Donnerstag, 2. März 2017

Zenabel (Die Jungfrau mit der scharfen Klinge) 1969 Ruggero Deodato


Zenabel (Lucretia Love) zieht in die Schlacht um ihr Erbe...
Inhalt: Nachdem Zenabel (Lucretia Love) und ihre Freundinnen die Kerle, die ihnen beim Baden zugesehen hatten, überwältigt und dingfest gemacht haben, transportieren sie sie zur Belustigung aller ins nahegelegene Dorf. Doch ihr Spaß wird jäh unterbrochen, als Zenabel erfährt, dass ihr Vater im Sterben liegt, in dessen Zimmer sich inzwischen das halbe Dorf versammelt hat, um Abschied zu nehmen. Mit letzter Kraft erzählt er ihr, dass sie in Wirklichkeit eine Adlige ist, die er als Baby gerettet und in seine Obhut aufgenommen hatte. Ihre Eltern wurden von Don Alonso (John Ireland) ermordet und ihres Besitzes beraubt. Als Zeichen ihrer Abstammung übergibt er ihr eine Kette mit einem Anhänger. 

Pancrazio (Lionel Stander) und Cecco (Fiorenzo Fiorentini) wollen mitmachen
Nach seinem Tod verlässt Zenabel ihren Heimatort und schwört, nicht nur ihren rechtmäßigen Besitz zurück zu erobern, sondern die Männer das Fürchten zu lehren. Alle Frauen sollen sich ihr anschließen – ein Aufruf, dem zwei folgen. Doch ihre Gruppe vergrößert sich ständig. Erst retten sie eine junge Frau aus den Fängen dreier Vergewaltiger, dann geraten zwei Subjekte in ihre Falle: Pancrazio (Lionel Stander) und Cecco (Fiorenzo Fiorentini), die sich ihnen anschließen wollen. Als Männer sind sie nicht willkommen, aber Pancrazio, der seine Augen nicht von den Schönheiten lassen kann, schwört sich unterzuordnen, und Cecco findet sowieso, dass sie alle Frauen sind. Gemeinsam setzen sie ihren Weg fort bis sie zufällig Zeuge eines Überfalls einer Räuberbande unter der Führung von Gennaro (Mauro Parenti) werden… 


Der kurze Auftritt der Degenfechterinnen Isabella und Zenabel 

"Isabella duchessa dei diavoli" und "Zenabel" erschienen 1969 innerhalb weniger Monate auf der Kinoleinwand - in einer Phase, als der gesellschaftliche Wandel und die sexuelle Liberalisierung richtig Fahrt aufnahmen. Eine kämpfende Heldin in den Mittelpunkt eines Unterhaltungs-Films zu stellen, war zu diesem Zeitpunkt noch gewagt, gewann aber keine Reputation als emanzipatorisches Werk. Nicht nur, dass die Titelfigur häufig nackt ins Bild gerückt wurde, auch die Comicvorlage, auf deren Basis das Drehbuch entstand, besaß einen anrüchigen Charakter.

 Während sich "Isabella duchessa dei diavoli" als vorlagegetreue Verflimung verstand - schließlich gehörte Isabella-Erfinder Giorgio Cavedon zum Autoren-Team - interpretierte "Zenabel" den Comic sehr frei, persiflierte diverse Klischees und ironisierte dessen Voyeurismus. Hinsichtlich seiner Freizügigkeit blieb "Zenabel" zurückhaltend, sieht man von der bewusst in Zeitlupe gehaltenen Anfangssequenz ab, aber in seiner Orginalversion ist der Film kaum bekannt. Für die internationale Vermarktung wurden Szenen hinzugefügt, die den Charakter der Story entscheidend veränderten. Deutlich wird daran, dass das Urteil über beide Filme schon feststand und notfalls noch an die Erwartungshaltung angepasst wurde.






Zenabel lässt sich nicht aus der Ruhe bringen...
Das Fazit vorweg: "Zenabel" ist ein witziger, erotischer und geistreicher Film, der die Ende der 60er Jahre aufkommenden Freiheiten nutzte, sie gleichzeitig aber auch nicht allzu ernst nahm. In einem Punkt blieb sich "Zenabel" aber treu - dem Motto des Original-Filmtitels "Zenabel davanti a lei tremavano tutti gli uomini" (Zenabel, vor der alle Männer erzitterten). Eine Paraderolle für Lucretia Love, eine Darstellerin, die zwischen 1965 und 1980 in vielen erotischen Filmen zu sehen war - meist in Nebenrollen. In "Zenabel" konnte sie sich einmal richtig austoben, zudem noch an der Seite ihres Ehemanns Mauro Parenti in der Rolle des männlichen Co-Helden und Möchtegern-Liebhabers Gennaro, der hier aber genauso wenig zum Zug kam wie alle anderen Männer. Leider werden dem Film die hier genannten Qualitäten nur selten nachgesagt, da sie drei Voraussetzungen bedürfen: Einbeziehung des zeitlichen Kontextes, Kenntnis des thematischen Vorbilds - dem „Comic für Erwachsene“ (Fumetto per adulti) "Isabella" - und nicht zuletzt die originale Filmfassung mit einer Länge von 84 Minuten.

