Inhalt:
Während eines Kongresses für Parapsychologie kommt es zu einem Eklat, als das
Medium Helga Ulmann (Masha Méril) spürt, das sich ein Mensch unter den
Besuchern befindet, der schon einmal gemordet hat. Sie kann die Person nicht
identifizieren, aber als sie – stark von dessen Bösartigkeit getroffen – ihren
Vortrag abbricht und nach Hause geht, wird sie verfolgt. Doch in ihrer Wohnung
findet sie keinen Schutz, denn der unbekannte Mörder will nicht riskieren, von
ihr erkannt zu werden.
Der Musiker
Marcus Daly (David Hemmings), der am späten Abend zu seiner Wohnung im Zentrum
Roms unterwegs ist, wo er oberhalb von Helga Ulmann lebt, wird unmittelbar
Zeuge des Verbrechens, als er - auf dem Platz vor dem Gebäude stehend - sieht,
wie der Mörder die junge Frau mit der Fensterglasscheibe tötet. Obwohl er
sofort zu ihr rennt, kann er sie nicht mehr retten, entdeckt aber auch den
Mörder nicht, der sich geschickt in der Wohnung verbirgt. Von oben muss er mit
ansehen, wie sich eine dunkle Gestalt langsam über den leeren Platz entfernt.
Nur sein Freund Carlo (Gabriele Lavia), der in einer nahe gelegenen Nachtbar
als Pianist arbeitet, müsste diese gesehen haben, kann sich aber an keine
Details erinnern.
Daly will
herausfinden, wer der Mörder ist, wird aber nicht nur mit dem Verschwinden
seines Freundes Carlo konfrontiert, sondern mit weiteren Morden…
Im
Gegensatz zu vielen italienischen Filmemachern der von mir betrachteten Epoche,
existieren zu den Werken Dario Argentos schon umfangreiche Texte im Internet.
Erst die Gelegenheit, zwei seiner früheren Werke beim „Cinestrange“ – Festival
in Dresden auf der Kinoleinwand sehen zu können (Neben „Profondo rosso“ noch
„Suspiria“ (1977)), eröffnete mir den Zugang zu seinen Filmen. Entscheidend waren
aber die für mich überraschende persönliche Anwesenheit des Regisseurs und
dessen ausführliche Erläuterungen zu beiden Filmen. Diese bilden die Grundlage zu
meinem Text, der bewusst knapp gehalten ist und sich auf Argentos analytische
Angaben konzentriert, verbunden mit meinen eigenen Eindrücken.
Das
Attribut "profondo" bezeichnet nicht nur die Tiefe der Farbe Rot im
Titel "Profondo rosso", sondern geht im Italienischen darüber hinaus.
Hintergründigkeit und Verinnerlichung verbergen sich hinter dem Rot des Blutes,
dem äußeren Zeichen des Todes - genauer konnte Dario Argento seinen Film nicht
überschreiben. Der deutsche Titel "Rosso - Farbe des Todes" bleibt
dagegen oberflächlich.
Von der ersten Szene an, als der Pianist und Dirigent Marcus Daly (David
Hemmings) sein Orchester freundlich zurecht weist, bevor Argento die Szene zum
Kongress für Parapsychologie wechselt, wo das Medium Helga Ulmann (Macha Méril)
von ihren Erfahrungen spricht, wird die Stilisierung deutlich, die Argento
anstrebt. Mehr Menschen als in dem Theatersaal werden im weiteren Film
innerhalb einer Einstellung nicht mehr zu sehen sein, aber auch in dieser wird
schon spürbar, das die eigentliche Handlung im Hintergrund abläuft - nie
überdeckt Argento die innere Symbolik mit äußerlichem Aktionismus.
