Samstag, 24. Januar 2015

La donna di notte (Käufliche Nächte) 1962 Mino Loy

CanCan in Paris
Inhalt: Die Passagiere werden aufgefordert sich anzuschnallen, denn das Flugzeug startet zu einer Weltreise zu den Metropolen des Nachtlebens mit ihren Night-Clubs und Varietè-Künstlern. Überall auf der Welt suchen die Menschen abends und nachts nach Ablenkung und die Kamera ist immer mit dabei.

Ob auf der Zuschauertribüne am Place Pigalle, im schummrigen Kellerraum auf der Reeperbahn oder vor der monumentalen Tanzfläche in Tokio – die Kamera sitzt immer in der ersten Reihe und fängt nicht zuletzt die Erotik der Darbietungen ein…


Spanischer Gesang...
Der im März 1962 in die italienischen Kinos gekommene "Mondo Cane" zog dank seines großen Erfolgs eine Vielzahl an Filmen nach sich, die für sich beanspruchten, menschliche Verhaltensmuster weltweit zu dokumentieren. Zwar handelte es sich bei "Mondo Cane" nicht um den ersten "Mondo"-Film - schon 1959 erschien "Il mondo di notte" (Die Welt bei Nacht) - aber dessen Gegenüberstellung westlicher Kultur mit den als exotisch empfundenen asiatischen und afrikanischen Lebensweisen traf den Nerv einer Zeit, in der die Menschen nach der Wiederaufbauzeit der 50er Jahre langsam begannen, über den Tellerrand der eigenen Grenzen hinauszusehen. Begleitet wurde diese Neugier von Vorurteilen und Ressentiments - ganz bewusst setzten die Macher auf schockierende oder ekelerregende Details - auch wenn in "Mondo cane" noch versucht wurde, ein Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Kulturen herzustellen.

...und japanische Massenszenen
Setzte der berühmte Initiator der "Mondo"-Welle noch auf ein breit gefächertes Spektrum, konzentrierten sich viele der Nachfolger nur noch auf ein tabuisiertes Thema - Sex. Unter dem Deckmantel einer weltumfassenden Dokumentation ließen sich nackte Haut und eindeutige sexuelle Handlungen leichter an den Tugendwächtern vorbei auf die Leinwand bringen und konnten sich des Interesses eines vorwiegend männlich geprägten Publikums sicher sein. Das galt auch für "La donna di notte" (Käufliche Nächte) und dessen unmittelbaren Vorläufer "Mondo sexy di notte" (1962), die Regisseur Mino Loy beide aus Aufnahmen zusammenstellte, die das Nachtleben an unterschiedlichen Orten der Welt dokumentieren sollten.

Leicht geschürzte Zauberin auf der Reeperbahn
Es ist nicht zu spekulativ, zu behaupten, dass „La donna di notte“ ohne den großen Erfolg von „Mondo cane“ nie auf die Kinoleinwand gekommen wäre, denn die häufig willkürliche Zusammenstellung der Kurzfilme lässt den Eindruck eines Schnellschusses zu. Das Loy zur Verfügung stehende Material war vor „Mondo cane“ gedreht worden und gehörte offensichtlich zu einem Fundus, aus dem sich zuvor schon ähnlich konzipierte Filme wie "Mondo caldo di notte" (Sex im Neonlicht, 1961) bedient hatten. Größtenteils handelt es sich um Mitschnitte von Varieté-, Musik-, Nachtclub- und Tanzaufführungen, bei denen knapp geschürzte Damen auftraten. Das schon etwas zurückliegende Herstellungsdatum der meisten Filme wird an den wenigen Striptease-Nummern deutlich, die zurückhaltender blieben als in vergleichbaren Filmen dieser Zeit.

Damenbegleitung in Hongkong
Interessanter sind die dokumentarischen Aufnahmen landesspezifischer Feier-Gewohnheiten, auch wenn sie mit dem Thema „Die Frau der Nacht“ wenig zu tun haben. Ob der Rohrpost-Kontaktpalast in Berlin/West oder die Silvesterfeier in Hongkong – sie geben heute noch aussagekräftige Einblicke in damalige Verhaltensweisen. Warum aber auch folkloristische Aufnahmen afrikanischer Stammesrituale oder zwei kämpfende Thai-Boxer integriert wurden – jeweils bei strahlendem Sonnenschein aufgenommen – bleibt das Geheimnis des Regisseurs. Vielleicht sollten damit auch die Exotik-Bedürfnisse des Publikums befriedigt werden, die die sonst fast ausschließlich aus den USA, England, Frankreich, Deutschland und Japan stammenden Aufnahmen bürgerlicher Nachtleben-Gewohnheiten nicht erfüllen konnten. Denn trotz der erzählerischen Klammer mit einer Flugreise um die Welt, erweist sich der „Mondo“-Anspruch bei genauerer Betrachtung als Etikettenschwindel.