...auch nicht vom gefürchteten Don Alonso (John Ireland)
Die Phase des gesellschaftlichen Wandels Ende der 60er Jahre dürfte generell bekannt sein, für einen Einblick in die literarische Vorlage genügt die Ansicht der Comic-Verfilmung "Isabella duchessa dei diavoli", der nur wenige Monate zuvor in die italienischen Kinos kam. An dessen Drehbuch hatte auch „Isabella“-Autor Giorgio Cavedon mitgewirkt, der für eine originalgetreue Interpretation sorgte. Regisseur Ruggero Deodato und seine zwei Co-Autoren Gino Capone und Antonio Racioppi orientierten sich dagegen nur lose am Handlungsrahmen, sondern kontrastierten dessen widersprüchliche, den damaligen Zeitgeist widerspiegelnde Kreation einer Protagonistin zwischen Heldin und Lustobjekt, zwischen selbstbewusstem Auftreten und masochistischer Opferhaltung.

Eingangssequenz zu Bruno Nicolais Score: Stillleben mit Kuh...
Auch „Zenabel“ verfügt über Nacktaufnahmen, aber diese beschränken sich größtenteils auf die Eingangssequenz, in der sich junge Frauen zur großartigen Musik von Bruno Nicolai (eingespielt von Ennio Morricone) in Zeitlupe an einem Wasserfall entkleiden und sich mit Blüten bewerfen, während mitten im Bild unerschütterlich eine Kuh verweilt. Nicht nur die Spanner, die diese Szenerie beobachten, beziehen danach Prügel, Ruggero Deodato belustigte sich generell über den männlichen Voyeurismus. Darüber hinaus existieren in „Zenabel“ nur noch wenige freizügige Aufnahmen. Dafür zuständig ist Lucretia Love, die im Gegensatz zur ihrem Vorbild Isabella aber nie in eine Opferrolle gerät. In der obligatorischen Folterszene, in der sie der Tyrann Don Alonso (John Ireland) persönlich quälen will – ein prototypisches Handlungselement der Comicvorlage – kastriert dieser sich versehentlich selbst und spricht danach nur noch mit piepsiger Eunuchen-Stimme. Diese aus heutiger Sicht albern wirkende Umsetzung wählte den überspitzten Kontrast zur Ernsthaftigkeit des Originals und dessen Bedienung männlicher Fantasien.

...und poppigen Credits (nur im Original)
Auch die sonstige Anlage persiflierte das Vorbild. Beispielhaft steht dafür die Szene am Sterbebett des Vaters, der Zenabel kurz vor seinem Tod mitteilt, dass sie in Wirklichkeit nicht seine Tochter ist, sondern eine Adelige, deren Eltern von dem schändlichen Don Alonso ermordet und ihrer Besitztümer beraubt wurden. Die Worte des wenig malad wirkenden Todkranken werden mit einer mit Comicblasen angereicherten, slapstickhaften Stummfilmszene untermalt, in der es nicht annähernd so heroisch zugeht, wie Zenabels Vater zu vermitteln versucht, der unmittelbar danach sein Leben aushaucht. So glaubt nicht nur der Betrachter, sondern auch das trauernde Volk, das sofort alles an sich reißt, was nicht niet- und nagelfest ist, worauf der vermeintlich Tote noch einmal zu sich kommt und die gierige Bagage rausschmeißt. Diesem Stil blieb der Film treu, der jedes dramatische Klischee – die versuchte Vergewaltigung einer jungen Frau, die Treibjagd auf Jungfrauen, die Hinrichtungsszene oder die abschließende Schlacht – mit ironischer Leichtigkeit ins Gegenteil kehrte.

Die anfänglich noch kleine Frauen-Gruppe...
Unterstützt wird Zenabel bei ihrem Feldzug gegen den Baron nicht nur von einer Gruppe unterschiedlicher Frauen, sondern von zwei Männern, deren Witzfiguren selbst tief in die Klischee-Kiste griffen: der alternde Lüstling und der tuntige Schwule. Die Rolle des Pancrazio, der jeder jungen Frau augenrollend hinterher sieht, gleichzeitig die Annäherung einer Dicken (Fiammetta Ballara) aber angewidert ablehnt, gilt als ein Tiefpunkt in Lionel Standers langer und erfolgreicher Karriere. Auch der von Fiorenzo Fiorentini mit sympathischem Elan gegebene Cecco, der lieber als Frau durchgehen möchte, erfüllte die Vorurteile an diesen Typus. Relativierend lässt sich aber feststellen, dass in „Zenabel“ kein männlicher Charakter ohne Blessuren davon kam. Das galt auch für den coolen Räuber-Hauptmann Gennaro (Mauro Parenti), der sich mit Zenabel zwar eine Art Dauer-Flirt liefert und kräftig mitkämpfen darf, letztlich aber nur ihren schönen Rücken zu sehen bekommt – aus Entfernung.

