich von den Autoren erdachte Geschichten, die diese an die Realität anlehnten.


Noch entscheidender für das Misslingen des Projekts, war Zavattinis Versuch, aus den einzelnen Episoden ein großes Ganzes herzustellen, ohne den Kurzfilmen genügend eigenes Gewicht zu geben. Der Versuch, aus verschiedenen Aspekten heraus, den universellen Begriff der "Liebe in der Stadt" zu erklären, ehrt Zavattinis Bemühungen, aber die einzelnen Filme leiden darunter, dass sie sich nur auf ein Detail beschränken. Aus dem Zusammenhang gerissen wirken sie wenig komplex. Nicht von ungefähr sticht in dieser Hinsicht Fellinis "Un agenzia matrimoniale" (Eine Agentur für Heiratsvermittlung) positiv heraus. Es ist der einzige Kurzfilm, der nicht von Zavattini beeinflusst worden war, und der hier die facettenreichste Geschichte erzählt.

Unabhängig davon, ist eine Gemeinsamkeit aller Episoden auffällig. „L’amore in città“, das in einer Art Vorwort mit kurzen Dialogen zwischen Mann und Frau eingeleitet wird und auch über ein Nachwort verfügt, konzentrierte sich fast ausschließlich auf das weibliche Geschlecht. Während das bei dem Interview mit Prostituierten noch nahe liegend war, handelte es sich auch bei den fünf Personen, die einen Suizidversuch verübten, nur um Frauen. Ähnliches gilt für die Heiratsvermittlung und das Schicksal der Armut, welche ebenfalls mit weiblichen Protagonistinnen im M
ittelpunkt beschrieben wurden. Nur die beiden dokumentarischen Aufnahmen eines Tanznachmittags und von Straßenszenen, vereinten beide Geschlechter. Ob das an der männlichen Crew lag, die sich mehr für das weibliche Geschlecht interessierte, oder die Rolle der Frau Anfang der 50er Jahre stärker betont werden sollte, ist heute nur noch zu vermuten.


1. Episode "L'amore che si paga" (Carlo Lizzani)


Lizzanis Bericht über die römischen Prostituierten, die nachts auf der Straße ihrer Arbeit nachgehen, verzichtet auf jede moralische Bewertung, sondern erzählt lakonisch von deren Alltag in der Großstadt. Er beschreibt die Orte, an denen sie anzutreffen sind, aber auch den Versuch der bürgerlichen Gesellschaft, ihre Anwesenheit zu verbergen. Nur die Mutigsten halten sich im Zentrum auf und auch die Lokalitäten, an denen sie sich ausruhen oder aufwärmen dürfen, sind beschränkt.

Trotzdem hört man au
s dem Mund der Frauen keinen kritischen Ton, wenn sie über ihre Situation erzählen. Erstaunlich selbstbewusst, aber auch realitätsnah, schildern sie ihren Schuhverschleiß und ihre Widerstandskraft gegenüber der Kälte, berichten über die arbeitslosen Familienmitglieder oder Kinder, die sie mit ihrer Arbeit ernähren, und ärgern sich nicht einmal ernsthaft über den weggelaufenen Freund, der ihre Ersparnisse mitgenommen hat. Für die gesellschaftskritische Einordnung ist einzig Lizzanis Kommentar zuständig, der seine Geißelung von Armut, Einsamkeit und Abhängigkeit mit den etwas naiven Worten beendet, dass es nur ein wenig wahrer Liebe bedarf, um die Frauen zu retten.
Zur Einordnung dieses Kurzfilms ist es notwendig, den Entstehungszeitpunkt zu beachten, denn die Prostitution wurde Anfang der 50er Jahre totgeschwiegen, so sehr sie auch Bestandteil des alltäglichen Lebens war. Zavattinis und Lizzanis Verdienst liegt in der Selbstverständlichkeit, mit der dieser Aspekt zur „L’amore in città“ hinzugefügt wurde. Dass damit eine gewisse Idealisierung der Frauen einherging, auch wenn der Film keineswegs deren Einfachheit leugnet, sollte man als Gegengewicht zur gängigen Meinung begreifen.


2. Episode „Tentato suicido“(Michelangelo Antonioni)

War es noch verständlich, dass sich die Prostituierten um eine möglichst positive Selbstdarstellung bemühten, wirkt sich dieser Aspekt bei Antonionis Befragung von Menschen, die einen Selbstmordversuch begangen hatten, problematischer aus. Der Versuch, unglückliche Liebesbeziehungen für den Selbstmord in den Mittelpunkt zu stellen, wirkt angesichts der Komplexität dieses Themas etwas eingeschränkt. Zudem lässt Antonioni zu Beginn seines Films zwar Frauen und Männer in einen großen, mit weißen Laken behängten Raum treten, interviewt dann aber ausschließlich weibliche Personen, was die Frage aufwirft, ob die Männer nicht bereit waren, darüber zu sprechen ?