Us-amerikanische Folklore
Für Regisseur Mino Loy, der sich Anfang 1962 noch Mussolini ("Benito Mussolini: anatomia di un dittatore") gewidmet hatte, wurden seine zwei schnellen "Mondo cane" – Epigonen zum Startschuss für zahlreiche Nachfolger. Allein 1963 kamen mit „Supersexy ‘64“ (Lockende Nächte), „Sexy magico“, ,Notti e donne proibite“ und „90 notti in giro per il mondo“ vier weitere Dokumentarfilme zur einschlägigen Sex-Thematik unter seiner Ägide in die Kinos, die heute alle nahezu unbekannt sind, den damaligen Hype aber widerspiegeln, den die „Mondo“-Filme im Kino auslösten. Dank ihrer Tabubrüche bereiteten sie den Weg weiter in Richtung Erotik- und Horror-Film, dessen genetische Linie sich auch in der Person Mino Loy manifestiert. Nachdem er 1971 seinen letzten Film - nicht zufällig ein „Mondo“ - als Regisseur verantwortet hatte („Questo sporco mondo meraviglioso“ (Mondo Perverso - Diese wundervolle und kaputte Welt, 1971)), konzentrierte er sich ausschließlich auf die Produktion von Filmen, darunter neben weiteren Umberto Lenzi-Werken auch dessen Kannibalismus-Beiträge „Mangiati vivi“ (Lebendig gefressen, 1981) und „Cannibal Ferox“ (Die Rache der Kannibalen, 1981).


Die deutschsprachige Version

Mehr als das italienische Original, dessen altmodische Attitüde Anfang der 60er Jahre kaum noch provozieren konnte, erlaubt die deutschsprachige Version einen Einblick in die damalige Geisteshaltung, mit der die „Mondo“-Filme vom Publikum aufgenommen wurden. Leider lag mir die italienische Tonspur zum Vergleich nicht vor, aber im frühen „Mondo“-Film waren wenige zurückhaltende Kommentare aus dem Off üblich. Der deutsche Verleih wählte den gegenteiligen Weg, um die Angelegenheit mehr in Richtung „Sündenpfuhl“ aufzupeppen. Der gänzlich unpassende Titel „Käufliche Nächte“ sollte eine Nähe zur Bordell-Szene assoziieren, die im Film nicht vorkommt. An Bord der fiktiven Weltreise befanden sich fünf Kabarettisten, darunter Klaus Havenstein von der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“, die im prägnanten landestypischen Berliner, Wiener, bayerischen und sächsischen Idiom einen Kalauer nach dem anderen raushauten, mit dem sie das Geschehen begleiteten.

Der Straßenstrich fand nur auf der Bühne statt
Dass sie damit den Szene an Szene aneinanderreihenden, betulich geschnittenen Film unterhaltsamer servieren wollten, ist verständlich, aber die ständigen sexuellen Anspielungen angesichts der größtenteils weiblichen Show-Künstler, mit denen die Herren – nur wenig gestört durch die einzige weibliche wienerische Stimme – ihre jeweiligen Vorlieben oder Fantasien zum Besten gaben, lassen die tatsächliche Intention hinter dem dokumentarischen Gestus erkennen. Doch damit nicht genug – deutschtümelnde Weisheiten durften natürlich auch nicht fehlen. Nach der kurzen Begeisterung für eine hübsche Asiatin, sehnte sich der Berliner sofort nach der hausgemachten Curry-Wurst zurück, um sich wieder ganz heimisch fühlen zu können.

Deutsche Folklore
Wie ernst diese im Stil einer Alt-Herren-Clique (mit einzelner Dame) vorgetragenen Kommentare gemeint waren, lässt sich leider nicht mehr feststellen. Havenstein und seine Kollegen pflegten zu dieser Zeit ein kritisches politisches Kabarett, das dem Bürger ironisch aufs Maul schaute. Gut vorstellbar, dass sie ihre Sprüche als satirische Anspielungen auf eine allgemeine Haltung verstanden, der die „Mondo“-Filme ihre Popularität verdankten. Erkennbar wird dieser Wille nicht mehr, da die Texte keineswegs übertrieben oder zugespitzt wirken, sondern eine Realität widerspiegelten, an der sich bis heute wenig geändert hat.

"La donna di notte" Italien 1962, Regie: Mino Loy (zusammengestellt), Drehbuch: Mino LoyDarsteller : Klaus Havenstein und andere (deutsche Sprecher aus dem Off), Laufzeit : 93 Minuten

Lief als "Trüber Überraschungsfilm" am dritten Tag des 14. Hofbauer-Kongress' vom 02. bis 06.01.2015 in Nürnberg.

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