Der Ort, an dem Daly zufällig Zeuge des Mordes an Helga Ulmann wird, befindet
sich im Zentrum Turins, ein Platz mit einem wunderschönen Brunnen inmitten
klassischer Bürgerhäuser, aber er wirkt wie eine Theaterkulisse. Seitlich
dieses Platzes befindet sich eine stylische Bar mit einer Glasfassade, aber
Leben wird diesem Ort nicht eingehaucht. Einzig Daly und sein Freund Carlo
(Gabriele Lavia), ebenfalls Pianist, der seine Rolle als Barpianist im Suff
ertränkt, agieren innerhalb dieser Kulisse. Auch Helga Ulmann war allein in
ihre Wohnung zurückgekehrt, nachdem sie die Anwesenheit eines Mörders bei dem
Kongress gespürt hatte und deshalb ihren Vortrag unterbrach. Ihre Wohnung ist
riesig, voller Gemälde und weiterer Kunstgegenstände, aber sie wirkt innerhalb
dieser Fülle schutzlos und einsam, dem Angreifer hilflos ausgeliefert.
Argento hatte David Hemmings nicht nur wegen seiner Rolle in "Blow
up" (1966) als Hauptdarsteller engagiert, indem er ebenfalls Zeuge eines Mordes
wurde, sondern wegen seiner Begeisterung für Michelangelo Antonionis Stil. Mit
diesem verbindet ihn die Begeisterung für die Architektur, die ein bestimmendes
Element in "Profondo rosso" bleibt und erst den Raum für seine
Kreationen schafft - Straßen und Plätze, das Dach mit den Glaseinfassungen, die
Schulbibliothek, die große Villa mit dem geheimnisvollen Zimmer. Immer sind
diese Räume leer, bevölkert nur von den wenigen handelnden Personen, ohne das
es deutlich wird, wer der Mörder ist. Argento nutzt diese Stilmittel für einen
geschickt aufgebauten Giallo, der Daly von einer Spur zur nächsten treibt, nur
um ihn mit weiteren Morden zu konfrontieren, die teilweise mit großer
Brutalität inszeniert werden.
Trotzdem wäre es falsch, "Profondo rosso" auf einen "Who done it
?" - Film zu reduzieren, denn seine eigentliche Spannung zieht er nicht
aus diesem Rätsel, sondern aus den genau inszenierten, klar strukturierten
Szenen, der morbiden Atmosphäre, deren Wirkung stark durch die gezielt
eingesetzte, mal getrieben rhythmische, mal unwirklich klingende Filmmusik beeinflusst wird, und
einer Leere, die nicht nur die äußerliche Situation der Agierenden
widerspiegelt, sondern auch ihre innere Leere verdeutlicht, worin sich wieder
Parallelen zu Antonionis Stil zeigen. Das daraus keine sprichwörtlich
"todernste" Angelegenheit wurde, liegt am Zusammenspiel von Daly und
der Jornalistin Gianna (Daria Nicolodi), die ihn auf der Suche nach dem Mörder
begleitet. Daly ist davon keineswegs begeistert, wodurch sich urkomische
Streitgespräche um das Verhältnis von Mann und Frau ergeben, die auch in
schwierigen Situationen nicht enden.
Dario Argento beabsichtigte damit keineswegs eine gezielt witzige Auflockerung,
sondern ließ seinen Protagonisten den Freiraum für ihre Diskussionen, die trotz
ihrer Komik nie wie ein Bruch innerhalb der Handlung wirken. Im Gegenteil
entstand durch diese Lebendigkeit erst das Gleichgewicht zwischen der
tiefgründigen Ästhetik, der akustischen Effekte und der mörderischen Handlung,
der "Profondo rosso" zu einem stilbildenden Giallo werden ließ.
"Profondo rosso" Italien, Spanien 1975, Regie: Dario Argento, Drehbuch: Dario Argento, Bernadino Zapponi, Darsteller : David Hemmings, Daria Nicolodi, Gabriele Lavia, Macha Méril, Clara Calamai, Laufzeit : 127 Minuten
Der Film spielt nicht in Rom, sondern in Turin. Auf dem Piazza C.L.N. wurde die Szene gedreht als Daly seinen Freund Carlo am Brunnen trifft. Die Bar in der Nähe des Platzes ähnelt dem Bild von Edward Hopper "Nighthawks" sehr. Die Bilder in der Wohnung des Mediums scheint eine Obsession in Bezug auf Munchs Gemälde "Der Schrei" entwickelt zu haben. Argento war immer sehr an den schönen Künsten interessiert. Der Stil seiner Filme wurde leider auch häufig über den Sinn der Handlung gestellt. Trotz allem ist profondo Rosso ein sehr guter Film.
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