Inhalt: Das Buffet auf der Terrasse ist eröffnet und die
zahlreichen Anwesenden unterbrechen für einen Moment ihre Gespräche. Der
Drehbuchautor Enrico D'Orsi (Jean-Louis Trintignant), Produzent Amedeo (Ugo
Tognazzi), Fernsehredakteur Sergio (Serge Reggiani), der Journalist Luigi
(Marcello Mastroianni) und der Abgeordnete der Kommunistischen Partei Mario
(Vittorio Gassman) sind alte Freunde, doch die Zeiten als sie das kulturelle
Leben in Italien mit bestimmten, sind lange vorbei. Saturiert und ideenlos
leben sie noch von ihrem früheren Ruf, aber ihre deutlich jüngeren Frauen haben
ihnen längst den Rang abgelaufen.
Mario (Vittorio Gassman) und Giovanna (Stefania Sandrelli) |
D’Orsi wird zwar noch von seiner Ehefrau Emanuela (Milena
Vukotic) unterstützt, aber an seiner Schreibblockade ändert das nichts, weshalb
er Amedeo auf der Terrasse aus dem Weg zu gehen versucht, der ihm schon vor
einem halben Jahr Vorschuss auf das neue Drehbuch gegeben hatte. Doch wirklich
aktiv ist Amedeo auch nicht. Seine Ehefrau Enza (Ombretta Colli) hat ihm längst
den Produzenten-Job aus den Händen genommen, während er sich in ihrer grotesk
riesigen Villa langweilt, und Carla (Carla Gravina) hat sich von Luigi getrennt
und macht Karriere als Fernseh-Journalistin. Mario ist ohne seine Frau gekommen
und gerät auf Grund einer despektierlichen Bemerkung über die
Nachfolge-Generation mit Giovanna (Stefania Sandrelli) in Streit – der Beginn
einer heftigen Liebes-Affäre…
Diskussion mit Regisseur Tazzo (Stefano Satta Flores) |
Schon sechs Jahre zuvor in "C'eravamo tanti amati"
(Wie waren so verliebt, 1974) hatte Ettore Scola ein erstes Resümee gezogen. An
den unterschiedlichen Lebenswegen dreier Männer, die gemeinsam im Widerstand
gegen die deutsche Besatzungsmacht gekämpft hatten, beschrieb er beispielhaft
die Fallhöhe zwischen Wunsch und Realität, zwischen Ideal und Ernüchterung
dreier Jahrzehnte Gesellschaftspolitik in Italien. Auch der parallele
Fortschritt im Medium Film gehörte zu seiner desillusionierten Nachbetrachtung,
blieb aber hinsichtlich seiner eigenen Rolle noch verklausuliert. Im
Mittelpunkt stand Vittorio De Sica, dem er zwar den Film widmete, dessen
Entwicklung vom Vorbild als Neorealisten ("Ladri di biciclette"
(Fahrraddiebe, 1948)) zum publikumswirksam angepassten Komödienregisseur er
aber bedauerte - für Scola und seine Mitautoren Agenor Incrocci (kurz
"Age") und Furio Scarpelli signifikant für die generelle Entwicklung
im italienischen Kino.
Enza (Ombretta Colli) mit Amedeo und Enrico |
Seitdem waren sechs Jahre vergangen, angesichts der
politischen Ereignisse in Italien kein kurzer Zeitraum. Die bleiernen Jahre
("Anni di piombo"), eine Hochphase an Kriminalität und Terrorismus,
waren noch nicht endgültig vorbei, die Ermordung des Christdemokraten Aldo Moro
durch die "Roten Brigaden" (Brigade rosse) lag ebenso erst wenige
Jahre zurück wie das damit verbundene Scheitern einer von Moro und dem
kommunistischen Generalsekretär Enrico Berlinguer angestrebten Koalition der
PCI (Partito Comunista Italiano) mit der konservativen Democrazia Cristiana.
Ettore Scola und seine langjährigen Mitstreiter, die meisten von ihnen seit dem
Krieg Sympathisanten der PCI, konnten 1980 noch nicht wissen, wie sehr diese
Phase der kommunistischen Partei, die damals bei freien Wahlen mehr als 30% der
Stimmen erhielt, geschadet hatte, aber sie ahnten die Konsequenzen. Weniger
hinsichtlich der konkreten Auswirkungen, mehr auf Grund ihrer eigenen Rolle -
sie waren in die Jahre gekommen, waren sowohl hinsichtlich ihres politischen
wie filmischen Engagements bequem geworden.
