- Episode 1 (L'amore romantico)
In der Silvesternacht zu Beginn des neuen Jahrhunderts erfährt Elena (Leonora Ruffo), Tochter aus reichem Hause, von ihrem heimlichen Geliebten Mario (Franco Interlenghi ), dass dieser als Pianist auf eine Tournee geht, um endlich ihrer würdig zu werden. Doch Elenas Vater und vor allem ihre Tante stellen sich eine standesgemäßere Verbindung vor...
- Episode 2 (Guerra 1915-1918)
Als die jungen Männer seines Dorfes zum Wehrdienst eingerufen werden, ist Antonio (Albino Cocco) enttäuscht, denn er ist noch ein Jahr zu jung dafür. Stattdessen heiratet er Carmela (Maria-Pia Casilio), die auch bald ein Kind von ihm erwartet. Als sein Jahrgang doch noch gezogen wird, ist die Freude groß...
- Episode 3 (Dopoguerra)
1922 rüsten sich die jungen Männer für den Marsch auf Rom, um gemeinsam mit Mussolini die Macht zu übernehmen. Auch Alberto (Alberto Sordi) ist beseelt von dieser Aufbruchstimmung und verlässt deshalb seine Dorfliebe Susanna (Silvana Pampanini), um im Schwarzhemd nach Rom zu marschieren. Dort angekommen erliegt er schnell den Verlockungen des römischen Nachtlebens...
- Episode 4 (Napoli 1943)
Es herrscht Fliegeralarm und während die Sirenen heulen, versammelt sich eine muntere Gemeinde im nahegelegenen Bunker. Darunter auch Renato (Franco Pastorino), ein junger Soldat, der gerade eine schwere Verletzung auskuriert hat. Er verliebt sich in Carla (Antonella Lualdi), die in ihrem Kostüm aus der Oper, wo sie gerade "Aida" aufführten, in den Bunker gekommen ist...
- Episode 5 (Girandola 1910)
Als der Arzt Michelangelo (Carlo Campanini) einen schon etwas älteren Lebemann zu einem gemäßigteren Lebenswandel auffordert, ahnt er noch nicht, dass er damit eine Lawine auslöst. Schon bald stehen Männer und Frauen bei ihm vor der Tür, um mit dieser Diagnose inzwischen unliebsam gewordene Geliebte loszuwerden, in dem der Doktor diesen zu sexueller Enthaltsamkeit aus gesundheitlichen Gründen rät. Eitel gefällt er sich in dieser Rolle, die auch seinen gesellschaftlichen Aufstieg ermöglicht...
Anders als die ein Jahr zuvor entstandenen Episodenfilme "L'amore in città" und "Siamo donne", an dem Roberto Rossellini ebenfalls beteiligt war, ist die Thematik in "Amori di mezzo secolo" schon durch das große Zeitfenster einer Jahrhunderthälfte deutlich breiter gefasst. Die fünf Episoden suchten sich zwar signifikante Ereignisse als Hintergrund aus - die Jahrhundertwende, die beiden Weltkriege und die Machtergreifung der Faschisten - blieben dabei aber immer stichprobenartig, da auch der jeweilige Umgang mit diesen prägenden historischen Vorkommnissen kaum unterschiedlicher hätte sein können - komödiantisch, tragisch oder melodramatisch.
Auch die Anordnung der letzten von Antonio Pietrangeli verantworteten Episode "Girandola 1910" fällt aus dem Rahmen, da sie einerseits der chronologischen Abfolge der ersten vier Kurzfilme widerspricht, andererseits auf einen besonderen historischen Hintergrund verzichtet. Heute kann man nur noch darüber spekulieren, warum diese Episode, an der auch der junge Ettore Scola erstmals gemeinsam mit Pietrangeli als Autor beteiligt war, den Reigen abschließt. Vielleicht wollte man - ähnlich wie beim später entstandenen Episodenfilm "Boccaccio '70" - das Publikum mit einem amüsanten Film verabschieden, vielleicht passte das einfach zu dem Charakter dieses nur 72minütigen Films, der jungen Talenten an der Seite Roberto Rossellinis die Möglichkeit gab, ihre Kunst zu entfalten :
1. "L'amore romantico" (Glauco Pellegrini)
Die Liebe zwischen Elena (Leonora Ruffo), Tochter aus gutem Hause, und dem verarmten Musiker Mario (Franco Interlenghi) wird ausgehend von den Silvesterfeierlichkeiten zum Beginn des 20.Jahrhunderts in melodramatischer Form erzählt. Mario muss die Geliebte verlassen, um auf eine große Konzerttournee zu gehen, da er nur so einen Stand erreichen kann, der es ihm ermöglicht, um ihre Hand anzuhalten. Elenas Vater und ihre Tante, die vordergründig Elenas Glück wollen, akzeptieren scheinbar diese Phase, die die Liebenden mit ständigem Briefeschreiben überstehen wollen, aber heimlich zerstören sie hinter deren Rücken das Glück, damit Elena eine standesgemäße Verbindung mit einem Adeligen eingeht.
