Inhalt:
Vincenzo Marazzi (Tomas Milian), genannt „Il gobbo“ (Der Bucklige), kommt nach
längerer Zeit wieder nach Rom zurück, wo er nach wie vor von Commissario Sarti
(Pino Colizzi) gesucht wird. Zuerst fährt er zu seinem wenige Minuten jüngeren
Zwillingsbruder Sergio (Tomas Milian), genannt „Monnezza“, der in einer kleinen
Werkstatt arbeitet und den er zum Straßenstrich mitnimmt, wo er Geschäfte mit
geschmuggelten Uhren machen will. Die von ihm angesprochenen Transvestiten
weigern sich zuerst, aber der Bucklige kann sehr überzeugend sein. Nachdem er
sich daraufhin mit der Prostituierten Maria (Isa Danieli) zu einem Stelldichein
in ihrer Wohnung geeinigt hatte, lässt er seinen Bruder einfach zurück.
Auch als
Sergio mit dem Geld vom Verkauf der Uhren am nächsten Morgen vor Marias Wohnung
auf ihn wartet, wird er von Vincenzo zurückgewiesen, denn dieser hat eigene
Pläne. Er will einen Geldtransporter überfallen und braucht dafür die Mithilfe
seines alten Kumpels Perrone (Luciano Catenacci), der noch zwei weitere Männer
besorgt. Der Überfall findet wie geplant statt, aber Perrone hatte die Anderen
dazu überredet, „Il gobbo“ dabei zu erschießen, damit die Polizei ihnen nicht
durch den auffällig Verunstalteten auf die Spur kommt. Zwar entkommen sie mit
der Beute, aber Vincenzo Marazzi kann unverletzt durch die Kanalisation
fliehen…
Als
"La banda del gobbo" (Die Kröte) im August 1978 in die italienischen
Kinos kam, war nicht nur die kurze Hochphase des Poliziesco, Mitte der 70er
Jahre, überschritten, auch in Italien hatte nach der Entführung und dem Mord an
dem ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro durch die
"Roten Brigaden" im Frühjahr 1978 eine neue Zeitrechnung begonnen.
Dank neuer Gesetze, die vordergründig der Terrorismus-Bekämpfung galten,
kombiniert mit einem verstärkten Polizeieinsatz, konnte bis 1980 auch die Verbrechensrate
signifikant gesenkt werden. Parallel zu dieser Entwicklung, die das
konservative Lager erheblich stärkte und den Niedergang der kommunistischen
Partei Italiens einläutete, die 1976 ihr bestes Wahlergebnis errungen hatte,
scheiterte auch der "Compromesso storico" (Der historische
Kompromiss) zwischen den Kommunisten und der christlichen Partei Italiens, der
von Enrico Berlinguer und Aldo Moro gegen großen Widerstand ihrer jeweiligen
Partei zur Wahrung der Demokratie ihres Landes angestrebt worden war.
Auf diesen
Kompromiss hatte Tomas Milian schon in "Roma a mano armata" (Die
Viper, 1976) ironisch angespielt, bevor er als "armer" Krimineller
mit einer Maschinengewehrsalve einen "reichen" Hehler niedermähte,
weshalb auch seine anfängliche fatalistische Bemerkung, dass die
"Armen" mit Sicherheit ohne Arsch geboren werden, wenn Scheiße zu
Gold werden würde, als aktueller Kommentar verstanden werden durfte. Das Milian
in seiner letzten Zusammenarbeit mit Regisseur Umberto Lenzi nicht nur auf zwei
Figuren zurückgriff, die er mit ihm während der Hochphase des von Beiden
maßgeblich beeinflussten Genres entwickelt hatte, sondern selbst deren Dialoge
schrieb, verdeutlicht den singulären Status eines Films, der nicht nur in
seinem veränderten Charakter einen Endpunkt darstellte. Für Milian war es der
letzte Einsatz in einem ernsthaften Poliziesco - seine
"Superbullen"-Reihe war längst ins komödiantische Fach gewechselt -
und Lenzi drehte zwar mit "Da Corleone a Brooklyn" (Von Corleone nach
Brooklyn, 1979) noch einen letzten Genre-Vertreter mit Maurizio Merli in der
Hauptrolle, aber mit seinen auf die Situation in Italien unmittelbar
reagierenden Polizeifilmen hatte dieser nur noch wenig gemeinsam.
