Inhalt: Paco
(Tony Musante) erhält wie die anderen mexikanischen Minenarbeiter nur ein paar
Bohnen zum Essen, während es sich die Gesellschaft des Großgrundbesitzers
Alfonso Garcia (Eduardo Fajardo) nebenan gut gehen lässt. Ihm gelingt es, einem
der Aufpasser die Waffe zu entwenden und sie können die Festivitäten stören,
aber Garcia lässt sich diese Auflehnung nicht lange gefallen und kann ihn
wieder überwältigen – in letzter Sekunde entkommt Paco mit Hilfe zweier
Kameraden der tödlichen Folter.
Gleichzeitig
erhält der Söldner Sergei Kowalski, genannt „Der Pole“ (Franco Nero), den
Auftrag, Silber aus Garcias Mine abzuholen und in die USA zu transportieren,
aber als er dort ankommt, muss er feststellen, dass Paco und seine Männer
inzwischen den Besitz übernommen haben und das Silber nach einer Explosion
verschüttet wurde. Auch Kowalski soll aufgehängt werden, aber plötzlich zerreißt
Kanonendonner die Stille, denn Garcia ist mit der Unterstützung der Armee
zurückgekommen und greift die schlecht bewaffneten Männer an. Für Paco sieht es
schlecht aus, aber Kowalski weiß einen Ausweg – nur möchte er zuvor gut dafür
bezahlt werden…
"Il
mercenario" (Mercenario - Der Gefürchtete) kam knapp drei Monate vor
Sergio Corbuccis "Il grande silenzio" (Leichen pflastern seinen Weg,
1968) in die italienischen Kinos, weshalb ein Vergleich zwischen beiden Filmen
ebenso nahe liegend scheint, wie die Verbindung zu "Django" (1966), der für "Il mercenario"-Hauptdarsteller Franco Nero den Durchbruch unter Corbucci brachte. Parallelen lassen sich auch in der Reaktion auf das
zunehmend eskalierende und weltweit Proteste hervorrufende us-amerikanische
Militär-Engagement in Vietnam feststellen, auf das beide Filme in
unterschiedlich verklausulierter Form reagierten. Tatsächlich könnten ihre
Entwicklungslinien kaum unterschiedlicher sein - das beide Filme letztlich
unter der Regie Sergio Corbuccis entstanden, ist ein weiteres Beispiel für die
Genre-übergreifende Zusammenarbeit und kreative Kraft des italienischen Kinos.
„Il grande silenzio“ ist eine konsequente Weiterentwicklung von „Django“ – kompromissloser
und politisch relevanter – während die Gene von „Il mercenario“ auf die
politisch motivierten Filme von Gillo Pontecorvo ("Kapò" 1960) und
Francesco Rosi ("Salvatore Giuliano" (Wer erschoss Salvatore G.?,
1961)) zurückgehen, zu denen der überzeugte Marxist Franco Solinas die
Drehbücher schrieb. Über „La battaglia di Algeri“ (Schlacht um Algier, 1966), Sergio Sollimas "La resa dei conti" (Der Gehetzte der Sierra Madre, 1966) und Damiano Damianis
Revolutionswestern "Quien sabe?“ (Töte Amigo, 1966) führt die Linie
direkt zu "Il mercenario". Neben der Konzentration auf den
mexikanischen Hintergrund, ist die inhaltliche Verwandtschaft gut auch an der
Charakterisierung des "Gringo" zu erkennen, der in Damianis Film von
Lou Castel gespielt wurde und mehr Ähnlichkeit mit Franco Neros "Sergei
Kowalski", genannt "Der Pole", aufweist, als mit dessen
Verkörperung des "Django". Man sollte sich nicht von der Coolness
beider Figuren täuschen lassen, die Nero unnachahmlich spielen konnte, denn im
Vergleich zu dem egozentrischen, jederzeit seinen eigenen Vorteil im Blick
behaltenden „Mercenario“ (Söldner) Kowalski ist der gutherzige, nur äußerlich
den harten Burschen gebende "Django", ein echter Waisenknabe.