...gewinnt schnell an Format
So zumindest in der italienischen Originalfassung, die für die internationale Vermarktung aber offensichtlich zu zahm war. Die us-amerikanischen Co-Produzenten ließen für die gut 90minütige und damit sechs Minuten längere englischsprachige Fassung einige Szenen nachdrehen, die den Erotikanteil deutlich ausdehnten. Erneut standen Lucretia Love und ihre Mitstreiter vor der Kamera, aber die satteren Farben und weicheren Konturen der Bilder oder die längere Haarpracht ihres Partners Parenti zeugen davon, dass die Aufnahmen erst zu einem späteren Zeitpunkt entstanden waren. Darüber ließe sich hinwegsehen, hätten diese zusätzlichen Szenen nicht unmittelbar Auswirkung auf den Charakter und damit die Intention des Films. Schon die Ausdehnung des Überfalls auf die junge Frau, der Zenabel und ihre Freundinnen - anders als im Original - erst zu Hilfe kommen nachdem sie vollständig entkleidet wurde, verlieh dem spielerischen „Zenabel“ eine unpassende Härte.

Don Alonso bei der Auswahl der Jungfrauen für die Jagd
Das steigert sich ins Unangenehme als die Heldin erstmals den Räuber-Hauptmann Gennaro trifft. Dieser, leicht verärgert, dass sie keinen Respekt vor ihm zeigte, versucht ihrer habhaft zu werden, stellt ihr eine Falle und küsst sie. Belohnt mit einem Biss in seine Lippe, kehrt er unverrichteter Dinge zu seinen Männern zurück. Diese Konsequenz ihrer ersten Begegnung ist auch in der englischsprachigen Version zu sehen, nur dass es nicht bei dem Kussversuch blieb. Gennaro hatte Zenabel zuvor gefesselt und von hinten vergewaltigt. Diese grob hineingeschnittene Sequenz widersprach nicht nur dem sympathischen Charakter des lässig-charmanten Räubers, sondern stellte seinen folgenden frivol-frechen Umgang mit Zenabel in Frage. Etwas zurückhaltender blieb die deutsche Kinofassung, die den Sex zwischen den Protagonisten einvernehmlich schilderte - mit deutschen Darstellern nachgedreht - aber das änderte nichts an der Missachtung der Absichten Deodatos.

Rebell und Räuber Gennaro (Mauro Parenti) wirft ein Auge auf Zenabel...
Denn konkreter Sex findet in „Zenabel“ nicht statt, egal welche Methoden die Männer auch anwenden. Selbst die „Jungfrauenjagd“ wird boykottiert, in dem die KO-Tropfen im Getränk der Männer landen, die sich darauf nicht mehr auf den Beinen halten können. Einzig Don Alonso hatte nichts zu sich genommen, aber den erledigt Zenabel auch so. Als der Film 1972 in die deutschen Kinos kam, war dessen Anteil an Nacktaufnahmen gemessen am inzwischen gewohnten Standard gering, weshalb fast 15 Minuten der Handlungselemente gestrichen wurden (darunter auch eine knappe Minute der Zeitlupen-Sequenz zu Beginn), um an jeder möglich scheinenden Stelle zwei Nackedeis einzublenden. Deren Inszenierung und Auftreten wirkt so deplatziert, dass die Szenen leicht ignoriert werden können, ändert aber nichts an deren verfälschender Wirkung von Frauen, die den Männern jederzeit zur Verfügung stehen.

...kommt aber nicht näher an sie heran (Schlussbild des Originals)
Die Schnitte und hinzu gefügten Szenen hatten allein den Zweck, „Zenabel“ besser als Erotik-Film vermarkten zu können, aber die Ignoranz gegenüber Deodatos ironisch-spöttischem Blick auf die sich verändernden Geschlechterrollen sagt viel über eine Haltung aus, an der sich bis heute wenig geändert hat. Signifikant steht dafür eine Szene, die es nur in der englischsprachigen Fassung gibt, deren scheinbare Folgerichtigkeit aber auch heutige Erwartungen noch erfüllt. Zenabel und Gennaro endlich in Liebe vereint. Eine Parallele zu "Isabella duchessa dei diavoli", in der die Heldin ebenfalls am Ende dem Mann an ihrer Seite gehört. So viel männliche Bestätigung musste schon sein - in Deodatos Urfassung war sie nicht vorgesehen.

"Zenabel" Italien 1969Regie: Ruggero Deodato, Drehbuch: Ruggero Deodato, Gino Capone, Antonio Racioppi,  Darsteller : Lucretia Love, John Ireland, Mauro Parenti, Lionel Stander, Fiorenzo Fiorentini, Elisa Mainardi, Fiametta Baralla, Christine Haydar, Nello Pazzafini, Laufzeit : 84 Minuten, (englisch 90 Minuten), (deutsch 76 Minuten)

weitere im Blog besprochene Filme von Roggero Deodato: 

"Ultimo mondo cannibale" (1977) 

1 Kommentar:

  1. Sitting next Lionel Stander depicted is Luigi Leoni as Baldassare not Fiorenzo Fiorentini.
    The bathing girls : Adriana Alben on left, Dominique Badou on right.
    The girls with donkey are Elisa Mainardi and Fiammetta Baralla.

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