Inhalt: Auf einer staubigen Straße am Rand einer sizilianischen Kleinstadt wird am frühen Morgen ein Lastwagenfahrer von einem Heckenschützen ermordet. Obwohl die Leiche auf der Straße liegt, fühlt sich Niemand dafür verantwortlich, bis zufällig ein Polizist diese entdeckt. Schon kurz nachdem Bellodi (Franco Nero), der neue, aus dem Norden Italiens stammende, Polizeioffizier vor Ort ist, wird deutlich, welches Motiv sich hinter der Tat verbirgt. Bei dem Toten handelt es sich um einen ortsansässigen Bauunternehmer, der sich nicht an die internen Absprachen hielt, die bei der Vergabe der Bauaufträge, aber auch bei der Qualität des Baumaterials von der ortsansässigen Mafia vorgegeben werden.
Auf der schwierigen Suche nach einem Zeugen, muss Bellodi zudem feststellen, dass ein Mann verschwunden ist. Ausgerechnet der Ehemann von Rosa Nicolosi (Claudia Cardinale), von dessen Haus man mühelos den Mord hätte beobachten können, ist unauffindbar. Zudem mehren sich die Stimmen, Nicolosi hätte den Bauunternehmer erschossen, weil dieser ein Techtelmechtel mit seiner Frau gehabt hätte. Bellodi sieht in diesen offensichtlich gelenkten Beschuldigungen die Chance, Rosa Nicolosi als Zeugin zu gewinnen. Aber obwohl sie sich gegen die falschen Vorwürfe wehrt, begibt auch sie sich zuerst zu Don Mariano Arena (Lee J.Cobb), dem Mann, der alle Fäden in der Hand hat...
Der Sizilianer Sciascia beschrieb in „Il giorno della civetta“ die Geschehnisse in einem kleinen sizilianischen Ort noch in seiner unmittelbarsten Form. Don Mariano Arena (L.J.Cobb) ist der angesehenste und mächtigste Bürger der Stadt, der für Arbeit sorgt und über beste Verbindungen zu den Abgeordneten der Christlichen Partei in Palermo verfügt. Um ihn herum hat sich ein dichtes Netzwerk gebildet - aus Vasallen, die sich um die Drecksarbeit kümmern, aus Bauunternehmern, die von Arena profitieren, der ihnen öffentliche Aufträge zuschanzt, und letztlich aus den einfachen Bürgern, die auf diese Weise Lohn und Brot erhalten. Darin könnte man ein intaktes soziales System erkennen, wenn Don Arena nicht an allen Geschäften beteiligt wäre. Um entsprechende Profite einzuheimsen, wird an der Qualität der Baustoffe gespart, wodurch es immer wieder zu Unfällen kommt – eine Thematik, der sich Francesco Rosi 1963 in „Le mani sulla città“ (Die Hände über der Stadt) am Beispiel einer italienischen Großstadt widmete.
Das er überhaupt zu solchen Maßnahmen gezwungen wird, liegt an der einzigen katalytischen Figur, die Damiani hier auftreten lässt – den Polizei-Kapitän Bellodi, der neu an diesen Ort versetzt wurde und der nicht aus Sizilien stammt. Franco Nero spielt ihn entsprechend mit einer gewissen Arroganz, die auch nicht davor zurückschreckt, selbst unlautere Methoden anzuwenden, um das Netz der „Omerta“ - des Schweigens - zu durchbrechen. Dieser Polizeioffizier ist prinzipiell eine künstliche Figur, die auf Grund fehlender Abhängigkeiten (Bellodi hat keine Familie) in der Lage ist, intellektuell mit den Verflechtungen an diesem Ort umzugehen. Strategisch geschickt vorgehend, gelingt es ihm langsam, Strukturen aufzubrechen, wodurch er auch Don Arena unter Druck zu setzen vermag. Indem sie der Mafia an diesem Ort einen echten Gegner gegenüber stellten, machten Damiani und Sciascia erst deutlich, dass selbst eine solche, nur wenig realistische Konstellation, letztlich wirkungslos an den bestehenden Verhältnissen verpufft. Don Arena kann sich sogar die Großzügigkeit leisten, einen geplanten, aber nicht mit ihm abgestimmten Anschlag auf Belloni wieder zurück zu pfeifen.