Wenn es
eines Beweises bedurft hätte, dass Lenzis Polizieschi nicht nur plakative
Action-Filme waren, sondern ein genaues Gespür für die Gegenwart bewiesen –
„Roma a mano armata“ war die Versinnbildlichung der damaligen Massen-Hysterie
in Italien – dann hätte „La banda del gobbo“ diesen angetreten. Anstatt noch einmal
auf die Erfolgsmechanismen der gemeinsamen Filme zurückzugreifen, legten Lenzi
und Milian „La banda del gobbo“ gänzlich anders an, verzichteten auf das
übergeordnete Bild einer von Verbrechen erschütterten Gesellschaft und die
Darstellung expliziter Gewalttaten – nicht mehr die Ausführung, nur noch die
Konsequenzen aus den wenigen Morden werden gezeigt - und konzentrierten sich
auf eine intime Story innerhalb des Gangster-Milieus. Entsprechend langsam ist
der Rhythmus des Films, der nicht mehr von einem Schauplatz zum nächsten jagt,
sondern eine einfache Geschichte erzählt, in deren Fokus die handelnden
Personen stehen. Die wichtigste Konsequenz lag aber in der Veränderung der
beiden von Milian zuvor schon verkörperten Charaktere Sergio „Monnezza“ Marazzi
und Vincenzo „Il gobbo“ Moretti, die hier zu Zwillingsbrüdern werden.
Entscheidend
war dabei nicht die Umbenennung Morettis in Marazzi, sondern das aus dem
buckligen („Il gobbo“) Verbrecher, der in „Roma a mano armata“ noch für
extremen Schrecken sorgte, in „La banda del gobbo“ eine differenzierte, weniger
gewalttätige Persönlichkeit wurde, die trotz ihrer Unberechenbarkeit von Milian
in ihrer durch die Verunstaltung erzeugten Empfindlichkeit und der daraus
entstehenden Reaktion auf ihre Umgebung nachvollziehbar gestaltet wurde. Auch
die Figur des „Monnezza“, der in „Il trucido e lo sbirro“ (Das Schlitzohr und der
Bulle, 1976) erstmals auftrat und Vorbild für Milians Polizisten Nico Giraldi
in der „Superbullen“- Reihe wurde („Squadra antiscippo“ (Der Superbulle und die
Strickmütze, 1976)), wurde leicht differenziert, auch wenn seine vulgäre, laute
Ausdrucksweise und seine äußerlich vorgetragene Naivität typisch für ihn
blieben. Er – von der Gewichtung her die Nebenfigur und für die komischen
Momente zuständig – ist in „La banda del gobbo“ weniger selbstständig, zwar
gerissener als es dem Anschein entspricht, aber seinem 10 Minuten älteren
Bruder, trotz dessen oft wenig freundlichen Umgangsformen, bedingungslos ergeben.
Schon ihre
erste Begegnung lässt diese Konstellation deutlich werden. Vincenzo, der nach
wie vor von der Polizei gesucht wird, kommt nach längerer Abwesenheit mit der
Fähre von Korsika nach Rom zurück. Sein Bruder Sergio, der in einer kleinen
Werkstatt als KFZ-Mechaniker sein Dasein fristet, reagiert hoch erfreut auf ihr
Wiedersehen, begleitet ihn auch sofort zu Roms Straßenstrich, wird dort aber
von Vincenzo zurückgelassen, nachdem dieser sich mit der Prostituierten Maria
(Isa Daniela) auf ein Schäferstündchen in deren Wohnung geeinigt hatte. Als
Vincenzo am nächsten Morgen Marias Wohnung verlässt, wartet Sergio schon mit
viel Geld auf ihn, um trotzdem wieder mit rüden Worten weggeschickt zu werden. Milians
Bearbeitung und Verkörperung dieser beiden Charaktere ist eine erstaunliche
Leistung, da es ihm gelingt, die Verbindung zu den Ursprüngen seiner Figuren zu
wahren, gleichzeitig mit seiner Neuinterpretation den veränderten Zeitgeist
wiederzugeben.
Zwar plant
Vincenzo „Il gobbo“ den Überfall eines Geldtransporters, den er mit seinen
alten Kumpanen um den Autohändler Perrone (Luciano Catenacci) begehen will,
aber danach entwickelt sich der Film in eine unerwartete Richtung. Da sie
glauben, dass die auffällige Figur des Buckligen die Polizei auch auf ihre Spur
bringen könnte, planen die drei Mittäter, ihn während des Überfalls zu
liquidieren. Doch ihr Plan misslingt, denn Vincenzo wird auf Grund der von
ihnen verwendeten Rauchbomben nicht getroffen und kann durch die Kanalisation
auch der Polizei entkommen. Wer glaubt, dass „Il gobbo“ danach von blindwütigen
Rachegedanken beherrscht wird, irrt, denn im Gegenteil geht Vincenzo behutsam
vor und wird von seinen Vertrauten, zu denen neben seinem Bruder inzwischen auch
Maria gehört, bei seiner weiteren Vorgehensweise unterstützt. Seine rüde Art
erweist sich zunehmend als Reflex auf die vielen Verletzungen, die er wegen
seines verunstalteten Aussehens erleiden musste, weshalb es Milian gelingt,
Sympathien für diese tragische Figur zu vermitteln, ohne deren Authentizität
als intelligenten, skrupellosen Verbrecher in Frage zu stellen.
