CanCan in Paris |
Inhalt: Die Passagiere werden aufgefordert sich
anzuschnallen, denn das Flugzeug startet zu einer Weltreise zu den Metropolen
des Nachtlebens mit ihren Night-Clubs und Varietè-Künstlern. Überall auf der
Welt suchen die Menschen abends und nachts nach Ablenkung und die Kamera ist
immer mit dabei.
Ob auf der Zuschauertribüne am Place Pigalle, im schummrigen
Kellerraum auf der Reeperbahn oder vor der monumentalen Tanzfläche in Tokio –
die Kamera sitzt immer in der ersten Reihe und fängt nicht zuletzt die Erotik
der Darbietungen ein…
Spanischer Gesang... |
Der im März 1962 in die italienischen Kinos gekommene
"Mondo Cane" zog dank seines großen Erfolgs eine Vielzahl an Filmen
nach sich, die für sich beanspruchten, menschliche Verhaltensmuster weltweit zu
dokumentieren. Zwar handelte es sich bei "Mondo Cane" nicht um den
ersten "Mondo"-Film - schon 1959 erschien "Il mondo di
notte" (Die Welt bei Nacht) - aber dessen Gegenüberstellung westlicher
Kultur mit den als exotisch empfundenen asiatischen und afrikanischen
Lebensweisen traf den Nerv einer Zeit, in der die Menschen nach der
Wiederaufbauzeit der 50er Jahre langsam begannen, über den Tellerrand der
eigenen Grenzen hinauszusehen. Begleitet wurde diese Neugier von Vorurteilen
und Ressentiments - ganz bewusst setzten die Macher auf schockierende oder
ekelerregende Details - auch wenn in "Mondo cane" noch versucht
wurde, ein Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Kulturen herzustellen.
...und japanische Massenszenen |
Setzte der berühmte Initiator der "Mondo"-Welle
noch auf ein breit gefächertes Spektrum, konzentrierten sich viele der
Nachfolger nur noch auf ein tabuisiertes Thema - Sex. Unter dem Deckmantel
einer weltumfassenden Dokumentation ließen sich nackte Haut und eindeutige
sexuelle Handlungen leichter an den Tugendwächtern vorbei auf die Leinwand
bringen und konnten sich des Interesses eines vorwiegend männlich geprägten
Publikums sicher sein. Das galt auch für "La donna di notte"
(Käufliche Nächte) und dessen unmittelbaren Vorläufer "Mondo sexy di
notte" (1962), die Regisseur Mino Loy beide aus Aufnahmen zusammenstellte,
die das Nachtleben an unterschiedlichen Orten der Welt dokumentieren sollten.
Leicht geschürzte Zauberin auf der Reeperbahn |
Es ist nicht zu spekulativ, zu behaupten, dass „La donna di
notte“ ohne den großen Erfolg von „Mondo cane“ nie auf die Kinoleinwand
gekommen wäre, denn die häufig willkürliche Zusammenstellung der Kurzfilme lässt
den Eindruck eines Schnellschusses zu. Das Loy zur Verfügung stehende Material
war vor „Mondo cane“ gedreht worden und gehörte offensichtlich zu einem Fundus,
aus dem sich zuvor schon ähnlich konzipierte Filme wie "Mondo caldo di
notte" (Sex im Neonlicht, 1961) bedient hatten. Größtenteils handelt es
sich um Mitschnitte von Varieté-, Musik-, Nachtclub- und Tanzaufführungen, bei
denen knapp geschürzte Damen auftraten. Das schon etwas zurückliegende
Herstellungsdatum der meisten Filme wird an den wenigen Striptease-Nummern
deutlich, die zurückhaltender blieben als in vergleichbaren Filmen dieser Zeit.
Damenbegleitung in Hongkong |
Interessanter sind die dokumentarischen Aufnahmen
landesspezifischer Feier-Gewohnheiten, auch wenn sie mit dem Thema „Die Frau
der Nacht“ wenig zu tun haben. Ob der Rohrpost-Kontaktpalast in Berlin/West
oder die Silvesterfeier in Hongkong – sie geben heute noch aussagekräftige Einblicke
in damalige Verhaltensweisen. Warum aber auch folkloristische Aufnahmen
afrikanischer Stammesrituale oder zwei kämpfende Thai-Boxer integriert wurden –
jeweils bei strahlendem Sonnenschein aufgenommen – bleibt das Geheimnis des
Regisseurs. Vielleicht sollten damit auch die Exotik-Bedürfnisse des Publikums
befriedigt werden, die die sonst fast ausschließlich aus den USA, England, Frankreich,
Deutschland und Japan stammenden Aufnahmen bürgerlicher Nachtleben-Gewohnheiten
nicht erfüllen konnten. Denn trotz der erzählerischen Klammer mit einer
Flugreise um die Welt, erweist sich der „Mondo“-Anspruch bei genauerer
Betrachtung als Etikettenschwindel.