Der Journalist (Marcello Mastroianni) |
Und was machten sie daraus? – Sie versammelten sich auf der
titelgebenden Terrasse und hauten sich in einer letzten brachialen Komödie in
der Tradition der „Commedia all’italiana“ gegenseitig in die Pfanne. Vittorio
Gassman, Ugo Tognazzi , Serge Reggiani, alle Jahrgang 1922, sowie Marcello
Mastroianni (1924) und der wenig jüngere Jean-Louis Trintignant (1930)
streiten, diskutieren und lachen miteinander, im Hintergrund begleitet von
Agenor Incrocci und Furio Scarpelli (beide 1919) sowie Regisseur Scola (1930).
Und konfrontieren sich mit Frauen, die nicht nur deutlich jünger, sondern denen
sie auch nicht mehr gewachsen sind. Auch Carla Gravina („I soliti ignoti“
(Diebe haben‘s schwer, 1958), Stefania Sandrelli („Divorzio all’italiana“
(Scheidung auf Italienisch, 1961) und Milena Vukotic (“Made in Italy“, 1965) gehörten
früh zum Kreis der „Commedia all’italiana“, waren aber noch keine 40 Jahre alt.
Carla Gravina wurde kurz nach Fertigstellung des Films bis 1983 Mitglied der
Abgeordnetenkammer für die PCI, Vittorio Gassman verkörperte im Film den
langjährigen kommunistischen Abgeordneten Mario. Nur noch wenig engagiert, aber
als Selbstdarsteller immer noch in Bestform - besonders gegenüber der jungen Giovanna
(Stefania Sandrelli). Authentischer ließen sich Gegenwart und Vergangenheit
kaum gegenüber stellen.
Der Drehbuchautor (Jean-Louis Trintignant) |
Daraus nun zu folgern der zweieinhalbstündige Film würde zu
einer geschwätzigen Angelegenheit unter alten Männern werden, die nur noch in vergangenen
Zeiten schwelgen, wäre weit gefehlt – und hieße, Ettore Scola und seine
Mitautoren zu unterschätzen. Anders als in „C’eravamo tanti amati“ werden seine
Protagonisten gnadenlos mit der Gegenwart konfrontiert. Ihre glorreiche Vergangenheit
ist dagegen mehr Last als Lust, wie etwa der Zettel mit den Namen „Totò“ und
„Wittgenstein“, den sich der Drehbuchautor Enrico D'Orsi (Jean-Louis
Trintignant) an seine Schreibtischlampe geklebt hat. Eine Anspielung auf die
Anfänge der „Commedia all’italiana“, als die „Totò“ - Filme, an denen auch Age,
Scarpelli („Totò cerca casa“, 1949) und Scola („Totò nella luna“, 1958)
maßgeblich mitwirkten, noch von den Kritikern verschmäht wurden, die sie
inzwischen in den Rang philosophischer Werke gehoben haben. Der daraus
formulierte Anspruch, im Sinn der „Commedia“ gleichzeitig kritisch und lustig
sein zu müssen, ist wenig förderlich für D’Orsi. Seine Schreibblockade treibt ihn
auf direktem Weg in die Nervenheilanstalt.
Der Produzent (Ugo Tognazzi) |
Nur in einem kurzen Moment flackern noch seine Fähigkeiten
auf, als er gegenüber seinem Produzenten, der seit Monaten auf das Drehbuch
wartet, am Telefon improvisiert und den angeblich schon geschriebenen Inhalt
der ersten Episode spontan erfindet. Gespielt wird der Produzent Amedeo von Ugo
Tognazzi, der gerade auf einer aufblasbaren Insel mit Sonnenschirm und Bar in
seinem Swimming-Pool schwimmt – und nicht weniger überfordert ist als D’Orsi.
Während seine deutlich jüngere Frau Enza (Ombretta Colli) ihn in der
Riesen-Villa allein lässt, um junge Regisseure zu fördern, kann Amadeo mit dem
modernen Stil nichts anfangen. Die Kastration am Ende der internen
Filmvorführung – eine Anspielung auf Marco Ferreris „L’ultima donna“ (Die
letzte Frau, 1976) - provoziert spontanen Applaus bei den Anwesenden, was den
exzentrischen Regisseur Tizzo (großartig Stefano Satta Flores) sofort an seinem
Werk zweifeln lässt. Zustimmung ist ihm zuwider – für den wenig intellektuellen
Amadeo, der dank seiner beim Publikum erfolgreichen Filme reich wurde, eine
fremde Welt.