Vergleicht man „Il giorno della civetta“ mit späteren Filmen Damianis zu diesem Thema oder mit Sciascias folgenden, auch von Elio Petri und Francesco Rosi verfilmten Werken, dann fällt auf, dass sie nie wieder das Prinzip eines äußeren, unabhängigen Standpunktes anwendeten, für den Belloni hier steht. Natürlich veranschaulicht der Film sehr genau die inneren Strukturen, zeigt die Zwänge des Einzelnen auf, beschränkt sich aber in der Beschreibung der unter diesen Verhältnissen Leidenden nur auf wenige Individuen – den Bauunternehmer, der keinen Pfusch abliefern will, die Ehefrau, deren Mann Pech hatte, und der kleine Spitzel (Serge Reggiani), der nicht begriffen hat, wohin er gehört. Alle Anderen scheint es dagegen gut zu gehen in diesem System. Die Empörung des Betrachters angesichts dieser ungesetzlichen Situation, entsteht nur aus dem Blickwinkel seines Stellvertreters im Film, Franco Nero, nicht aber in der Identifikation mit der Bevölkerung des kleinen Ortes.
Dank seiner Direktheit und einer klaren, Spannung erzeugenden Erzählstruktur, hat sich „Il giorno della civetta“ eine gewisse Popularität und Zugänglichkeit bis heute bewahrt, die aber nicht übersehen lässt, dass dem Film die Subtilität eines „A ciascuna il suo“, indem die Identifikationsfigur aus der Mitte der sizilianischen Gesellschaft kommt, oder Damianis folgendem Film „La moglie più bella“ (Macht und Leidenschaft) von 1970 fehlt. Dort spielen Polizei und Mafiabosse nur noch eine Nebenrolle, denn Damianis Blick gilt den generellen Auswirkungen auf eine Sozialisation, unter der letztlich Alle leiden, selbst wenn Einzelne vordergründig davon profitieren. Zudem verließen sowohl Damiani, als auch Sciascia die Zelle der sizilianischen Kleinstadt und begriffen das Mafia-System als eine übergreifende, politisch relevante Kraft, die sich auf das gesamte Land auswirkte. Unabhängig davon, bleibt „Il giorno della civatta“ relevant in seiner detaillierten und kritischen Beschreibung eines Systems, und wurde damit der gelungene Ausgangspunkt Damiano Damianis und seines Autors Leonardo Sciascia.
"Il giorno della civetta" Italien, Frankreich 1968, Regie: Damiano Damiani, Drehbuch: Damiano Damiani, Ugo Pirro, Leonardo Sciascia (Novelle), Darsteller : Franco Nero, Claudia Cardinale, Lee J.Cobb, Serge Reggiani, Tano Cimarosa, Laufzeit : 104 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Damiano Damiani:
"Il rossetto" (1960)
"Il sicario" (1961)
"L'isola di Arturo" (1962)
"Quien sabe" (1967)
"La moglie più bella" (1970)
"Confessione di un commissario di polizia al procuratore della republicca" (1971)
"L'isttruttoria è chiusa: dimentichi" (1971)
"Perché si uccide un magistrato" (1974)
"Io ho paura" (1977)
"L'avvartimento" (1980)
"Il sicario" (1961)
"L'isola di Arturo" (1962)
"Quien sabe" (1967)
"La moglie più bella" (1970)
"Confessione di un commissario di polizia al procuratore della republicca" (1971)
"L'isttruttoria è chiusa: dimentichi" (1971)
"Perché si uccide un magistrato" (1974)
"Io ho paura" (1977)
"L'avvartimento" (1980)
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