Neben dem
Einfluss Franco Solinas lässt sich über dessen Mitstreiter Luciano Vincenzoni auch
eine direkte Verbindung zu den Sergio Leone Western "Per qualche dollaro in più" (Für ein paar Dollar mehr, 1965) und "Il buono, il brutto, il
cattivo" (Zwei glorreiche Halunken, 1966)
herstellen, an deren Drehbüchern er beteiligt war. Die Fortsetzung
dieser Linie hin zu Leones Revolutionswestern "Giù la testa"
(Todesmelodie, 1971) erscheint ebenso logisch, wie Solinas folgende Drehbücher
zu "Tepepa" (1969) und "Queimada" (Queimada - Insel des
Schreckens, 1969), dessen Regie Gillo Pontecorvo übernahm. Zu "Il
mercenario" hatte er sie abgelehnt, weshalb Sergio Corbucci einsprang, der
seine eigenen Schlüsse aus der für ihn bis dahin untypischen Western-Mischung
aus ernsthaftem Drama und komischen Einlagen zog - er ließ mit "Vamos a
matar, compañeros" (Lasst uns töten, Companeros, 1970), erneut mit Franco
Nero und Jack Palance besetzt, und "Che c'entriamo noi con la
rivoluzione?" (Bete, Amigo!, 1972) zwei weitere Revolutionswestern folgen,
die den komödiantischen Charakter zunehmend betonten - eine Parallele zum
gesamten Italo-Western-Genre, das seine Hochphase überschritten hatte und begann,
sich selbst zu persiflieren.
„Il
mercenario“ gelang es dagegen optimal, die häufig nur vordergründig komischen
Elemente so eng mit der kritisch geschilderten Situation Mexikos zu
kombinieren, dass der jederzeit unterhaltende Film nie seine Ernsthaftigkeit
verliert. Die Handlung beginnt etwa 1910, als nach der langjährigen Diktatur
unter Porfirio Diaz, die eine extreme Klassengesellschaft aus wenigen reichen
Großgrundbesitzern und einer großen Zahl unter miserablen Bedingungen lebenden
Landarbeitern manifestiert hatte, eine bis in die 20er Jahre andauernde
gesellschaftliche Umbruchsphase anbrach, die als „mexikanische Revolution“
bezeichnet wird und die auf Grund der widerstreitenden Interessen der
Revolutionsführer zu chaotischen Verhältnissen führte. Während Emilio Zapata Reformen
anstrebte, die sozialistischen Idealen nahe standen und die Rechte der Arbeiter
gestärkt hätten, war dessen zeitweise Verbündeter Venustiano Carranza vor allem
an der Ablösung des Diaz-Regimes gelegen. Er überließ 1913 dem Oberbefehlshaber
der Armee General Huerta den Präsidentenposten, nachdem er selbst zum obersten
Heerführer ernannt worden war. Nachdem die Zapatisten erneut gegen dessen nicht
weniger autoritären Führungsstil revoltierten und Huerta 1914 ins Exil nach
Europa geflüchtet war, übernahm Carranza den Präsidentenposten bis 1920 und
wurde darin von den USA unterstützt, die zweimal mit ihrem Heer nach Mexiko
eindrangen.
