Inhalt: Emanuelle (Laura Gemser) schmuggelt sich als
Fotoreporterin in eine New Yorker Heilanstalt, mischt sich unter die Patienten
und wird zufällig Zeugin, als eine junge Frau einer Krankenschwester die
Brustwarze abbeißt und sie isst. Nachdem diese überwältigt und auf einer Liege
festgeschnallt wurde, begibt sich Emanuelle heimlich in deren Zimmer und versucht
sie mit Zärtlichkeiten zu beruhigen. Dabei entdeckt sie oberhalb der Vagina ein
Tattoo, dass sie fotografiert.
In der Zeitungs-Redaktion gibt ihr der Chefredakteur den
Tipp, den Anthropologen Marc Lester (Gabriele Tinti) aufzusuchen, um ihn nach
der Bedeutung des Tattoos zu befragen. Der Professor reagiert sehr interessiert,
denn es handelt sich um das Kennzeichen eines im Amazonas-Gebiet, weitab jeder
Zivilisation lebenden Kannibalen-Stamms, bei dem die Frau aufgewachsen sein
muss. Um seine Worte zu unterstreichen, zeigt er Emanuelle einen
Dokumentarfilm, der deren Grausamkeit verdeutlicht. Trotzdem will die
Fotoreporterin den Weg in die unbekannte Wildnis wagen und bittet den
Professor, sie zu begleiten…
Gesteigerte Fleischeslust
Zärtlicher Abschied von New York |
1977 hatte die Soft-Sex-Welle ihren Höhepunkt bereits
überschritten. Unter dem vielsagenden Titel "Emmanuelle goodbye" kam
der dritte und vorläufig letzte Teil der französischen "Emmanuelle" -
Reihe in die Kinos, die seit ihrem Erscheinen 1974 zu einem bis heute stehenden
Begriff für das Erotik-Film-Genre geworden war. Auch die
indonesisch-niederländisch stämmige Laura Gemser hatte 1977 schon ihren vierten
Film als "Emanuelle nera" (Schwarze Emanuelle) abgedreht, dem
italienischen Pendant zur französischen "Emmanuelle", das aus
rechtlichen Gründen auf ein "m" im Namen verzichten musste. Nicht der
einzige Unterschied, denn Laura Gemser, die nach ihrem ersten Auftritt als
"Emanuelle nera" (1975) auch eine Nebenrolle in "Emmanuelle:
L'antivierge" (Emmanuelle 2 - Garten der Liebe (1975)) an der Seite Sylvia
Kristels spielte, verkörperte einen gänzlich anderen Frauen-Typus. Als
eigenständig agierende Fotoreporterin begibt sie sich zu den Brennpunkten der
Welt.
Wie üblich haben es die wilden Tiere besonders auf Frauen abgesehen... |
Eine Vorlage für Joe D'Amato, der ab der ersten Fortsetzung
"Emanuelle nera: Orient reportage" (Black Emanuelle 2. Teil (1976))
Regie führte und spätestens mit der Übernahme auch des Drehbuchs bei Teil Vier
("Emanuelle - Perché violenza alle donne?" (Emanuela: Alle Lüste
dieser Welt (1977)) die Reihe ganz in seinem Sinn gestaltete. Nicht nur, dass
er ohne Laura Gemsers Mitwirkung mit nachträglich integrierten expliziten
Sex-Szenen für alternative Fassungen sorgte, um der zunehmend aufkommenden Konkurrenz durch den Pornofilm zu begegnen,
thematisch wusste er geschickt Exploitation mit Erotik zu einem
Sensationsversprechen zu verbinden. Zwar steht seine Orientierung an Ruggero
Deodatos "Ultimo mondo cannibale" (Mondo Cannibale 2 - der
Vogelmensch, 1977) bei der Entwicklung seiner Story für den fünften
"Emanuelle"-Streifen "Emanuelle e gli ultimi cannibali"
(Nackt unter Kannibalen) außer Zweifel, aber das betraf mehr dessen
wirtschaftlichen Erfolg und damit die Akzeptanz beim Publikum als die
inhaltliche Ausrichtung. Schon in "Emanuelle e Françoise (Le
sorelline)" (Foltergarten der Sinnlichkeit, 1975), der nichts mit der
"Emanuelle nera"-Reihe zu tun hat, schuf Joe D’Amato eine Mischung aus Sex und
Horror, die in einer Szene auch die Kannibalismus-Thematik streifte.
... die sich davon aber nicht die Laune verderben lassen. |
Für D’Amato besaß diese vor allem das Potential, den
exploitiven Charakter seiner „Emanuelle“-Filme weiter zu steigern, deren Einfluss
durch das „Mondo“-Genre in der Verwendung pseudo-dokumentarischer Gewalt- und
Tötungssequenzen nicht zu übersehen war. In dieser Hinsicht lässt sich eine
größere Nähe zu Umberto Lenzis „Il paese del sessio selvaggio“ (Mondo
Cannibale, 1972) als zu Deodatos erstem Kannibalen-Film feststellen, denn
D’Amato war an keiner Auseinandersetzung mit archaischen menschlichen Verhaltensmustern
interessiert, sondern nutzte die Ereignisse um den Kannibalen-Stamm als oberflächlich-spekulativen
Hintergrund für den nächsten investigativen Trip seiner Hauptfigur Emanuelle.