Us-amerikanische Folklore |
Für Regisseur Mino Loy, der sich Anfang 1962 noch Mussolini
("Benito Mussolini: anatomia di un dittatore") gewidmet hatte, wurden
seine zwei schnellen "Mondo cane" – Epigonen zum Startschuss für
zahlreiche Nachfolger. Allein 1963 kamen mit „Supersexy ‘64“ (Lockende Nächte),
„Sexy magico“, ,Notti e donne proibite“ und „90 notti in giro per il mondo“
vier weitere Dokumentarfilme zur einschlägigen Sex-Thematik unter seiner Ägide
in die Kinos, die heute alle nahezu unbekannt sind, den damaligen Hype aber
widerspiegeln, den die „Mondo“-Filme im Kino auslösten. Dank ihrer Tabubrüche
bereiteten sie den Weg weiter in Richtung Erotik- und Horror-Film, dessen
genetische Linie sich auch in der Person Mino Loy manifestiert. Nachdem er 1971
seinen letzten Film - nicht zufällig ein „Mondo“ - als Regisseur verantwortet
hatte („Questo sporco mondo meraviglioso“ (Mondo Perverso - Diese wundervolle
und kaputte Welt, 1971)), konzentrierte er sich ausschließlich auf die
Produktion von Filmen, darunter neben weiteren Umberto Lenzi-Werken auch dessen
Kannibalismus-Beiträge „Mangiati vivi“ (Lebendig gefressen, 1981) und „Cannibal
Ferox“ (Die Rache der Kannibalen, 1981).
Die deutschsprachige Version
Mehr als das italienische Original, dessen altmodische Attitüde
Anfang der 60er Jahre kaum noch provozieren konnte, erlaubt die
deutschsprachige Version einen Einblick in die damalige Geisteshaltung, mit der
die „Mondo“-Filme vom Publikum aufgenommen wurden. Leider lag mir die
italienische Tonspur zum Vergleich nicht vor, aber im frühen „Mondo“-Film waren
wenige zurückhaltende Kommentare aus dem Off üblich. Der deutsche Verleih
wählte den gegenteiligen Weg, um die Angelegenheit mehr in Richtung „Sündenpfuhl“
aufzupeppen. Der gänzlich unpassende Titel „Käufliche Nächte“ sollte eine Nähe
zur Bordell-Szene assoziieren, die im Film nicht vorkommt. An Bord der fiktiven
Weltreise befanden sich fünf Kabarettisten, darunter Klaus Havenstein von der „Münchner
Lach- und Schießgesellschaft“, die im prägnanten landestypischen Berliner,
Wiener, bayerischen und sächsischen Idiom einen Kalauer nach dem anderen raushauten,
mit dem sie das Geschehen begleiteten.
Der Straßenstrich fand nur auf der Bühne statt |
Dass sie damit den Szene an Szene aneinanderreihenden,
betulich geschnittenen Film unterhaltsamer servieren wollten, ist verständlich,
aber die ständigen sexuellen Anspielungen angesichts der größtenteils weiblichen
Show-Künstler, mit denen die Herren – nur wenig gestört durch die einzige
weibliche wienerische Stimme – ihre jeweiligen Vorlieben oder Fantasien zum
Besten gaben, lassen die tatsächliche Intention hinter dem dokumentarischen
Gestus erkennen. Doch damit nicht genug – deutschtümelnde Weisheiten durften
natürlich auch nicht fehlen. Nach der kurzen Begeisterung für eine hübsche
Asiatin, sehnte sich der Berliner sofort nach der hausgemachten Curry-Wurst
zurück, um sich wieder ganz heimisch fühlen zu können.
Deutsche Folklore |
Wie ernst diese im Stil einer Alt-Herren-Clique (mit
einzelner Dame) vorgetragenen Kommentare gemeint waren, lässt sich leider nicht
mehr feststellen. Havenstein und seine Kollegen pflegten zu dieser Zeit ein
kritisches politisches Kabarett, das dem Bürger ironisch aufs Maul schaute. Gut
vorstellbar, dass sie ihre Sprüche als satirische Anspielungen auf eine allgemeine
Haltung verstanden, der die „Mondo“-Filme ihre Popularität verdankten. Erkennbar
wird dieser Wille nicht mehr, da die Texte keineswegs übertrieben oder
zugespitzt wirken, sondern eine Realität widerspiegelten, an der sich bis heute
wenig geändert hat.
"La donna di notte" Italien 1962, Regie: Mino Loy (zusammengestellt), Drehbuch: Mino Loy, Darsteller : Klaus Havenstein und andere (deutsche Sprecher aus dem Off), Laufzeit : 93 Minuten
Lief als "Trüber Überraschungsfilm" am dritten Tag des 14. Hofbauer-Kongress' vom 02. bis 06.01.2015 in Nürnberg.
Lief als "Trüber Überraschungsfilm" am dritten Tag des 14. Hofbauer-Kongress' vom 02. bis 06.01.2015 in Nürnberg.