Zum Tode Damiano Damianis am 07.03.2013
Dass Damiano
Damiani, geboren am 23.07.1922 in Pasiane Di Pordenone im Friaul, mit 90 Jahren
ein hohes Alter erreichte als er am 07.03.2013 in Rom starb und auf ein
umfangreiches Werk zurücksehen konnte, lässt vergessen, das er erst relativ
spät, 1960 mit Ende 30, seine erste Regiearbeit mit „Il rossetto“ (Unschuld im
Kreuzverhör) ablieferte. Elio Petri, der ein Jahr später seinen ersten Film
drehte („L’assassino“ (Trauen Sie Alfredo einen Mord zu?)), war Jahrgang 1929
und gleichaltrige Zeitgenossen wie Federico Fellini (Jahrgang 1920) und
Francesco Rosi (Jahrgang 1922) hatten schon deutlich früher begonnen als
Regisseur zu arbeiten. Die Hochphase seines Schaffens lag zudem schon einige
Zeit zurück, denn den größten Teil seiner Kinofilme – 20 von 28 – drehte er in
den Jahren 1960 bis 1980, während er später häufig für das Fernsehen arbeitete,
darunter seine Mini-Serie „La piovra“ (Allein gegen die Mafia, 1984), mit der
sein Name heute hauptsächlich in Verbindung gebracht wird, obwohl er nur für
die erste Staffel verantwortlich war und eine weitere Zusammenarbeit an der
noch viele Jahre laufenden Serie ablehnte.
Der
Vergleich mit den Regie-Kollegen Elio Petri, Federico Fellini und Francesco
Rosi drängt sich in mehrfacher Hinsicht auf. Wie sie war er früh (1946) nach
Rom gekommen, nachdem er zuvor an der Kunsthochschule „Accademia di Brera“ in
Mailand studiert hatte, und wie sie hatte er unter dem Einfluss des
Neorealismus als Drehbuchautor zu arbeiten begonnen. Neben Cesare Zavattini,
dem einflussreichsten Autor dieser Phase („Ladri di biciclette“ (Fahrraddiebe,
1948)), mit dem er bei „Pievuto al cielo“ (Gauner mit Herz, 1953) zusammen
arbeitete und der auch das Drehbuch zu seinen ersten drei Filmen (Neben „Il rossetto“ noch „Il sicario“ (Das bittere Leben, 1961) und "L'isola di Arturo" (Insel der verbotenen Liebe, 1962)) mit verfasste, beeinflusste
ihn die Bekanntschaft zu Luigi Comencini, Alberto Lattuada und nicht zuletzt
Pietro Germi („In nome della legge“ (Im Namen des Gesetzes, 1949), der an den
beiden ersten Filmen Damianis als Darsteller mitwirkte, eine für ihn
ungewöhnliche Ausnahme. Zudem gehörte er zum Freundeskreis von Alberto Moravia
und dessen damaliger Frau Elsa Morante, was sich in den Verfilmungen „L’isola di Arturo“ (Insel der verbotenen Liebe, 1962, nach Elsa Morante) und „La noia“
(Die Nackte, 1964, nach Alberto Moravia) niederschlug.
Neben
Francesco Rosi, Elio Petri und Costa-Gavras wurde Damiano Damiani zum führenden
Vertreter des politischen Films der späten 60er und 70er Jahre, gehörte zu den
Unterzeichnern des politischen Manifestes „Documenti su Giuseppe Spinelli“
(1970) und verfilmte eine Vorlage des aus Sizilien stammenden, gesellschaftskritischen
Autors Leonardo Sciascia („Il giorno della civetta“ (Der Tag der Eule, 1968),
aber damit enden die Gemeinsamkeiten, zumindest in der Anerkennung der
Filmkritik. Während seine Kollegen die wichtigsten Filmpreise in Cannes, Berlin
oder Hollywood einheimsten, gewann Damiani nur mit „L’isola di Arturo“ 1962 den
Preis des Festivals von San Sebastian. So überrascht es auch nicht, dass es
keiner seiner Werke in die Liste der 100 wichtigsten italienischen Filme der
Jahre 1942 bis 1978 geschafft hat, die von einer italienischen Expertenrunde
aufgestellt wurde. Neben „Allein gegen die Mafia“ wird sein Schaffen in der
Regel auf die vier politisch ambitionierten Filme mit Franco Nero in der
Hauptrolle reduziert, die er zwischen 1968 und 1974 drehte und die je nach
Standpunkt anerkennend bis spöttisch auch als „Paranoia“-Kino bezeichnet werden.
Bevor er
selbst begann, Regie zu führen, hatte Damiano Damiani sich in den späten 50er
Jahren dem reinen Unterhaltungskino zugewandt und Drehbücher für die damals
populären Abenteuer- und Sandalen-Filme wie „Erode il grande“ (Herodes – Blut
über Jerusalem, 1959) verfasst, was sein Image frühzeitig prägte. Dagegen waren
seine ersten drei Filme, heute unter dem Begriff „Trilogia psicologica“ (Psycholgische
Trilogie) zusammen gefasst, sensibel inszenierte Dramen, in denen die Nähe zum
Neorealismus noch spürbar wurde, die in Deutschland aber unbekannt blieben oder
nur unter reißerischen Titeln wie „Insel der verbotenen Liebe“ erschienen.