Solche in die Tiefe gehenden Fragen stellt Antonioni leider nicht, sondern lässt die fünf Damen darüber plaudern, was sie zu ihrem Selb
stmordversuch getrieben hatte. Obwohl an diversen Verletzungen die Ernsthaftigkeit ihrer damaligen Situation nachvollziehbar wird und es sich um authentische Fälle handelte, können sie keine echte Tragik mehr vermitteln, getreu dem psychoanalytischen Motto, dass vor allem Diejenigen gefährdet sind, die nicht darüber sprechen können. Der Regisseur selbst kritisierte später dieses Format, dass den Frauen eher die Möglichkeit zur Selbstdarstellung gab (eine von ihnen beklagt, dass sie mit 21 schon zu alt wäre, noch Schauspielerin zu werden), als das deren Erfahrungen allgemeine Rückschlüsse zuließen.

Allerdings ist auch hier, ähnlich wie bei der ersten Episode, der Zeitkontext für die Bewertung des Films entscheidend, denn in einem stark katholisch geprägten Land wie Italien galt Selbstmord noch lange als Todsünde, weshalb die Selbstverständlichkeit beeindruckt, mit der dieses Thema ohne zu moralisieren integri
ert wurde. Auch den Mut der Frauen, sich zu offenbaren, sollte man - trotz der selbst vermittelten Abschwächung ihrer Emotionen - nicht unterschätzen, denn anders als bei einer gedruckten Zeitung, fehlte hier die schützende Anonymität.


3. Episode „Paradiso per 3 ore
“(Dino Risi)

Dino Risi beschreibt in seinem Film einen Club, in dem am Nachmittag zum Tanz aufgespielt wird. Diese Art der Begegnung zwischen jungen Frauen und Männern, stellte eine bürgerlich legitimierte Form dar, die spätestens um 7 Uhr abends endete. Der Kurzfilm vermittelt damit das Gegenteil zu den ersten beiden Episoden, denn in den vier Stunden, in denen die jungen Menschen tanzen, reden und lachen, leben sie in einer spielerischen Weise ihre erotischen Gefühle aus. Auch hier gibt es Gewinner und Verlierer, aber Niemandem wird die Hoffnung geraubt, dass es an einem der nächsten Nachmittage nicht ganz anders laufen könnte.

Risi beobachtet nur, stellt keine Fragen und kommt damit dem Thema „L’amore in cittá“ bisher am nächsten, auch wenn es sich nur um einen spezifischen Aspekt handelt, der aus heutiger Sicht zudem noch altmodisch wirkt. Bedingt auch durch die Live-Musik, die sehr nah am damaligen Zeitgeschmack agiert, wirken die Eingriffe, die das Drehbuch vornimmt, indem es bestimmte Konstellationen nachspielt – wie etwa den coolen Typen, der sich natürlich an das attraktivste Mädchen ranmacht – nicht aufgesetzt, sondern im Gegenteil mit ihrem Wechselspiel aus Aufforderung und Tanz gut choreographiert.



4. Episode „Agenzia matrimoniale“(Federico Fellini)

Bei Fellinis Film handelt es sich um die einzige Episode, an der Zavattini nicht als Autor mitwirkte, und anders als die bisherigen Kurzfilme, erzählt er eine in sich abgeschlossene Geschichte, die sich nur scheinbar dem oben genannten Thema widmet. Im Mittelpunkt steht dabei ein Journalist, aus dessen subjektiver Sicht der Film den Charakter einer Reportage erhält. Er
begibt sich auf den Weg zu einer Agentur für Heiratsvermittlung und schon die ersten Bilder bestätigen seine skeptische Haltung, als er auf der Suche nach dem Büro durch ellenlange Flure eines heruntergekommenen Wohnblocks laufen muss.

Um die Agentur aus der Reserve zu locken, hat er sich eine Geschichte zurechtgelegt. Er behauptet, einen vermögenden Mann zu vertreten, der auf diesem Weg eine Frau sucht, weil er eine entstellende Krankheit hat. Immer wieder erwähnt er diesen Fa
kt, nicht für möglich haltend, dass die Vermittler in ihrem unaufgeräumten Büro damit kein Problem haben. Und tatsächlich teilen sie ihm bald schon mit, eine geeignete Frau gefunden zu haben. Diese stellt sich dann als sehr naives Mädchen vom Land heraus, dass gezwungen ist, auf diese Weise für ihre Familie zu sorgen.