Die
Parallelen zum Vietnamkrieg Ende der 60er Jahre lagen nah, denn mit ihrem
militärischen Eingreifen wollte die USA verhindern, dass der kommunistische
Norden die Kontrolle über das gesamte Land erringt, um ihre eigenen Interessen an
diesem strategisch wichtigen Ort zu wahren. Der von den unsozialen
Verhältnissen in Mexiko profitierende US-Unternehmer oder mexikanische Großgrundbesitzer
gehört zu den Standard-Figuren im Italo-Western, aber „Il mercenario“ vermied
trotz dieser Ausgangssituation ein einfaches Gut/Böse-Schema, indem er zwei so
charismatische wie zwiespältige Protagonisten in den Mittelpunkt stellte. Der
von Tony Musante gespielte einfache mexikanische Landarbeiter Paco Roman lehnt
sich zwar gegen die menschenunwürdigen Lebensverhältnisse auf, verfolgt damit
aber keine politischen Ziele, sondern versucht raubend seinen Vorteil aus dem
allgemeinen Chaos zu ziehen. Der „Gringo“ Sergei Kowalski (Franco Nero),
Einzelgänger und nur an sich selbst interessiert, ist auf Grund seiner
Fähigkeiten als Revolverschütze und Stratege ein Profiteur dieser Situation.
Nur Neros
abgeklärtem Spiel ist es zu verdanken, dass Kowalski zu keiner unsympathischen
Figur wird. Sein Einfordern einer Vorausbezahlung auch in lebensgefährlichen
Momenten wird noch zu einer Art „Running Gag“, aber der Film schwächt seinen
Charakter nicht, sondern lässt ihn weder umdenken, als Paco, beeinflusst von
der schönen Columba (Giovanna Ralli), die Notwendigkeit von Veränderungen in
seinem Heimatland zu begreifen beginnt, noch zu Gunsten Anderer auf den eigenen
Vorteil verzichten. So absurd die Szene ist, in der er sich an einem heißen Tag
in der Wüste mit dem Wasser aus den Trinkflaschen der mexikanischen
Bandenmitglieder duschen lässt, so unmenschlich ist sein Handeln und letztlich
schuld an weiteren Konflikten. Auch Paco, der sich als Richter aufspielt und seine
Machtposition genießt, wird nicht zum Heilsbringer idealisiert, aber die
kindliche Freude, die Musante seiner Rolle verleiht, lässt ihn zum eigentlichen
Sympathieträger werden, während Kowalskis Beharren auf Professionalität und
Bezahlung zunehmend tragische Züge annimmt.
Diesem Duo
steht Ricciolo (Jack Palance) gegenüber, dessen hinterhältiger, einen ehrlichen
Konflikt vermeidender Charakter die beiden Hauptrollen kontrastiert und damit ihre
jeweiligen Schwächen relativiert. Da Ricciolo in einer Szene den Tod eines
seiner Bandenmitglieder betrauert – ein sonst untypisches Verhalten für ihn –
und mit seinem gelockten Haar und tadelloser Kleidung eine ungewöhnliche
Erscheinung abgibt, wird in vielen Texten zum Film dessen Homosexualität
betont, obwohl das im Film nicht thematisiert wird. Seine sexuellen Präferenzen
spielen in „Il mercenario“ ebenso wenig eine Rolle wie bei Kowalski, der jede
emotionale Bindung meidet. Viel mehr erstaunt es, wie es Jack Palance gelang,
diesem sinistren Charakter Würde zu verleihen – etwa als Kowalski ihn dazu zwingt,
sich nackt auszuziehen. Selbst in diesen Momenten bewahrte sich „Il mercenario“
seine Komplexität und suchte keine einfachen Antworten, sondern macht deutlich,
wie schnell jeder Idealismus vom Pragmatismus wieder eingeholt wird. Dem Film
deshalb Zynismus vorzuwerfen wäre trotzdem falsch, denn in seiner letzten Szene
entlässt er den Betrachter noch mit einem klaren Statement: Es lebe die
Revolution!
"Il mercenario" Italien / Spanien 1968, Regie: Sergio Corbucci, Drehbuch: Franco Solina, Luciano Vincenzoni, Sergio Corbucci, Adriano Bolzoni, Darsteller : Franco Nero, Tony Musante, Jack Palance, Giovanna Ralli, Eduardo Fajardo, Laufzeit : 102 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Sergio Corbucci:
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