Dienstag, 12. April 2016

Tre pistole contro Cesare (Drei Pistolen gegen Cesare) 1967 Enzo Peri

Inhalt: Als seine vier Gegner nach einem verlorenen Kartenspiel ihre Revolver ziehen, weiß sich Whity Selby (Thomas Hunter) zu helfen – mit seinem vierläufigen Colt benötigt er nur einen Schuss. Zwar handelte er aus Notwehr, aber der Sheriff weist den Revolverhelden aus der Stadt. Kein Problem, denn Selby wollte sowieso gehen. Gerade hatte er erfahren, dass er von seinem ihm unbekannten Vater eine Goldmine geerbt hatte. Im Zielort angekommen, kann er sich im Saloon noch am Auftritt von Mady (Delia Boccardo) erfreuen, bevor ihn acht schwarz gekleidete Männern wenig freundlich in Empfang nehmen. Auf seinem Weg zur väterlichen Goldmine können auch sie ihn nicht aufhalten.

Erst im Bergwerk trifft er auf Widerstand, denn zwei Männer machen ihm die Mine streitig und es kommt zu einer wilden Prügelei. Zwischen Halbbrüdern, wie sich dank des alten Stanford (Vittorio Bonos) bald herausstellt, einem Freund des vor 10 Jahren verstorbenen Vaters. Etienne Devereaux (Nadir Moretti), Lester Kato (James Shigeta) und Selbys haben die Mine zu gleichen Teilen geerbt, aber das hilft ihnen nur wenig. Der Sheriff nimmt sie fest, weil die Mine inzwischen dem skrupellosen Großgrundbesitzer Julius Cäsar Fuller (Enrico Maria Salerno) gehören soll, und schmeißt sie ins Gefängnis…


Rückblick auf das italienische Genre-Filmfestival "Terza visione 3" vom 01.04. bis 03.04.2016

Ein Ausflug ins Western-Genre leitete den dritten Tag des Festivals ein und sorgte nicht nur für heiter-erwartungsvolle Stimmung, sondern auch für ein visuelles Erlebnis. Die 35mm Kopie tröstete mit ihren wundervollen Farben und klaren Konturen über die Schnitte in der deutschen Kino-Fassung hinweg, die den Erfindungsreichtum der Macher im Nachhinein einschränkten. Der Gesamtwirkung des Films konnte das glücklicherweise nicht viel anhaben. Trotzdem widme ich mein erstes Bild der schmählich entfernten Femi Benussi beim lasziven Tanz.


Es gehört zu den Mythen des Italo-Western, dass seine Spätphase ab den 70er Jahren zunehmend von humorvollen Werken dominiert wurde. Genauso gilt der Umkehrschluss, in der Hochphase von 1966 bis 1968 wäre es nur "Django-like“ dreckig, unbarmherzig und gewalttätig zugegangen - komödiantisch angelegte Italo-Western dieser Phase sorgen meist für Überraschung. Ein Eindruck, der noch durch die deutsche Verleih-Praxis gefördert wurde. Eine Western-Komödie wie "Due rrringos nel Texas" (1967), in dem das Komiker-Duo Franco Franchi / Ciccio Ingrassio die Klischees ironisch kommentierte, kam unter dem Titel "Zwei Trottel gegen Django" erst 1970 in die deutschen Kinos, ihr zuvor schon auf den Hype reagierender "I due figli di Ringo" (1966) blieb hierzulande unveröffentlicht.

"Sugar Colt" (Rocco, der Mann mit den zwei Gesichtern, 1966), der komödiantische und ernsthafte Elemente miteinander verband, erlebte ebenso eine um Jahre verspätete Vermarktung wie "Tre pistole contro Cesare" (Drei Pistolen gegen Cesare, 1967). Trotzdem wurden einige absurde, weniger Western-affin wirkende Elemente noch aus der deutschen Fassung herausgeschnitten. Dabei ist der Film ein wunderbares Abbild einer Zeit, in der nahezu grenzenlose Freiheit für die Filmemacher herrschte. Allein in den Monaten Februar und März 1967 kamen neben "Tre pistole contro Cesare" 15 weitere Italo-Western in die italienischen Kinos, im gesamten Jahr waren es 67 - eine Dichte, wie sie kein anderes Genre über einen so langen Zeitraum erreichte. Das lässt nicht nur auf eine große Nachfrage und sichere Einnahmen schließen, sondern erforderte immense Ressourcen an Fachkräften. Das Beispiel von Enzo Peri, der hier neben dem Dokumentarfilm "Il piacere e il mistero" (1964) seine einzige Regie-Arbeit ablieferte, war keine Ausnahme.