Der Film erzählt die bekannte Mär vom sich entwickelnden Misstrauen gegenüber dem entfernten Geliebten und der zu späten Erkenntnis, falsch gehandelt zu haben. Ihn als Kritik am Klassenbewusstsein dieser Zeit anzusehen, welches politische Entscheidungen über persönliches Glück stellte, wäre übertrieben, denn dafür ist Pellegrinis Film zu harmlos. Auch kann diese Liebesgeschichte kaum als exemplarisch im Zeitkontext angesehen werden, sondern könnte so ähnlich jederzeit vorkommen. Im Gesamtkontext des Episodenfilms kommt "L'amore romantico" ein wenig die Rolle des Türöffners zu, mit dem das Jahrhundert beginnt, ohne aus diesem Datum gesellschaftskritisches Potential zu schöpfen.
2. "Guerra 1915-1918" (Pietro Germi)
Dagegen ist Germis Episode von anderem Kaliber, denn er widmete sich der Beurteilung des 1.Weltkrieges aus der Sicht eines kleinen abgelegenen Dorfes. Dessen Bewohner verfügen nur über wenige Informationen und erleben als einziges Anzeichen für die Kriegshandlungen einen Zeppelin, der in großer Entfernung am Himmel schwebt. Die wenigen Intellektuellen um den Dorflehrer diskutieren zwar heftig über Taktik und Chancen, haben aber auch keine echten Kenntnisse. Entsprechend freudig werden die Einzugsbefehle für die jungen Männer begrüßt, weshalb der junge Antonio (Albino Cocco) enttäuscht reagiert, als er erfährt, dass er noch zu jung ist für den Wehrdienst. Doch ein Jahr später, nachdem er Carmela (Maria-Pia Casilio) geheiratet hatte, die inzwischen ein Kind von ihm erwartet, darf er doch in den Krieg ziehen.
Germi vermittelt das Bild eines allgemeinen Unwissens, das eine extreme Diskrepanz zwischen Realität und der Vorstellung der Bürger zeichnet. Parallel zu den Ereignissen im Dorf, dessen bewohner die Geburt des Sohnes feiert, zeigt der Film die Kämpfe in den Schützengräben. Während die Menschen das Ende des Kriegs bejubeln und Carmela ihrem Kind zuruft, dass Papa bald zurück ist, liegt dieser längst tot auf dem Feld. Auffällig an Germis Inszenierung bleibt dessen Leichtigkeit, da er auf melodramatische Momente verzichtete. Die letztliche Konsequenz für Carmela wird im Film nicht gezeigt, sondern entsteht allein vor dem Auge des Betrachters, der die kollektive Täuschung erkennt. Ähnlich wie Rossellinis Episode aus dem 2.Weltkrieg, bleibt die gelungene Mischung aus vordergründiger Lebensfreude und hintergründiger Tragik in Erinnerung.
3. "Dopoguerra" (Mario Chiari)
Der Erz-Komödiant Alberto Sordi ließ bei seiner Darstellung eines Mussolini-Anhängers, der sich im schwarzen Hemd beim "Marsch auf Rom" beteiligt, kaum eine Idiotie aus, weshalb dieser Kurzfilm weniger hintergründig als albern wirkt. Wie an den theaterartigen Kulissen zu erkennen ist, wollte Autor Ettore Scola diese Situation überzeichnen und schuf eine künstliche Atmosphäre, die den gesamten Film prägt. Erst beendet Alberto seine Beziehung zu Susanna, weil die Liebe im Vergleich zu den Absichten eines Mussolini angeblich Quatsch wäre, bevor er sie nach dem Marsch der Mussolini-Anhänger auf Rom im dortigen Nachtleben wiedertrifft - inzwischen zum erotischen Vamp mutiert. Sofort entbrennt er wieder in Liebe zu ihr, bis beide geläutert in ihr Dorf zurückkehren.
Scola und Chiari zeichnen hier ein Bild des Mussolini-Anhängers, das zwischen Feigheit, Dummheit und Kleinbürgerlichkeit changiert. Nur weil sich den Truppen eine schwarze Katze in den Weg stellt, wird das Hauptquartier alarmiert, und mit den ideologischen Ideen ist schnell Schluss, sobald sich erotische Versuchungen ergeben. Aus der heutigen Sicht fehlt die entlarvende Komponente, die auch die Gefahr verdeutlicht, die von diesen Horden ausgegangen ist, aber nur wenige Jahre nach Ende des Krieges, war es den Machern wahrscheinlich ein Bedürfnis, einfach nur die Lächerlichkeit hinter deren Verhalten zu entlarven.
4. "Napoli 1943" (Roberto Rossellini)
Rossellini schildert nur einen kurzen Moment des Tagesablaufs während des Krieges in Neapel. Die Sirenen warnen vor einem neuerlichen Bombenangriff und die Menschen strömen von überall her in den Bunker. Dabei lassen sie sich ihre Laune nicht verderben, sondern integrieren dieses Ereignis einfach in ihren Alltag. Die Einen haben noch ihre Kostüme an von der gerade stattfindenden Aufführung im Opernhaus, die Anderen machen Geschäfte, trinken Kaffee oder unterhalten sich einfach. Als es Entwarnung gibt kehren sie an ihren sonstigen Platz zurück, genauso selbstverständlich wie sie beim nächsten Alarm wieder in den Bunker gehen werden.
Die alltägliche Konstellation erinnert an Rossellinis frühe neorealistische Werke, aber er bricht den Alltag mit einer scheinbar übertriebenen Liebesgeschichte. Dem jungen rekonvaleszenten Soldaten Renato (Franco Pastorini) war bei den regelmäßigen Besuchen im Bunker die hübsche Schauspielerin Carla (Antonella Lualdi) aufgefallen und er nutzt die Gelegenheit, sie anzusprechen. In der kurzen Zeit im Bunker erklärt er ihr seine Liebe, die sie nach ebenso kurzem Zögern erwidert, worauf sie sich nach der Aufhebung des Alarms ewige Liebe schwören. So real der Hintergrund ist, so irreal erscheint diese Entwicklung, aber Rossellini wollte damit die Sehnsucht danach vermitteln, sich von diesen Verhältnissen nicht beherrschen zu lassen. Eine Chance gab er ihnen trotzdem nicht, sondern konfrontierte sie mit der Härte des Krieges.
5. "Girandola 1910" (Antonio Pietrangeli)
Diese erste von Pietrangeli gemeinsam mit Ettore Scola entwickelte Story, die den Grundstein für eine mehr als 10jährige intensive Zusammenarbeit legte, erzählt die Erlebnisse des Arztes Michelangelo (Carlo Campanini), der mit Gefälligkeitsdiagnosen Karriere macht. Nachdem er einmal einem Bordellbesucher empfohlen hatte, aus gesundheitlichen Gründen kürzer zu treten, kommt diesem der Gedanke, damit sowohl die Ehefrau als auch die Geliebte leicht wieder los zu werden. Erst teilt der Herr Doktor der unliebsam gewordenen Begleiterin mit, dass es um die Gesundheit ihres Geliebten nicht gut steht, weshalb ab sofort jede ausschweifende Tätigkeiten Abstand unterlassen werden muss, worauf sich der so befreite Lebemann anderweitig umsehen kann.
Auch wenn Pietrangeli und Scola damit ein spöttisches Bild einer gehobenen Bürgerschicht vor dem 1.Weltkrieg entwarfen, blieb ihr Film nicht mehr als eine gelungene, komödiantische Fingerübung - schnell, unterhaltend, aber inhaltlich belanglos.
Der Gesamteindruck des Episodenfilms ist zwiespältig. Gemeinsam verfügen alle Folgen über einen komödiantischen Touch, der nur in den zwei Episoden, die während der Weltkriege spielen, tragisch gebrochen wurde. Die melodramatische Komponente der ersten Episode blieb im Ungefähren, während der Abschluss einen burlesken Charakter annahm. Ein echter Spannungsbogen ist deshalb nicht zu erkennen, ebenso wie eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem übergeordneten Thema fehlt - der Liebe in der ersten Jahrhunderthälfte.
"Amori di mezzo secolo" Italien 1954, Regie: Glauco Pellegrini, Pietro Germi, Mario Chiari, Roberto Rossellini, Antonio Pietrangeli, Drehbuch: Roberto Rossellini, Antonio Pietrangeli, Ettore Scola, Carlo Infascelli, Darsteller : Franco Interlenghi, Antonella Lualdi, Maria-Pia Casillio, Alberto Sordi, Silvana Pampanini, Laufzeit : 72 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Pietro Germi:
"In nome della legge" (1949)
"Divorzio all'Italiana" (1961)
"Sedotta e abandonata" (1964)
weitere im Blog besprochene Filme von Roberto Rossellini:
"Sedotta e abandonata" (1964)
weitere im Blog besprochene Filme von Roberto Rossellini:
"Stromboli" (1950)
"Viaggio a Italia" (1954)
weitere im Blog besprochene Filme von Antonio Pietrangeli:
"Viaggio a Italia" (1954)
weitere im Blog besprochene Filme von Antonio Pietrangeli:
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