Sonntag, 19. Juli 2009

Superstizione [Kurzfilm] (1949) Michelangelo Antonioni

Inhalt : Eine schwarze Katze streift durch das Bild und ein junges Mädchen, dass sich die Lippen schminkt, verliert ihren Spiegel, der daraufhin in tausend Stücke zerspringt. Antonioni reiht abergläubische Rituale der italienischen Landbevölkerung aneinander, die vor keiner wichtigen Lebensentscheidung halt machen...

Antonionis 1949 entstandener Kurzfilm "Superstizione" nimmt in seinem Gesamtwerk einen Sonderstatus ein, da sich seine Intention sehr direkt und ohne Verklausulierungen erschliesst. Betont ästhetische Wirkungen, wie sie in seinen Filmen von Beginn an eine Rolle spielten, verwendet er hier nicht, wie er auch auf epische Bilder oder übergeordnete Standorte verzichtet.

Stattdessen reiht er Aberglauben an Aberglauben und zeigt die dazugehörigen Mythen. Mit der schwarzen Katze und dem zersprungenen Spiegel zu Beginn, eröffnet er das Thema, um dann die Landbevölkerung bei ihrem Treiben zu beobachten. Dabei spart er nicht mit drastischen Bildern, wenn etwa eine Frau eine Schlange fängt, dieser mit einem Stein den Kopf einschlägt und den noch zuckenden Körper in ein Feuer schmeißt. Oder ein männliches Kleinkind in ein Glas pinkelt, welches der Großmutter sofort gebracht wird, um es zur Erhaltung der Gesundheit zu trinken.

Wie in "Sette Canne, un Vestito" verzichtet er auf natürliche Geräusche und überlegt die einzelnen Szenen mit wechselnder Musik, die seine Haltung noch unterstützt. Gern verwendet Giovanni Fusco, der hier schon für die Filmmusik verantwortlich ist, mit Gläsern erzeugte Musik, die den gespenstisch, unwirklichen Charakter betonen oder er lässt Orgelmusik erklingen, wenn ein Mann ritualisiert gesegnet wird. Die Ironie dieser Szenen erschliesst sich unmittelbar, aber Antonionis Blick wirkt dabei eher böse als verständnissvoll.

Zwar verdeutlichen - ähnlich wie in "Gente del Po" - seine Bilder die Armut unter der Landbevölkerung, aber ganz offensichtlich hält Antonioni deren Aberglauben für einen der Gründe, warum notwendige Veränderungen so schwer umzusetzen sind. Sämtliche Lebensabschnitte von der Geburt, über die Partnersuche bis zum Tod, werden - wie Antonioni beispielhaft darstellt - durch den Aberglauben geprägt, was aus heutiger Sicht einen skurril, belustigenden Eindruck hinterlässt. Betrachtet man die gesellschaftliche Situation in der Nachkriegszeit in Italien, wird vorstellbar, dass die hier gezeigte unfreiwillige Komik wenig Vergnügen bei denen hinterließ, die sich um bessere Bedingungen für die Landbevölkerung bemühten.

So nah Antonioni mit seinen Bildern an der Realität ist, so gut lässt sich der Unterschied zu den "Neorealisten" daran erkennen - durch die dichte Aneinanderreihung unterschiedlichster Rituale, überhöht er hier die Realität, was "Superstizione" den Charakter einer bösartigen Satire gibt. Obwohl religiöse Rituale völlig fehlen, ist doch der Aberglauben ohne den kirchlichen Einfluss nicht vorstellbar - nicht ohne Grund gilt sein letzter Blick dem dörflichen Kirchturm.

"Superstizione" Italien 1949, Regie: Michelangelo Antonioni, Drehbuch: Michelangelo Antonioni, Laufzeit : 9 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Michelangelo Antonioni:

"I vinti" (1952)
"L'avventura" (1960)
"La notte" (1961)

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