Der TV-Redakteur (Serge Reggiani) |
Scola teilte nicht nur intern, sondern genauso extern aus. Tizzo,
sonst nie um eine Provokation verlegen, flippt vor moralischer Entrüstung
regelrecht aus, als er erfährt, dass seine über 50jährige Mutter überraschend ein
Kind erwartet. Richtig böse wird „La terrazza“ in dem Abschnitt über das
italienische Fernsehen, vertreten von Serge Reggiani, der einen schmalen,
gealterten Redakteur spielt, der zunehmend wegrationalisiert wird, weil sein
Anspruch nicht mehr gefragt ist. Nachdem sein Büro dank der beweglichen
Wandmodule auf Schreibtischgröße verkleinert wurde, begibt er sich in den
Keller und lässt sich vom künstlichen Schnee einer Fernsehinszenierung zu Tode
schneien.
Luigi und Carla (Carla Gravina) |
Carla (Carla Gravina) hat dagegen beste Beziehungen zum
Intendanten und startet als Moderatorin gerade eine erfolgreiche Karriere im
TV. Sie ist die Noch-Ehefrau von Luigi (Marcello Mastroianni), einem linken
Journalisten, dem seine jüngeren Kollegen gerade auf eine sehr steife,
technologische Weise zu verstehen gaben, dass man seine Dienste nicht mehr benötigt.
Angesichts der Tatsache, dass er nur noch reflexartig und ohne Engagement
Parolen in die Tasten haute, auch eine für ihn nachvollziehbare Entscheidung. Wirklich
interessiert ist Luigi - jahrzehntelang gewohnt problemlos bei jungen Frauen zu
landen - nur daran, mit Carla wieder zusammen zu kommen. Ein aussichtsloses
Unterfangen.
Der Politiker (Vittorio Gassman) |
Mit Drehbuchautor, Produzent, Fernsehredakteur, Journalist
und Politiker stellte der Film fünf entscheidende Typen für das
links-intellektuelle italienische Kino der vergangenen Jahrzehnte in den
Mittelpunkt, denen Scola jeweils einen Abschnitt widmete, immer von der
Eröffnung des Buffets auf der Terrasse ausgehend. Dieser klaren Strukturierung,
die an ihre vielen gemeinsamen Episoden-Filme erinnert, verdankt der Film nicht
nur seinen hohen Unterhaltungswert, sondern gab den Machern die Möglichkeit,
die inneren Verflechtungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Es
entstand ein komplexes Gebilde, dass sowohl die Vergangenheit reflektierte, als
auch die Gegenwart sezierte, ohne dass Irgendjemand gut dabei wegkam, so
amüsant die vielen Verwicklungen und Anspielungen im Einzelnen sind. Ganz in
der Tradition der „Commedia all’italiana“, in der Komik und Tragik, Illusion
und Realität immer nah beieinander lagen.
Ettore Scolas Film war auf Grund seiner pessimistischen
Aussage hoch umstritten, die Kritiken reichten von großer Begeisterung bis zu
totaler Ablehnung. Aus heutiger Sicht lässt sich nur statuieren, dass Scolas
Blick auf die Kollegen und ihr politisch-kulturelles Engagement, trotz aller
Anzeichen einer negativen Entwicklung, liebenswert blieb – das gemeinsame
Singen am Ende des Films erhält angesichts der schon wenige Jahre später
eintretenden Realität einen melancholisch-sentimentalen Charakter. Dass „La
terrazza“ ein letzter Vertreter dieser Art sein würde, war 1980 ebenso wenig vorauszusehen,
wie die Größenordnung des Niedergangs der italienischen Filmindustrie oder die Entwicklung
der PCI zu einer Splitter-Partei. In die „Top 100“ der wichtigsten
italienischen Filme schaffte es „La terrazza“ trotz seiner Bedeutung und
Qualität nicht – Filme, die nach 1978 entstanden, wurden nicht mehr
berücksichtigt.
weitere im Blog besprochene Filme von Ettore Scola:
"Se permettete parliamo di donne" (1964)
"C'eravamo tanti amati" (1974)
"Brutti, sporchi e cattivi" (1976)
"I nuovi mostri" (1977)
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