Interessant an Fellinis Film ist dabei weniger die sozialkritische Betrachtung der Ausnutzung verarmter Menschen durch eine unseriöse Firma, sondern dass sich der Film nur am Rande mit der eigentlichen Liebes - Thematik befasst. Stattdessen widmet er sich der Dummheit, die darin verborgen liegt, dass Niemand die offensichtliche Lüge durchschaut, die der Journalist zudem noch weiter ausreizt. Selbst als er das Mädchen mit der Beschreibung seines angeblichen Auftraggebers abzuschrecken versucht, muss er feststellen, dass gegen deren Willen, damit der Armut zu entkommen, kein Kraut gewachsen ist. Letztlich muss er ihr seine Täuschung gestehen.Die Hoffnung auf ein gutes Geschäft ließen die Agentur jede Konstellation annehmen und der Wunsch nach materieller Sicherheit lieferte ihnen dafür genügende Opfer. Fellinis Film kann sehr gut vermitteln, dass es keiner allzu hohen Hürden bedarf, um erfolgreich in dieser Branche zu arbeiten.


5. Episode„Storia di Catarina“(Francesco Maselli, Cesare Zavattini)


Nachdem die Episoden 3 und 4 eine gewisse Leichtigkeit vermittelten, war offensichtlich wieder eine dramatische Geschichte an der Reihe, ganz im traditionellen Geist des Neorealismus. Catarina stammt aus Palermo und war nach Rom gekommen, um dort Arbeit zu finden. Stattdessen wurde sie schwanger, hatte keinen festen Wohnsitz und wurde von der Polizei wieder nach Sizilien verwiesen. Doch dort wurde sie von ihrer Familie verstoßen, weshalb sie mit ihrem unehelichen Kind wieder zurück in die Großstadt ging.

Während Catarina als Obdachlose auf ihrem Mantel schläft, erzählt eine Stimme aus dem Off deren Vorgeschichte, erwähnt aber auch ihre Verantwortung für den kleinen Sohn, den sie bei einer Pflegemutter unterbrachte, eine damals in Rom übliche Arbeit von Frauen, die selbst kaum genügend Geld hatten, um ihre
eigenen Familien durchzubringen. Dieser Aspekt ist deshalb von Bedeutung, weil Zavattini den Niedergang einer Frau zeigt, die so tief fällt, dass sie letztlich ihren Sohn aussetzt. Um die Anteilnahme des Publikums für diese Frau zu erhalten, erzählt der Film detailliert ihre Geschichte eines verhängnisvollen Kreislaufs aus fehlenden Papieren, Angst vor der Abschiebung, keiner Arbeit und damit auch keinem Geld.

Als sie ihr Kind von der Pflegemutter zurück erhält, weil sie diese nicht mehr bezahlen kann, gibt sie ihre letzten Lire für ein Essen ihres Sohnes aus, bevor sie ihn weinend in einem Park zurücklässt. Bemerkenswert ist die allgemeine Freundlichkeit der Menschen, die ihr helfen wollen, selbst aber an den äußeren Umständen scheitern. Ganz deutlich liegt die Kritik hier an den staatlichen Stellen, die für eine Mutter mit unehelichem Kind, die in eine nachvollziehbare Notsituation gerät, keine Hilfe bereithält.


„Storia di Catarina“, mit einer Länge von ca. 25 Minuten auch die längste Episode, erinnert in seiner Anlage an Zavattinis mit De Sica zusammen gedrehten Dramen wie etwa „Umberto D“ (1952), weshalb der Film in „L’amore in città“ wie ein Fremdkörper wirkt. Auch der Zusammenhang zu dem übergeordneten Thema lässt sich nur schwer herstellen, aber entscheidender ist, dass dem Film der journalistische Charakter fehlt, den die übrigen Episoden zumindest versuchten, umzusetzen. Dass Catarina selbst, gemeinsam mit ihrem kleinen Sohn, ihre eigene Rolle nachspielt, schwächt die Wirkung der Geschichte zudem noch ab, weil darin schon frühzeitig erkennbar wird, dass es letztlich doch eine Lösung für sie gab.


