Inhalt: Als Ehefrau von Marco (Philippe Leroy), Spross einer
alteingesessenen Adelsfamilie, hat Paola (Danièle Gaubert) eine Vielzahl
repräsentativer Aufgaben, besonders wenn zu großen Feiern unter den Augen ihrer
strengen Schwiegermutter (Elsa Albani) Familienangehörige und Würdeträger
zusammenkommen. Für die schöne junge Frau eine selbstverständliche Rolle, die
sie sehr zur Zufriedenheit ihres Ehemanns ausfüllt - einzig der Nachwuchs steht
noch aus.
Auch Alberto (Horst Buchholz), ein langjähriger Freund ihres
Mannes, der aus geschäftlichen Gründen für kurze Zeit in Italien weilt, nimmt
sie sich auf einer solchen Feier an, da er sonst Niemanden kennt. Als Paola ihm
eine junge Frau zur Seite stellen will, lässt Alberto sie charmant wissen, dass
sie ihm die liebste Begleitung wäre. In den folgenden Tagen trifft sie sich mehrfach
mit ihm in der Stadt, da ihr Mann nur wenig Zeit für ihn hat - sehr zu Albertos
Gefallen, der aus seinen entstehenden Gefühlen für die Frau seines Freundes
immer weniger ein Geheimnis macht...
"Wie, wann, warum?"
Scheinbar handelt es sich nur um eine Marginalie, dass
Antonio Pietrangelis Filmtitel "Come, quando, perché" nicht nur für
den deutschen Verleih in "Wo, wann, mit wem?" verändert wurde. Doch
damit bestätigten die Verfasser die Vorurteile und Erwartungshaltung des
Publikums an einen Film, der sich dem damals so aktuellen, wie anrüchigen Thema
des Ehebetrugs widmete. Besonders die Frage nach dem "mit wem?" unterstellte
der Protagonistin, nach Belieben zwischen ihren Sexualpartnern wählen zu wollen
– und das „wo“ und „wann“ sollte nur die Umstände für den geplanten Seitensprung
klären. Eine verfälschende Aussage, die die vorherrschende Meinung über untreue
Ehefrauen aber bestätigte. Und Pietrangelis Intention, sich den wiederstreitenden
Emotionen zwischen Erziehung, Konvention und zunehmender Liberalisierung
differenziert und vorurteilslos zu nähern, von vornherein unterlief.
Der Roman "Amour terre inconnue" (Liebe,
unbekanntes Terrain) von Martin Maurice diente als Vorlage für das von Pietrangeli
und Tullio Pinelli verfasste Drehbuch und führte tief in die Ursachensuche des
Regisseurs. Obwohl bereits 1928 erschienen, baute Pietrangeli seine aktuelle,
Ende der 60er Jahre spielende Story auf dessen Basis einer sozial noch stark
reglementierten Gesellschaft auf. Die Handlung des Films beginnt entsprechend mit
einer etwa drei Jahrzehnte zurückliegenden Vorgeschichte, die von den ersten
amourösen Erlebnissen des heranwachsenden Marco erzählt. Nachdem ihn seine
liebevoll autoritäre Mutter (Elsa Albani), mit der er bei Verwandten weilt, zu
Bett schickte, kommt das dort lebende, etwas ältere schöne Mädchen heimlich zu
ihm aufs Zimmer – eine klassische Konstellation, die viel über die inneren
moralischen Regeln nicht nur der Oberschicht in Italien aussagt. Wie dem von
Burt Lancaster gespielten Fürsten in Viscontis „Il gattopardo“ (Der Leopard,
1962) stand es den Männern zu, heimliche Liebschaften zu pflegen, solange nach
außen die moralische Integrität gewahrt blieb. Entscheidend dafür war die Rolle
der Ehefrau, die als Mutter und Hüterin der Familie vorbildlich auftrat – die
jeweiligen Geliebten wären dafür nicht in Frage gekommen.