Anders als Lenzi, dessen Sex-Szenen integrativer Bestandteil der Handlung
blieben, inszenierte D’Amato die gut ausgeleuchteten Erotikszenen im Dschungel in
starkem Kontrast zum gewalttätigen Kannibalismus-Geschehen und bewies damit
einen eigenständigen Ansatz, weshalb die häufige Einordnung dieses zweiten
italienischen Kannibalismus-Films als reines Deodato-Vehikel falsch ist („Das italienische Kino frisst sich selbst“).
Kastrationsängste
Allein die Anzahl schöner Frauen, die D’Amato in den
Dschungel trieb, unterschied seinen Film schon von gängiger Genre-Ware. Gehörte
in der Regel eine Frau zum Abenteurer-Team, schlagen sich neben Emanuelle noch
Isabelle (Mónica Zanchi), die Nonne Angela (Annamaria Clementi) und nicht
zuletzt Nieves Navarro - seit dem frühen Italo-Western “Una pistola per Ringo“
(Eine Pistole für Ringo, 1965) in der Rolle als verführerische Schönheit
festgelegt - als Maggie McKenzie, Gattin eines fiesen Großwildjägers (Donald
O’Brien), durch den Regenwald, der seine Herkunft als europäisches Strauchwerk
nicht verbergen kann. D’Amato nutzte diese Besetzung für regelmäßige
Soft-Sex-Szenen, die die sonst schnell geschnittene Handlung minutenlang
unterbrachen. Besonders die gemeinsame Badeszene mit Laura Gemser und Mónica
Zanchi wirkt in ihrer verspielt-sanften Ausgestaltung inmitten der angeblichen Wildnis
fast absurd, erfüllte aber trefflich die ästhetische Erwartungshaltung an eine
Lesben-Szene, die den männlichen Betrachter an den sonst heterosexuellen
Neigungen der Protagonistinnen nicht zweifeln ließ.
Auch die emanzipatorische Ausrichtung der selbstständig
agierenden Emanuelle wurde relativiert, indem ihr eine souveräne männliche
Figur zur Seite gestellt wurde. Erst Professor Marc Lester (Gabriele Tinti) ermöglicht
ihr den Trip zum Amazonas, denn der Anthropologe erkennt in dem Tattoo, das
Emanuelle auf dem Körper einer scheinbar Wahnsinnigen vorfand, eine Verbindung
zu einem dort lebenden Kannibalenstamm – nicht erstaunlich, dass sie sofort vom
Sex mit ihm träumt. Die Fotoreporterin hatte sich zuvor undercover in eine New
Yorker Heilanstalt eingeschlichen und wurde Zeuge, wie die junge Patientin
einer Schwester die Brustwarze abbiss und verspeiste. Eine sehr gewagte
Einleitung in Richtung Kannibalismus-Thematik, die der Professor nur wenig
später mit seinen pseudo-dokumentarischen Aufnahmen einer Kastration noch
toppt. Beide Motive wiederholen sich im Lauf der Handlung ein weiteres Mal in
expliziterer Form, womit D’Amato den größtmöglichen Horror betonte – den
Verlust der geschlechtsspezifischen Identität.
Allein unter inszenatorischen Gesichtspunkten betrachtet,
lassen sich die Schwachpunkte in der Storyentwicklung, die oberflächliche
Figuren-Gestaltung und der unausgewogene Charakter des Films nicht übersehen,
aber mit dessen ständig zwischen Soft-Sex und Kannibalen-Horror wechselnder
Handlung bewies D’Amato sein Einfühlungsvermögen für die Bedürfnisse und Ängste
männlicher Betrachter, angesichts der fortschreitenden weiblichen Emanzipation,
Ende der 70er Jahre. "Emanuelle e gli ultimi cannibali" kontrastierte
den Schrecken amputierter Penisse und zerstörter weiblicher Körper mit
ästhetischen Aufnahmen schöner Frauen, die sich letztlich dem Mann unterordnen.
Als am Ende des Films Emanuelle, angesichts der vielen Opfer, Selbstzweifel
über ihr Vorgehen als Fotoreporterin äußert, erhält sie von Professor Marc
Lester sofort Absolution – die Welt ist noch in Ordnung.
"Emanuelle e gli ultimi cannibali" Italien 1977, Regie: Joe D'Amato, Drehbuch: Joe D'Amato, Romano Scandariato, Darsteller : Laura Gemser, Gabriele Tinti, Donald O'Brien, Nieves Navarro, Mónica Zanchi, Laufzeit : 90 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Joe D'Amato: