Inhalt: Der Journalist Paolo Sartori (Robert Hoffmann) liegt
angezogen und verkatert auf seinem Bett, als plötzlich zwei Männer in sein
Appartement in Los Angeles eindringen. Sie halten sich nicht lang mit Reden
auf, sondern versuchen aus ihm heraus zu prügeln, wo sich „Lambert, the Smile“
befindet. Sartori ahnt nicht, dass damit sein alter Freund aus Italien, Giulio
Lamberti (Roger Fritz), gemeint ist, den er schon seit Jahren nicht mehr
gesehen hat, der aber plötzlich auf seiner Terrasse steht, nachdem die beiden
Schläger wieder verschwunden sind.
In Erinnerung an den am 02.06.2015 verstorbenen Regisseur und Drehbuchautor Alberto De Martino
Einen Film als "Kind seiner Zeit" zu
klassifizieren, ist schnell dahin geschrieben, sobald Machart und Thema typisch
für eine Stilepoche erscheinen. Und der Erotik-Thriller "Femmine
insaziabili" (wörtlich "Unersättliche Frauen" - neutraler in der
deutschen Verleih-Version "Mord im schwarzen Cadillac" oder schlicht
"Exzess") weist so offensichtlich auf die späten 60er Jahre hin -
Giallo-Anklänge, weibliche Promiskuität mit viel nackter Haut und ein generell zynischer
Blick auf den menschlichen Charakter - dass ein solches Urteil schnell gefällt
ist. Begleitet von dem Song "I want it all" aus der Feder Bruno
Nicolais beginnt die Zeitreise von der ersten Einstellung an und lässt den
Betrachter bis zum "Showdown" in den teils futuristisch anmutenden
Anlagen des "Marineland of the Pacific" bei Los Angeles nicht mehr
los, das schon seit 1987 geschlossen ist.
Ein Urteil, das prinzipiell für das Gesamtwerk des
Regisseurs Alberto De Martino gilt, der am 02.06.2015 kurz vor der Vollendung
seines 86. Lebensjahrs in seinem Geburtsort Rom verstarb. Positiv betrachtet befand
er sich immer am „Puls der Zeit“ und durchlief seit seinem Karrierebeginn alle
populären Genre-Spielarten. Die erste Regie-Arbeit des schon als Kind eines
Maskenbildners am Set in „Cine città“ mitwirkenden De Martino fiel noch in die
Phase der Sandalen Filme („Il gladiatore invincibile“ (Der unbesiegbare
Gladiator, 1961)), aber auch Western („Due contra tutti“ (1962)) und Horror
(„Horror“, 1963) fanden schon früh sein Interesse. Mitte der 60er Jahre folgten
weitere Italo-Western, Agenten-Filme im Zuge des James-Bond-Hypes („Upperseven,
l'uomo da uccidere“ (Der Mann mit den tausend Masken, 1966)) und Kriegs-Filme
(„Dalle Ardenne all'inferno“ (...und morgen fahrt ihr zur Hölle, 1967)),
größtenteils mit Beteiligung deutscher Produktionsgelder und Darsteller, was
auch die Zusammenarbeit mit Produzent Hans A. Pflüger in „Femmine insaziabili“
folgerichtig erscheinen lässt, der zuvor die populäre deutsch-italienische „Kommissar
X“-Reihe auf Basis der Roman-Hefte des Pabel-Verlags mit produziert hatte.
Die Auflistung dieser am Publikumsgeschmack orientierten
Kinofilme verweist gleichzeitig auf den negativen Aspekt im Urteil über den
jeweils auch am Drehbuch beteiligten Regisseur De Martino – ihm wurde
bestenfalls die Qualität eines soliden Unterhaltungsfilm-Machers zugestanden. Darüber
hinaus gehende Ehrungen und offizielle Anerkennungen blieben aus. Doch De
Martino allein auf einen guten Film-Handwerker zu reduzieren, lässt dessen
Gespür für Themen übersehen, die er häufig umsetzte, bevor sie in Mode kamen. Sein
„Roma come Chicago“ (Mord auf der Via Veneto) entstand 1968 unmittelbar nach
Carlo Lizzanis „Banditi a Milano“ (Die Banditen von Mailand, 1968), jeweils in
Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor Massimo De Rita. Beide Filme gelten heute
als Auslöser für das in den 70er Jahren populäre „Poliziesco“ – Genre. Alberto De
Martino hielt sich damit aber nicht auf, sondern entwickelte seine Stoffe
weiter, wie „Femmine insaziabili“ anschaulich werden lässt, der größtenteils in
den USA entstand mit vielen illustren Darstellerinnen – darunter Bond Girl
Luciana Paluzzi, Nicoletta Machiavelli , die damals 17jährige Romina Power und
nicht zuletzt „Femme fatale“ Dorothy Malone („The tarnished angels“ (Duell in
den Wolken, 1957)).