Zum
Höhepunkt wird in „La banda del gobbo“ entsprechend kein Schusswechsel oder
eine Verfolgungsjagd, sondern der Besuch einer Edel-Disco, den Vincenzo Maria
versprochen hatte. Schon dass er sich darauf einließ, beweist seine Verlässlichkeit
gegenüber seinen Freunden, aber das verhindert nicht, dass es zu dem erwarteten
Eklat kommt, als sich die noble Gesellschaft über den Buckligen lustig macht. Tomas
Milian nutzt diese Gelegenheit zu einem großen Auftritt, der ihm die Gelegenheit
gibt, mit der Entwicklung der feinen italienischen Gesellschaft abzurechnen.
Doch anders als noch in „Milano odia: la polizia non può sparare“, als der von
ihm verkörperte Protagonist in einer ähnlichen Situation alle erschoss, hat er
es nicht mehr nötig, so profan gewalttätig zu werden, sondern setzt die
Anwesenden nur noch der Lächerlichkeit aus. Das ruft zwar die Polizei verstärkt
auf den Plan, da Roms Bürgermeister diese Schmach getilgt wissen will, aber
auch deren Vorgehensweise hatte sich verändert. Commissario Sarti (Pino
Colizzi), ein zwar tatkräftiger, aber unauffälliger Vertreter seiner Zunft,
betont, dass auch „Il gobbo“ dieselben Rechte zuständen wie jedem anderen
Verbrecher. Offensichtlich benötigt die Polizei keine Selbstjustiz mehr, sondern
hat andere Möglichkeiten. Sergio, als er versucht sich einem Verhör über seinen
Bruder zu entziehen, landet prompt in der geschlossenen Psychiatrie. Für Milian
als „Monnezza“ natürlich ein gefundenes Fressen.
„La banda
del gobbo“ funktioniert auch ohne die Vorkenntnis der früheren Filme – in
Deutschland erschien er unter dem so degradierenden, wie unpassenden Titel „Die
Kröte“ 1984 als Videopremiere noch vor „Die Viper“ – aber erst durch die
Entwicklung, die Lenzis Polizieschi, beginnend bei „Milano rovente“
(Gangsterkrieg in Mailand, 1973), über den ersten gemeinsamen Film mit Tomas
Milian „Milano odia:la polizia non può sparare“ (Der Berserker, 1974) bis „Il
cinico, l’infame, il violento“ (Die Gewalt bin ich, 1977), parallel zu den
realen Ereignissen in Italien nahmen, wird die Intention in „La banda del
gobbo“ deutlich. Deshalb ist auch die heute weit verbreitete, stets gleiche
Erwartungshaltung an einen Poliziesco, eine Verkennung der so kurzen, wie
ereignisreichen Phase eines Genres, dass heute nicht mehr imitiert werden kann,
da die Darstellung und Wertung von Kriminalität und Justiz in unmittelbarem
Zusammenhang zur damaligen Gegenwart standen. In „La banda del gobbo“ waren die
Wut und Plakativität der früheren Filme einem Fatalismus gewichen, der seinen Protagonisten wenigstens noch ein würdiges Ende gönnte - und damit dem Genre
selbst.
"La banda del gobbo" Italien 1978, Regie: Umberto Lenzi, Drehbuch: Umberto Lenzi, Tomas Milian, Darsteller : Tomas Milian, Pino Colozzi, Isa Danieli, Luciano Catenacci, Nello Pazzafini, Laufzeit : 94 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Umberto Lenzi:
"Kriminal" (1966)
"Paranoia" (1970)
"Milano odia: la polizia non può sparare" (1974)
"Il giustiziere sfida la città" (1975)
"Paranoia" (1970)
"Milano odia: la polizia non può sparare" (1974)
"Il giustiziere sfida la città" (1975)
"Roma a mano armata" (1976)
"Il trucido e lo sbrirro" (1976)
"Incubo sulla città contaminata" (1980)
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