Ihm zur Seite gesellte sich der erfahrene Autor Piero Regnoli, der kurz zuvor das Drehbuch zu Carlo Lizzanis "Un fiume di dollari" (Eine Flut von Dollars Blut, 1966) verfasst hatte, an dem auch Thomas Hunter in seiner ersten Hauptrolle beteiligt war, bevor er hier erneut als Pistolero besetzt wurde. Doch damit endeten schon die Parallelen zur gängigen Western-Ware, denn die Macher nutzten ihren Freiraum für eine eigenständige Interpretation. Besitzt Whity Selby (Thomas Hunter) äußerlich noch das Zeug zum typischen Westernhelden, verstieß er schon in der ersten Szene gegen eherne Regeln. Eine Übermacht von 4 zu 1 erledigten Revolverschützen normalerweise aus dem linken Hüftgürtel, hier benutzt Selby einen vierläufigen Colt. Ein Trick, der die Linie eines Films vorgab, der fantastische Elemente und ungewöhnliche Charaktere mit klassischen Western-Szenarien mischte.

Die beiden Männer, die Selby gleichwertig zur Seite gestellt wurden und sich bald als seine Halbbrüder herausstellen, gehörten normalerweise in die Riege der Unikate, wenn sie nicht als Feindbild dienten. Etienne Devereaux (Nadir Moretti) – den Namen verdankt er seiner französischen Mutter – legt Wert auf gepflegte Kleidung und hält sich für unwiderstehlich. Seine erste Szene, nachdem er ein paar Vergewaltiger außer Gefecht gesetzt hatte, endete folgerichtig mit einem Kuss der Geretteten. Lester Kato (James Shigeta), halb japanisch, halb-amerikanisch, sieht sich rassistischen Verunglimpfungen ausgesetzt, weiß sich aber mittels asiatischer Kampftechnik zu wehren. Eine frühe Vorwegnahme der Western-Eastern-Komödien der 70er Jahre, als in Filmen wie „Il mio nome è Shanghai Joe“ (Der Mann mit der Kugelpeitsche, 1972) Kung-Fu-Kämpfer den Westen aufmischten.

Ungewöhnlich groß war auch der Anteil an tragenden weiblichen Rollen. Die damals 19jährige Delia Boccardo startete in „Tre pistole contro Cesare“ ihre erfolgreiche Karriere und bewies neben viel Selbstbewusstsein ihr Gesangs-Talent bei zwei Saloon-Auftritten. Gianna Serra, zuvor ebenfalls an "Un fiume di dollari" beteiligt, spielte eine geheimnisvolle Retterin und Femi Benussi trat als tanzende Haremsdame auf. Ein Passus, der leider für die deutsche Fassung herausgeschnitten wurde und zum eigentlichen Glanzstück des Films überleitet. Enrico Maria Salerno, prominentester Darsteller am Set gab hier seine erste von drei Genre-Rollen, will man überhaupt von einem Western-Charakter reden. Er nennt sich nicht nur „Julius Cäsar“, sondern betrachtet sich als legitimen Nachfolger des römischen Imperators, aus dessen Schriften er sich vorlesen lässt. Sein oberhalb einer Klippe gelegenes und nur mit einem Aufzug erreichbares Refugium mit römischer Therme verlässt er fast nie, sondern überlasst die Dreckarbeit seinem Adjutanten Bronson (Umberto D‘Orsi), dessen weißer Anzug über seine innere Haltung hinwegtäuscht.


Dagegen wirkt die Anlage der Story eher konventionell. Drei Männer erben parallel eine Goldmine von ihrem unbekannten Vater, um zu erfahren, dass dort angeblich nichts zu holen ist. Stellt sich nur die Frage, warum Julius Cäsar jedes Mittel Recht ist, in deren Besitz zu gelangen? – Zwar birgt die Dramaturgie einige Überraschungen, aber entscheidend sind die vielen innovativen bis absurden Details, mit denen „Tre pistole contro Cesare“ aufwarten konnte. Anders als die Komiker Fanco Franchi / Ciccio Ingrassio oder viele Western-Komödien der 70er Jahre machten sich Peri und Autor Regnoli damit nicht über ausgelatschte Western-Klischees lustig, sondern bereicherten das Genre mit ihren originellen Ideen. Trotz Julius Cäsar Attitüde verfiel Enrico Maria Salerno nicht ins Lächerliche und ließ an seiner Gefährlichkeit keinen Zweifel aufkommen. Auch das Zusammenspiel der drei ungleichen Halbbrüder kam ohne klischeehafte Anspielungen aus - unter der unterhaltsamen Leichtigkeit blieb immer die Ernsthaftigkeit des Western spürbar.

"Tre pistole contro Cesare" Italien 1967, Regie: Enzo Peri, Drehbuch: Enzo Peri, Piero Regnoli, Darsteller : Thomas Hunter, Enrico Maria Salerno, Umberto D'Orsi, James Shigeta, Nadir Moretti, Delia Boccardo, Femi Benussi, Gianna Serra, Laufzeit : 82 Minuten

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