Von diesen archaischen Mustern ist in „Come, quando,
perchè?“ nur noch wenig zu spüren. Alles atmet die Moderne der späten 60er
Jahre. Zwar wohnt Marco (Philippe Leroy) mit seiner Frau Paola (Danièle
Gaubert) in einem schlossartigen Gebäude, aber er lebt das Leben eines modernen
Geschäftsmanns in der Großstadt. Paola wirkt gleichberechtigt in der Ehe. Sie nimmt
die repräsentativen Pflichten an der Seite ihres Mannes selbstverständlich wahr
und geht auch keiner regelmäßigen Arbeit nach, aber darüber hinaus bestimmt sie
selbst über ihre Tage, geht zu Vernissagen oder trifft sich mit Freundinnen.
Doch dieser äußerliche Eindruck täuscht, denn an den inneren Regeln hat sich
nur wenig verändert. Während sich Marco eine Geliebte hält, der er nicht nur
die Wohnung finanziert, steht Paolas Rolle als zukünftige Mutter schon fest.
Wie bei Antonio Pietrangeli gewohnt, ist es die Frau, die im
Mittelpunkt seines Films steht. Und doch betrat er Neuland in „Come, quando,
perchè?“. Erstmals arbeitete er nicht mit Ruggero Maccari und Ettore Scola
zusammen, die bis zu seinem letzten Langfilm „Io la conoscevo bene“ (Ich habe
sie gut gekannt, 1965) gemeinsam mit ihm jeweils die Drehbücher zu seinen
Filmen verfasst hatten, sondern mit Tullio Pinelli, Federico Fellinis
bevorzugtem Autor (zuletzt „Giulia degli spiriti“ (Julia und die Geister, 1965)).
Schon Pietrangelis Kurzfilm „Fata Marta“, der als vierte Episode in „Le fate“
(Die Gespielinnen) 1966 erschienen war, entstand ohne ihre Mitarbeit, aber
Ruggero Maccari war als Drehbuchautor noch an einer der anderen Episoden
beteiligt. Trotzdem wies „Fata Marta“ schon auf den entscheidenden Unterschied
zu Pietrangelis bisherigem Werk hin. Stammten die jungen Frauen, denen sein besonderes
Interesse galt, zuvor aus den unteren Gesellschaftsschichten, war er mit seiner
Episode zu „Le fate“ in die High Society gewechselt. Materielle Sorgen oder
soziale Ausgrenzung – Themen, die in Pietrangelis Filmen trotz ihres hohen
Unterhaltungswerts immer mitschwangen – spielten in „Come, quando, perchè?“
scheinbar keine Rolle mehr.
Darin erinnert sein Film an Michelangelo Antonio, der seine
Trilogie „L’avventura“ (Die mit der Liebe spielen, 1960), „La notte“ (Die
Nacht, 1961) und „L’eclisse“ (Liebe 1962, 1962) über die sich nach dem Krieg
verändernde Sozialisation in Italien von alltäglichen Einflüssen entschlackte,
um seine Intentionen klarer herausarbeiten zu können. Auch Pietrangelis
Protagonistin Paola verfügt immer über genügend Geld, hat ein eigenes Auto und
kann ihre Zeit selbst gestalten. Ob sie länger am mondänen Badeort auf
Sardinien bleibt oder früher ein Flugzeug zurücknimmt, obliegt allein ihrer
Entscheidung. Die gleichen Voraussetzungen gelten auch für Alberto, der sich alle
Freiheiten nehmen kann, um um die begehrte Frau zu werben, auch wenn er dafür
seine geschäftlichen Planungen vollständig ändern muss. Anstatt wieder
kurzfristig in die USA zurückzukehren, mietet er in Italien eine Wohnung an.
