Freitag, 20. September 2013

L'ultimo squalo (The last jaws - der weiße Killer) 1981 Enzo G. Castellari

Inhalt: In South Bay laufen die letzten Vorbereitungen für die Windsurf-Regatta, von der sich der Bürgermeister Willam Wells (Joshua Sinclair) Rückenwind für seine Kandidatur als Gouverneur verspricht. Doch ausgerechnet der Favorit des Rennens, der seit Stunden auf dem Meer trainierte, ist plötzlich verschwunden. Nur sein Surfbrett taucht noch in Teilen auf - mit eindeutigen Bissspuren eines sehr großen Haifischs.

Während der Schriftsteller Peter Benton (James Franciscus) und der erfahrene Haifisch-Jäger Ron Hamer (Vic Morrow) deshalb vor der Durchführung der Regatta warnen, beschränkt sich Wells, der die Gefahr eines Hai-Angriffs für gering hält und auf die geplante Wahlwerbeveranstaltung nicht verzichten will, auf Sicherheitsmaßnahmen, indem er die Bucht mit Netzen abriegeln lässt. Eine in jeder Hinsicht unzureichende Maßnahme, wie sich herausstellen wird...


Einen Film wie "L'ultimo squalo" (The last jaws - der weiße Killer) als profanes Plagiat von Spielbergs "Jaws" (Der weiße Hai, 1975) abzutun, fällt aus heutiger Sicht leicht, zumeist noch mit einem süffisanten Hinweis auf die italienische Filmindustrie versehen, die bekanntlich alles nachahmte, was an der Kinokasse erfolgreich war. Solche Aussagen verfügen zwar über einen wahren Kern, verallgemeinern aber zu unrecht eine nur kurze Phase im italienischen Film der späten 70er Jahre (siehe "Das italienische Kino frisst sich selbst" über die Phase von 1977 - 1983) und missachten dessen spezifische Eigenart, auch einem scheinbaren Plagiat eine individuelle Note verleihen zu können.

Enzo G. Castellaris Film über einen riesigen weißen Hai, der vor der Küste von South Bay sein Unwesen treibt, entstand zwischen den Hollywood-Fortsetzungen "Jaws 2" (1978) und "Jaws 3 - D" (1983), die das Original ebenfalls nur rudimentär variierten. Neben "Piranha Part Two: The Spawning" (Fliegende Killer - Piranha II, 1981), der als Fortsetzung von Joe Dantes "Jaws" - Hommage "Piranhas" (1978) herauskam, setzte Castellari mit "L'ultimo squalo" den vorläufigen Schlusspunkt im Tier-Horror-Bereich des italienischen Kinos, der mit Ovidio G. Assonitis "Tentacoli" (Angriff aus der Tiefe) 1977 seinen Anfang nahm. Wie offensichtlich sich diese italienischen Produktionen am US-Vorbild orientierten, wird an der konsequenten Besetzung mit US-Darstellern und dem Dreh vor Ort deutlich - der Versuch, eine ähnliche Story am Mittelmeer mit italienischem Ambiente zu entwickeln, wurde gar nicht erst unternommen.

Doch die aus heutiger Sicht große Anzahl ähnlich konzipierter Filme täuscht darüber hinweg, dass die Nachfrage nach "Jaws" Epigonen während ihrer Entstehungszeit lange Zeit Bestand hatte - "L'ultimo squalo" kam 1981 und 1982 in 12 Ländern in die Kinos. Es existierte keine generelle Verfügbarkeit von Filmen, wie sie heute selbstverständlich ist, weshalb Hollywood noch 1987 mit "Jaws: the revenge" (Der weiße Hai - die Abrechnung) einen vierten Teil herausbrachte, der qualitativ weit hinter Castellaris Film abfiel. Doch dessen "L'ultimo squalo" war das grundsätzliche Problem der italienischen Filmindustrie anzumerken, über weit weniger Geldmittel zu verfügen als die us-amerikanischen Versionen. Die Unterwasseraufnahmen stammten von echten Haifischen - Castellari hatte damit schon in "Cacciatore di squalo" (Dschungel-Django, 1979) Erfahrung gesammelt - die nur wenig Ähnlichkeit mit dem Modell des Monster-Hais aufwiesen, dass zudem weit weniger naturalistisch ausfiel als Spielbergs teure Hai-Maschine. Auch dem Hubschrauberabsturz, der mit einer Miniatur im Wasserbecken nachgestellt wurde, ist der Zwang zur tricktechnischen Improvisation deutlich anzumerken.

Castellari und Ugo Tucci, Produzent und Drehbuchautor in Personalunion, machten aus dieser Not eine Tugend, indem sie sich auf wenige konkret gezeigte Hai-Angriffe beschränkten und eine dichte, auf deutlich unter 90 Minuten angelegte Story entwarfen, die zwar über die bekannten Stereotypen verfügte, diese aber wesentlich freier interpretierte als die us-amerikanischen Versionen. Schon die ersten Minuten, in denen die Kamera minutenlang einen Surfer bei seinen Kunststückchen beobachtet, während die Musik der De Angelis-Brüder erklingt, versprühen reines Italo-Feeling - hauptsache "bella figura", auch wenn der Schönling kurz darauf im Haifischmaul landet. Zu sehen ist das nicht, nur ein durchgebissenes Surf-Brett, dass sofort die beiden Hai-Experten Peter Benton (James Franciscus) - intellektueller Theoretiker - und Ron Hamer (Vic Morrow) - beinharter Praktiker - auf den Plan ruft, die die geplante Surf-Regatta stoppen wollen. Im Gegensatz zum Bürgermeister William Wells (Joshua Sinclair), der auf den Gouverneurs-Posten schielt und die Regatta als Werbeveranstaltung betrachtet.

Diese Konstellation entspricht zwar exakt Spielbergs Konfliktaufbau, den auch "Jaws 2" 1977 nochmals unverändert auftischte, wird hier aber im Schnelldurchgang abgehandelt. Schon nach einem Drittel der Laufzeit kommt es zu der Regatta, bei der der Hai zu einer nicht mehr zu leugnenden Gefahr wird, woraufhin unterschiedliche Interessensgruppen versuchen, sich des Untiers anzunehmen: der Sohn des Bürgermeisters und seine Freunde - darunter Castellaris Tochter Stefania Girolami als Jenny - um Wells zu rehabilitieren, der Bürgermeister selbst, der sich nach deren Scheitern aufs Meer wagt, was Spielbergs Protagonist niemals eingefallen wäre, und die beiden Hai-Spezialisten, die einen Anschlag mit Sprengstoff vorbereiten, während an Land ein Filmteam reißerische Aufnahmen von dem Hai plant, indem es Fleisch an den Landungssteg bindet. Man muss kein Hellseher sein, um die kommenden Katastrophen vorauszusehen, aber Castellari entwickelt daraus ein kurzweiliges Vergnügen, in dem er die Ereignisse Schlag auf Schlag ins Bild rückt.

Im Gegensatz zu "Piranha Part Two: The Spawning", dem es misslang, Spielbergs psychologisches Spiel zwischen den Protagonisten zu kopieren, versuchte Castellari gar nicht erst, differenzierte Zwischentöne zu erzeugen, und beging auch nicht Assonitis' Fehler in "Tentacoli", irgendwelche langatmigen, nicht zusammenhängende Parallelhandlungen zu entwickelnd. Spannend oder überraschend ist "L'ultimo squalo" nur für Neueinsteiger in die Haifischfilm-Thematik, aber Castalleri gelang es, auch dank ausgefallener Kameraeinstellungen, eine Art Italo-US-Küstenfeeling mit Sonne, Strand und Haifisch zu entwickeln, das zu unterhalten versteht.

"L'ultimo squalo" Italien 1981, Regie: Enzo G. Castellari, Drehbuch: Ugo Tucci, Vincenzo Mannino, Marc Princi, Darsteller : James Franciscus, Vic Morrow, Micaela Pignatelli, Joshua Sinclair, Stefania Girolami, Laufzeit : 84 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Enzo G. Castellari:

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