Inhalt: Als
im Hafengebiet Genuas nachts ein Mann auf ein Auto zutritt, um mit dessen
Fahrer zu sprechen, wird er plötzlich von hinten niedergeschlagen. Brutal
treten mehrere Männer unter den Augen ihres Anführers (John Steiner) auf den am
Boden liegenden Mann ein, bevor sie den leblosen Körper für alle sichtbar an
den Haken eines Verladekrans hängen und hochziehen.
Dass es sich dabei um eine Warnung handeln soll, ist Nicola Sironi (Enrico
Maria Salerno), dem verantwortlichen Ermittler, sofort klar, weshalb es sich
als äußerst schwierig herausstellt, einen Zeugen zu finden. Doch Sironi lässt
sich davon nicht abschrecken, übt selber Druck aus und erhält so den Namen von
Scalesi, einem stadtbekannten Gangsterboss, der den Markt am Hafen
kontrollieren soll. Um seinen Informanten zu decken, täuscht er vor, ein zum
Syndikat gehörender Anwalt hätte etwas ausgeplaudert. Kurz darauf wird dieser
ermordet, während parallel Demonstrationen stattfinden, in denen gefordert
wird, dass die Polizei dem Bürger dienen soll. Auch Sironis Sohn Michele (Alessandro
Momo) beteiligt sich daran…
Enrico
Maria Salerno, Held des Polizeifilms
Sobald vom
Polizieschi der 70er Jahre die Rede ist, wird reflexartig der Name Maurizio
Merli genannt, als prototypischer Darsteller des eisenharten Strafverfolgers,
der die Verbrecher mit deren eigenen Methoden bekämpfte und auch vor
Selbstjustiz nicht zurückschreckte. Auch Tomas Milian und Franco Nero kommen
noch zur Sprache, die jeweils den Ermittler in den frühen Genre-Beiträgen
"Banditi a Milano" (1968) und "Un detective" (1969)
spielten, sich während der Hochphase in den 70er Jahren aber ähnlich wie Henry
Silva auf unterschiedlichen Seiten verdingten, etwa als Gesetzloser (Milian in
"Roma a mano armata" (Die Viper, 1976)) oder als Bürger (Nero in
"Il cittadino si ribella" (Ein Mann schägt zurück, 1974).
Selten
Erwähnung finden hingegen die drei Darsteller, die das Polizieschi Genre in den
ersten Jahren maßgeblich beeinflussten und einem Maurizio Merli, der 1975 in
"Roma violenta" (Verdammte heilige Stadt) zum ersten Mal als
Commissario auftrat, den Weg bereiteten: Luc Merenda ("Milano trema: la polizia vuole giustizia" 1973), Claudio Cassinelli ("La polizia chiede aiuto" (Der Tod trägt schwarzes Leder, 1974) und - an erster Stelle
zu nennen - Enrico Maria Salerno der von 1972 bis 1975 in sieben Filmen des
Genres als führender Ermittler auftrat und in zwei weiteren Polizeifilmen
Nebenrollen spielte. Ein Pensum, für das Maurizio Merli sechs Jahre von 1975
bis 1980 benötigte. Im Gegensatz zu den von Merli und Luc Merenda verkörperten
aktionistischen "Law and Order" -Typen und dem intellektuellen
Cassinelli, vertrat Salerno (Jahrgang 1926) die Generation des erfahrenen
Polizeioffiziers und übernahm damit eine wichtige Funktion hinsichtlich der
Akzeptanz eines Genres, dessen Wurzeln im Italo-Western und Giallo, aber auch
im politischen Film zu finden sind.
Die
Parallelen in der gesellschaftskritischen Relevanz zwischen Damiano Damianis
"Confessione di un commissario di polizia al procutatore della reppublica"
(Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauerte, 1971) und Salernos erstem
Auftritt als Commissario in "La polizia ringrazia" (Das Syndikat,
1972) sind ebenso offensichtlich, wie die Seriosität der Ermittler. Enrico
Maria Salerno gelang es, Zuverlässigkeit und Anstand inmitten einer
Gesellschaft auszustrahlen, die zwischen Protesten, Streiks, einer steigenden
Kriminalitätsrate und mächtigen Verbrecherbossen aus den Fugen zu geraten
drohte. Die Wahl der polizeilichen Mittel war entsprechend das zentrale Thema
in "La polizia ringrazia" und blieb es auch in Salernos folgenden
Filmen "La polizia sta a guardare" (Der unerbittliche Vollstrecker,
1973) und "La polizia è al servizio
del cittadino?" (Auf verlorenem Posten, 1973). Der ebenfalls 1973 erschienene
"No il caso è felicemente risolto" (Betrachten wir die Angelegenheit
als abgeschlossen), in dem Salerno einen Journalisten spielte, variierte die
Thematik aus einem anderen Blickwinkel.
Auf
verlorenem Posten
Die
wörtliche Übersetzung des Filmititels "Steht die Polizei im Dienst ihrer
Bürger?" traf mitten ins Mark der damaligen Diskussion, aber Regisseur
Romolo Guerrieris zweiter Poliziesco, mit dem er den Faden seines "Un detective" wieder aufnahm, wird auch der deutsche Titel "Auf
verlorenem Posten" gerecht, denn dieser bezeichnet exakt die Situation, in
der sich Commissario Nicola Sironi (Enrico Maria Salerno) befindet. An dem im
italienischen Film, Anfang der 70er Jahre, wiederholt gezeigten Motiv einer
inhaftierten Gruppe von Studenten, die ihren Protest in der Zelle fortsetzen
(siehe beispielsweise "Indagine su un cittadino al di sopra di ognisospetto" (Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger, 1970)),
wird auch der private Druck verdeutlicht, unter dem er steht. Anders als seine
jüngeren "Polizieschi" - Kollegen hat er einen erwachsenen Sohn – hier
von dem leider viel zu früh verstorbenen Alessandro Momo ("Malizia"
1973) gespielt - der seinen bürgerlichen Vater und dessen Staats-Job
verabscheut. Auch seine Frau hat sich schon von ihm getrennt.
Sein
einziger Freund ist sein Kollege Marino (Giuseppe Pambieri), mit dem er in
einer Mordserie ermittelt, die mit einem im Hafen Genuas an einem Kran
aufgehängten Mann beginnt, der in der Nacht zuvor brutal ermordet wurde. Er war
an ein Fahrzeug getreten, um ein Gespräch mit dem einflussreichen Geschäftsmann
Scalesi zu beginnen, aber dazu kam es nicht - mehrere Männer schlagen ihn unter
den Augen ihres Anführers Lambro (John Steiner) zusammen. Die Story ist eng mit
der Situation Genuas verzahnt und weist nur wenige, aber sehr konsequent
umgesetzte Gewaltszenen auf. Im Mittelpunkt stehen die mafiösen Strukturen in
der Hafenstadt, in der den Händlern der am Hafen gelegenen Markthalle
übertriebene Ankaufspreise aufgezwungen werden, die sie an ihre Kunden
weitergeben müssen.
Sironis
Versuch, an die Hintermänner heranzukommen, gerät zunehmend in die Grauzone
korrekter Strafverfolgung. Als er, um einen seiner Informanten zu schützen,
vortäuscht, ein mit dem Syndikat zusammenarbeitender Anwalt hätte ihm Interna
verraten, wird dieser kurz darauf ermordet aufgefunden. Wie verzweifelt sich
Sironis Bemühungen entwickeln, lässt die Rolle John Steiners deutlich werden,
der als Killer immer im Hintergrund bleibt. Steiner agiert nur und sagt im Film
kaum ein Wort, denn seine Figur bleibt unantastbar. Stattdessen gerät Sironi in
einen Strudel aus Polizei-Korruption, medialen Druck und dem bestens
vernetzten, einen guten Ruf genießenden Unternehmer Brera (Daniel Gélin),
dessen Verantwortung an den Morden nicht nachweisbar scheint.
Die Gene
der Handlung lassen sich auf die früheren Drehbücher Massimo De
Ritas zurückführen, der schon "Banditi a Milano" schrieb und den
Stil des Poliziesco über Sergio Sollimas "Città violenta" (Brutale
Stadt, 1970) und Damianis "L'istruttoria è chiusa: dimentichi" (Das
Verfahren ist eingestellt: Vergessen Sie's!, 1971) weiter entwickelte. Mit
Drehbüchern zu Filmen Enzo G.Castellaris, Romolo Giuerrieris Neffen, "Il
cittadino si ribella" (1974) und "Il grande Racket" (1976)
setzte er diese Linie konsequent fort, bis es in Damianis
"L'avvartimento" (Die tödliche Warnung, 1980) zu einer erneuten Kombination
aus Polizei- und Politfilm kam. "La polizia è al servizio del
cittadino?" trieb den Stil des klassischen "Polizieschi
all'Italiana" entscheidend voran, auch dank eines ausgezeichnet als
Commissario agierenden Enrico Maria Salerno, der am Ende zum letzten Mittel
greifen musste, das ihm noch blieb. Doch das er, der erfahrene, souveräne
Polizeioffizier diese Konsequenz zog, kam anders als später bei Maurizio Merli noch einer
Kapitulation gleich.
"La polizia è al servizio del cittadino?" Italien, Frankreich 1973, Regie: Romolo Guerrieri, Drehbuch: Massimo De Rita, Darsteller : Enrico Maria Salerno, Giuseppe Pambieri, John Steiner, Alessandro Momo, Venantino Venantini, Ganiel Gélin, Laufzeit : 97 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Romolo Guerrieri:
"Un detective" (1969)
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