Tatsächlich blieb Damiani einer Mischung aus Unterhaltungskino und
Gesellschaftskritik treu, sichtbar auch an seinem einzigen Italo-Western „Quin sabe“ (Töte Amigo, 1967), der einer der ersten Revolutions-Western wurde und
sich als unmittelbarer Kommentar zum us-amerikanischen Eingreifen in Vietnam
verstand. Mit „Quin sabe“ und „Il giorno della civetta“ begann eine lange Phase
des politischen Films, die weit mehr Werke umfasst als die 1971 erschienenen
„L’istruttoria è chiusa: dimentichi“ (Das Verfahren ist eingestellt: Vergessen
sie’s) und „Confessione di un commissario di polizia al procuratore della repubblica“ (Der Clan, der seine
Feinde lebendig einmauert) und seinen letzten Film mit Franco Nero „Perché si uccide un Magistrato?“ (Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?) von 1974.
Diese Filme verbanden die Kritik an der Unterwanderung des juristischen
und politischen Systems durch die Mafia mit einer spannenden Story, in deren
Mittelpunkt ein einzelner Mann gegen eine unüberwindlich scheinende Übermacht
kämpfte. Aber Damiani betrachtete das System der Mafia auch von innen heraus
(„La moglie è piu bella“ (Recht und Leidenschaft, 1970)) oder vermittelte mit dem
in den 1920er Jahren während des Faschismus spielenden „Girolimoni, il mostro
di Roma“ (Girolimoni - das Ungeheuer von Rom, 1972) die gesellschaftlichen
Strukturen, die erst das mafiöse System ermöglichten. Die Popularität der trotz
ihrer kritischen Haltung kämpferischen Filme mit Franco Nero, ließ diese
weniger plakativen Werke in Vergessenheit geraten, wie auch seine späteren
Polit-Thriller „Io ho paura“ (Ich habe Angst, 1977) mit Gian Maria Volonté und
„Un uomo in Ginocchio“ (Ein Mann auf den Knien, 1979) mit Giuliano Gemma die
Thematik noch differenzierter und pessimistischer betrachteten und keinen
Helden mehr vorsahen, der die Sache irgendwie richten konnte – und sei es in
moralischer Hinsicht.
Während es heute akzeptiert ist, dass ein Regisseur auch Auftragsarbeiten
übernimmt, um sich dann wieder ehrgeizigeren und weniger populären Stoffen
zuzuwenden, war diese Vorgehensweise in den 70er Jahren noch ungewöhnlich,
weshalb Damianis Regiearbeiten zu „Un genio, due compari, un pollo“ (Nobody ist
der Größte, 1975) oder „Amityville II: the possession“ (Amityville 2: der
Besessene, 1982) seiner Reputation als gesellschaftskritischem Autorenfilmer eher
schadete. Entscheidender für die mangelnde Anerkennung seiner mutigen,
konsequenten Filme durch die Filmkritik blieb aber die Emotionalität, die alle
seine Filme auszeichnete. So demaskierend er die Mechanismen eines von
Korruption und Vorteilsnahme zerrütteten Systems offenbarte, so wichtig blieb
ihm immer die Identifikation mit den Menschen, die er in den Mittelpunkt
stellte. An ihrem persönlichen Schicksal ließ er die Unmenschlichkeit und
Ungerechtigkeit erfahrbar werden, erzeugte er Anteilnahme und Mitgefühl. Das
verlieh seinen Filmen eine Subjektivität und Direktheit, die angreifbar ist,
die aber Demjenigen, der sie einmal erfahren hat, in Erinnerung bleiben wird.
Damiano Damiani - seine Filme bis 1980:
"L'isola di Arturo" (Insel der verbotenen Liebe, 1962)
"La rimpatriata" (Wiedersehen für eine Nacht, 1963)
"La noia" (Die Nackte, 1963)
"La strega in amore" (Hexe der Liebe, 1966)"Quien sabe" (Töte Amigo,1966)
"Il giorno della civetta" (Der Tag der Eule, 1968)
"Una ragazza piuttosto complicata" (1969)
"La moglie più bella" (Recht und Leidenschaft, 1970)
"Confessione di un commissario di polizia al procuratore della republicca" (Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert, 1971)
"L'isttruttoria è chiusa: dimentichi" (Das Verfahren ist eingestellt: Vergessen Sie's!, 1971)
"Girolimoni, il mostro di Roma" (Girolimoni - das Ungeheuer von Rom, 1972)
"Il sorriso del grande tentatore" (Verbannt, 1974)
"Perche si uccide un magistrato" (Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?,1974)
"Un genio, due compari, un pollo" (Nobody ist der Größte, 1975)
"Io ho paura" (Ich habe Angst, 1977)
"Goodbye e amen" (Goodbye und Amen, 1978)
"Un uomo in ginocchio" (Ein Mann auf den Knien, 1979)
"L'avvartimento" (Die tödliche Warnung, 1980)
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