6. Episode „Gli Italiani si voltano“(Alberto Lattuada)


Zum Schluss interessiert sich der Film wieder für die Interaktion zwischen Mann und Frau, in dem er den Menschen in die Gesichter sieht und ihre Reaktionen auf das andere Geschlecht beobachtet. Allerdings tritt hier der männliche Blick der Macher besonders deutlich hervor, denn zuerst sieht die Kamera auf die Beine, den Po, den Busen und das Gesicht der Frauen, als wollte der Kameramann erst seine eigenen Erfahrungen machen.

Ganz offensichtlich wurden d
ie Reaktionen der Männer auf der Straße durch Lattuada und Zavattini provoziert, indem sie sehr attraktive Frauen durch die Menschenmenge schickten und damit unverhohlene Blicke ernteten. Der Film gewinnt dazu, als er die detaillierten Beobachtungen verlässt und abschließende kleine Geschichten erzählt, die sich daraus entwickelten. War ein dicklicher Mann schon schwitzend einer Frau mit einem schönen Hintern eine lange Treppe hinauf gefolgt, um oben resigniert feststellen zu müssen, dass sie dort schon erwartet wird, ist ein anderer Mann noch hartnäckiger, indem er einer jungen Frau im Bus folgt und auch mit ihr zusammen aussteigt. Doch bevor er sie ansprechen kann, läuft sie angsterfüllt zu ihrer Arbeitsstelle und er muss ergebnislos zurückkehren.

In diesem Moment ist Lattuada der Thematik „Liebe in der Stadt“ ganz nah, denn er vermittelt die Diskrepanz aus Außendarstellung, wie sie in der Großstadt üblich ist, und einer letztlich doch sehr persönlichen Entscheidung. Damit erfasst er in dem kurzen Moment, als der Mann alleine zurückbleibt, die gesamte Komplexität, zu der sich der Film fast zwei Stunden lang bemühte. Der entscheidende Unterschied zwischen der Liebe in der Stadt oder der im Allgemeinen, wird nicht in Prostitution, Selbstmord oder unehelichen Kindern erkennbar - auch die spezifischen Tanzveranstaltungen oder Heiratsagenturen basieren eher auf organisatorischen Unterschieden – sondern in der Möglichkeit, die eigene Sexualität offensiver ausleben zu können, ohne daraus gleich Konsequenzen ziehen zu müssen. Auch wenn sich das – wie hier gezeigt - oft als Illusion herausstellt.

Letztlich ist es zu bedauern, dass die Idee, eine gefilmte Zeitung herzustellen, keine Fortsetzung fand. Auch wenn im Detail Widersprüche zu erkennen sind, so überrascht doch der Mut, mit dem hier ein für die damalige Zeit kontroverses Thema angepackt wurde. Während man in einer Zeitung allerdings zwischen unterschiedlichen Artikeln auswählen kann, wird hier der Betrachter dazu gezwungen, sich mit den verschiedenen Stilen und Themen in einer vorgegebenen Reihenfolge auseinanderzusetzen, wodurch sich auch der mangelnde Erfolg dieses Projektes erklären lässt. Erst viele Jahre später sollte Zavattini wieder auf dieses Format zurückgreifen, und damit eine Blütezeit des Episodenfilms in Italien einleiten.



"L'amore in città" Italien 1953, Regie: Carlo Lizzani, Michelangelo Antonioni, Dino Risi, Federico Fellini, Francesco Maselli, Alberto Lattuada, Drehbuch: Cesare Zavattini, Tullio Pinelli, Luigi Malerba, Darsteller : Catarina Rigoglioso, Livia Venturini, Ugo Tognazzi, Marisa Valenti, Marco Ferreri, Giovanna Ralli, Laufzeit : 109 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Carlo Lizzani:

"Requiescant" (1967)
"Banditi a Milano" (1968)
"Amore e rabbia" (1969) 
"Roma bene" (1971) 
"Mussolini: ultimo atto" (1974)

weitere im Blog besprochene Filme von Dino Risi:

"Il sorpasso" (1962)
"I mostri" (1963) 
"Le bambole" (1965)
"I nuovi mostri" (1977)

weitere im Blog besprochene Filme von Michelangelo Antonioni:

"Gente del Po" (1943)
"Superstizione" (1949)
"Sette canne, un vestito" (1949)
"Cronaca di un amore" (1950)
"I vinti" (1952)
"Il grido" (1957)
"L'avventura" (1960)
"La notte" (1961)
"L'eclisse" (1962)
"Il deserto rosso" (1964)

weitere im Blog besprochene Filme von Federico Fellini:

"Boccaccio '70" (1962)

weitere im Blog besprochene Filme von Alberto Lattuada:

"La spiaggia" (1954)
"I dolci inganni" (1960)
"Le farò da padre" (1974)