Diese idealisierte Situation war notwendig, um die
verborgenen Emotionen Paolas langsam nach außen kehren zu können, wie die nur
vordergründig absurde Schlüssel-Szene des Films offenbart: Paola begibt sich
allein in ein Kino, wo sie von einem gepflegt gekleideten jungen Mann sexuell
belästigt wird. Er lässt sich von ihrer heftigen Gegenwehr nicht abbringen und
folgt ihr noch, als sie den Kinosaal fluchtartig verlässt. In dieser Szene ist
auf der Kinoleinwand ein kurzer Ausschnitt aus „Fata Elena“, dem dritten unter
der Regie Mauro Bologninis entstandenen Teil des Episodenfilms „Le Fate“, zu
sehen, der den ehelichen Seitensprung überspitzt als selbstverständlichen
Bestandteil einer zeitgemäßen Lebensführung wohlhabender Kreise beschreibt. Ein
ironischer Kommentar zu Paolas unterdrückten Gefühlen, die der junge Mann
ebenso spürt wie die Urlaubsbekanntschaft (Colette Descombes) auf Sardinien,
deren Begeisterung für Paola eindeutige sexuelle Züge annimmt – nur dass es die
Angebetete selbst nicht wahrhaben will.
Einzig Alberto gelingt es, zu ihr vorzudringen, aber dafür
muss er sich vollständig auf ihre Ebene einlassen. Während der junge Mann im
Kino und die junge Frau auf Sardinien wie Boten einer neuen Zeit wirken,
verkörperte Horst Buchholz eine adäquate Alternative zu dem nicht weniger
souverän als Ehemann auftretenden Philippe Leroy – gutaussehend, weltgewandt,
gemäßigt konservativ und wohlhabend. Allein die Zeit, die sich Pietrangeli
nahm, um Albertos Annäherung an Paola zu schildern, ihr dabei zuzusehen, wie
sie trotz ihrer entstehenden Gefühle nur langsam ihre anerzogenen Konventionen
aufgibt, lässt das „mit wem?“ im deutschen Filmtitel nur als Fehlgriff
begreifen.
„Come, quando, perchè?“ ist kein Plädoyer für den Seitensprung,
wie es auch der katholische Filmdienst damals missverstand, sondern Pietrangeli
versuchte wie in allen seinen Filmen, die Komplexität unter einer Eindeutigkeit
vorgebenden Oberfläche offenzulegen. Die sozialen Veränderungen nach dem Krieg
brachen zwar mit alten Mustern, aber lösten damit nicht automatisch deren
Probleme. Paola gerät unmittelbar in den Konflikt zwischen Moderne und
Konvention, ohne sich entscheiden zu können. Alberto hat trotz der
Liebes-Affäre nie wirklich eine Chance, denn er ist ihrem Mann zu ähnlich. Doch
auch ihrem bisherigen Leben treu zu bleiben, kann nicht über ihre unterdrückten
Gefühle hinwegtäuschen.
Regisseur Valerio Zurlini vollendete Pietrangelis letzten
Film, der zuvor bei einem Unfall verstarb, änderte aber nichts an dessen
letztlicher Aussage – die Fragen nach dem „wie“, „wann“ und „warum?“ blieben offen.
Leider hatte Antonio Pietrangeli keine Gelegenheit mehr, weiter nach Antworten
zu suchen.
"Come, quando, perché?" Italien, Frankreich 1969, Regie: Antonio Pietrangeli, Valerio Zurlini, Drehbuch: Antonio Pietrangeli, Tullio Pinelli, Martin Maurice (Roman), Darsteller : Danièle Gaubert, Philippe Leroy, Horst Buchholz, Lilli Lembo, Elsa Albani, Colette Descombes, Laufzeit : 102 Minuten
- weitere im Blog besprochene Filme von Antonio Pietrangeli :
"Porträt Antonio Pietrangeli"
"Il sole negli occhi" (1953)
"Amori di mezzo secolo" (1954)
"Adua e le compagne" (1960)
"La parmigiana" (1963)
"La visita" (1963)
"Io la conoscevo bene" (1965)
"Le fate" (1966)
Lief in der deutschen Kinofassung am dritten Tag des 14. Hofbauer-Kongress' vom 02. bis 06.01.2015 in Nürnberg - eine äußerst seltene Gelegenheit.
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