Unterstützt von Erotik-Sternchen Ini Assmann, die im selben
Jahr auch „Pudelnackt in Oberbayern“ (1969) war, zeigte De Martino viel nackte
Haut in seinem Film - neben kleineren Gewalt-Szenen verantwortlich für die erheblich
gekürzte deutsche Kino-Fassung. Dabei waren Nacktaufnahmen 1970, als „Femmine
insaziabili“ in Deutschland herauskam, nicht mehr unüblich, aber De Martino
integrierte diese in eine Story, in der Sex fast ausschließlich der
Machtausübung und Erniedrigung dient. Die Kriminalstory über die Wiederbegegnung
zweier alter Freunde, von denen der Eine bei einem angeblichen Unfall stirbt,
kurz bevor er über die inneren Mechanismen bei einem Chemie-Riesen, dem er als
Werbefigur diente, auspacken wollte, gibt nur den Rahmen ab für die Zerstörung
einer Illusion. Je mehr der Journalist Paolo Sartori (Robert Hoffmann) über das
Leben seines alten Freunds Giulio Lamberti (Roger Fritz) erfährt, desto mehr
offenbaren sich die menschlichen Abgründe dahinter.
Besonders die Szenen mit Romina Power als hintertriebener
Teenager-Tochter Gloria verweisen auf die Kehrseiten der angeblichen neuen
Freiheiten. Weniger ihr Sex mit Lamberti vor den Augen ihrer Mutter (Dorothy
Malone), mehr noch ihre Spielchen mit Sartori und den zwei männlichen Anhaltern
beeindrucken in ihrer unterschwelligen Aggression. Trotzdem weckte der Filmtitel
falsche Erwartungen und sollte vor allem die Werbewirksamkeit erhöhen, denn die
Männer stehen in De Martinos Film den Frauen in nichts nach. Roger Fritz überzeugte mit der Verkörperung einer so charmanten, wie egozentrischen Figur, die im
Überangebot aus Luxus und sexueller Freiheit jeden moralischen Halt verliert. Die
Parallelen zu seinem eigenen wenig später entstandenen Film „Mädchen mit Gewalt“
(1970) lassen sich sowohl in der Fokussierung auf die sich verändernden
Geschlechterrollen, als auch in dem fatalistischen Ende nicht übersehen.
Dass „Femmine insaziabili“ den Zeitgeist Ende der 60er Jahre
widerspiegelte, ist offensichtlich, aber Alberto De Martino blieb nicht an der
stylischen Oberfläche, sondern verband verschiedene Strömungen zu einem Gesamtbild,
dass seiner Zeit voraus war. Sein Film ist weder „Giallo“, noch „Hitchcock“-Epigone
oder Erotikfilm, obwohl Elemente davon im Film zu entdecken sind, sondern eine
komplexe Zustandsbeschreibung einer korrumpierten Sozialisation. Zu einem
Zeitpunkt, als Studentenproteste und sexuelle Revolution noch den Aufbruch in
eine neue Zukunft versprachen, setzte De Martino mit seinem Film schon zu einem
Abgesang auf die propagierten Ideale an.
"Femmine insaziabili" Italien, Deutschland 1969, Regie: Alberto De Martino, Drehbuch: Alberto De Martino, Vincenzo Flamini, Lianella Carell, Carlo Romano, Darsteller : Robert Hoffmann, Dorothy Malone, Roger Fritz, Romina Power, Frank Wolff, Luciana Paluzzi, John Ireland, Reiner Basedow, Ini Assmann, Laufzeit : 103 Minuten
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen