Das Gebäude, das sie dafür am Rande Roms erwerben, erweist sich als ziemliche Bruchbude, weshalb es zu ersten Streitigkeiten kommt - zumal die jungen Frauen es nicht gewohnt sind, körperlich anzupacken. Als ihnen zudem noch die Lizenz verweigert wird, weil die Polizei ihre Vergangenheit kennt, droht ihr Plan zu scheitern...
Italien 1958 - das Betreiben von Bordellen, dass erst kurz nach dem zweiten Weltkrieg legalisiert wurde, wird von der italienischen Regierung wieder verboten. Kleine männliche Prozessionen streifen durch die Straßen, trauern und legen Kränze vor die Türen der Etablissements, aber auch für die Frauen heißt es Abschied zu nehmen. Adua (Simone Signoret), die viele Jahre als Prostituierte arbeitete, will mit ihren drei jüngeren Kolleginnen Marilina (Emanuelle Riva), Lolita (Sandra Milo) und Catarina, genannt Milly (Gina Rovere) ein Restaurant aufmachen, denn die einzige Alternative hieße sonst auf den Straßenstrich zu gehen, die bis heute legale Form des Anschaffens in Italien.
Zu verdanken ist das besonders der Charakterisierung der vier Protagonistinnen, deren Status als Prostituierte nicht relativiert wurde - eine typische Sichtweise Pietrangelis, der sich den verlogenen Moralvorstellungen widersetzte. Den vier sehr unterschiedlichen Frauen ist ihre Rolle als Prostituierte und ihr damit verbundenes niedriges Ansehen ebenso gegenwärtig, wie sie auch Selbstbewusstsein daraus ziehen. Gewohnt, ihr Geld mit Sex zu verdienen, fällt es ihnen zunächst schwer, wieder körperlich zu arbeiten. Während die unscheinbare Milly ihre neue Rolle annimmt, sind vor allem die attraktiven Lolita und Marilina gewohnt, sich mehr um ihr Aussehen zu kümmern, als um die anstehenden Arbeiten im gemeinsamen Restaurant. Aus dieser Konstellation entwickelt der Film seinen unterhaltenden Charakter, ohne plakativ zu werden. Lolita wirkt zwar leicht naiv, ist aber keineswegs dumm, und Marilinas nervöse Zickigkeit nimmt ab, als sie ihren kleinen Sohn auf Grund ihren neuen Stellung wieder zu sich nehmen kann.
Als Älteste und Erfahrenste scheint Adua als natürliche Anführerin des weiblichen Quartetts gesetzt zu sein, weshalb sie nicht nur den Namen für ihr Restaurant hergibt, sondern dieses auch offiziell leitet. Simone Signoret gelang eine großartige Charakterstudie, denn obwohl Adua sich optisch und sprachlich überzeugend in die bürgerliche Gesellschaft einzugliedern vermag, zeigen sich hinter ihrer beherrschten Fassade Unzulänglichkeiten im Umgang mit dem Alltag. Zunehmend erweist sie sich als das schwächste Glied der Gemeinschaft - besonders Marilina lässt es sie deutlich spüren - denn auf dem freien Markt ist sie ein Auslaufmodell, weshalb ihre weitere Zukunft vom Gelingen ihres gemeinsamen Unternehmens abhängt.
Trotz vieler dank der Unerfahrenheit der Protagonistinnen entstehender komischer Momente, ließ "Adua e le compagne" keinen Zweifel an der Chancenlosigkeit der Frauen, angesichts der vorherrschenden Doppelmoral. Die Zulassung für ihr Restaurant wird ihnen auf Grund ihrer Vergangenheit verweigert, weshalb Adua gezwungen ist, auf die finanziellen Bedingungen des Geschäftsmanns Ercoli (Claudio Gora) einzugehen, damit dieser nach außen als offizieller Besitzer auftritt. Obwohl ihr ihre Lage bewusst sein muss, verharmlost sie Adua gegenüber ihren Gefährtinnen - in diesem Moment wirken sie wie Kinder, die lachend auf den Abgrund zugehen.
Aduas ambivalenten Charakter unterstützt der Film zusätzlich durch Marcello Mastroiannis Rolle als Piero Salvagni. Anders als die meisten Männer, die nicht zuletzt wegen der attraktiven Bedienung das Restaurant besuchen, ist er ernsthaft von der älteren Frau begeistert. Adua entwickelt nach langer Zeit erstmals wieder Gefühle für einen Mann, aber Piero erweist sich als labil und wenig zuverlässig - ein weiteres signifikantes Stilelement Pietrangelis, der Männern zwar positive Eigenschaften zugesteht, sie aber unfähig darin zeigt, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen.
Seine Sympathien gelten den vier Frauen, denen es trotz ihrer unorthodoxen Arbeitsweise gelingt, dass Lokal zum Erfolg zu führen. Mit ihrem Scheitern an den wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten und moralischen Zwängen der bürgerlichen Gesellschaft spitzten Pietrangeli, Maccari und Scola ihre Beobachtung der sich nach dem Krieg verändernden Sozialisation bewusst zu - gegen die gesellschaftlich akzeptierten Machenschaften wirken die vier Prostituierten wie ein Muster an Tugend. Doch trotz der tragischen Konsequenz für Adua und ohne das Verhalten der Frauen zu idealisieren, bleibt deren Lebensfreude und ihr Wille, sich nicht unterkriegen zu lassen, in Erinnerung.
"Adua e le compagne" Italien 1960, Regie: Antonio Pietrangeli, Drehbuch: Antonio Pietrangeli, Ettore Scola, Ruggero Maccari, Darsteller : Simone Signoret, Emanuelle Riva, Sandra Milo, Gina Rovere, Marcello Mastroianni, Laufzeit : 120 Minuten
"Porträt Antonio Pietrangeli"
- weitere im Blog besprochene Filme von Antonio Pietrangeli :
"Amori di mezzo secolo" (1954)
"La visita" (1963)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen