Inhalt: Angelina
Bianchi (Anna Nagnani) und ihr Mann Pasquale (Nando Bruno) leben mit ihren fünf
Kindern innerhalb eines römischen Quartiers, dessen Häuser während der Zeit des
Faschismus nicht fertiggestellt wurden. Obwohl ihr Mann als Polizist arbeitet, haben
sie kaum genug Geld für die Ernährung ihrer Kinder, noch können sie sich eine
bessere Wohnung leisten. Journalisten kommen tagsüber, um sensationslüstern
über die primitiven Bedingungen zu berichten, unter denen die Menschen hier
leben - keine Innentüren, keine Bäder und kein fließendes Wasser, selbst an die
öffentlichen Verkehrsmittel sind sie nicht angeschlossen.
In unmittelbarer Nähe entstehen neue Wohnblocks, aber die Arbeiten daran ruhen schon einige Zeit. Zudem nutzt der einzige Händler die Notlage der Bewohner aus und hortet die zugeteilten Lebensmittel heimlich, um sie teurer auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Als Angelina keine Pasta für ihre Familie kaufen kann, durchschaut sie sein Spiel und es gelingt ihr, gemeinsam mit den anderen Frauen, sein Lager zu plündern. Da er selbst unrecht gehandelt hat, kann er sie dafür nicht verhaften lassen. Davon ermutigt, beginnt Angelina, auch gegen die anderen Missstände anzukämpfen...
In unmittelbarer Nähe entstehen neue Wohnblocks, aber die Arbeiten daran ruhen schon einige Zeit. Zudem nutzt der einzige Händler die Notlage der Bewohner aus und hortet die zugeteilten Lebensmittel heimlich, um sie teurer auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Als Angelina keine Pasta für ihre Familie kaufen kann, durchschaut sie sein Spiel und es gelingt ihr, gemeinsam mit den anderen Frauen, sein Lager zu plündern. Da er selbst unrecht gehandelt hat, kann er sie dafür nicht verhaften lassen. Davon ermutigt, beginnt Angelina, auch gegen die anderen Missstände anzukämpfen...
Seitdem
Anna Magnani in Roberto Rossellinis "Roma, città aperta" (Rom, offene
Stadt) 1945 eine emotional beeindruckende Vorstellung gegeben hatte, war sie
für die im realistischen Stil inszenierenden Regisseure der Nachkriegszeit in
den Focus gerückt. Mit Alberto Lattuada drehte sie 1946 "Bandito",
Rossellini arbeitete erneut 1948 mit ihr zusammen in "Amore", Luchino
Visconti besetzte sie in der Hauptrolle in "Bellissima" 1951 und noch
1962 war sie für Pier Paolo Pasolini "Mamma Roma", aber sie blieb
auch den komödiantischen Rollen treu, in denen sie seit Mitte der 30er Jahre
mehrfach reüssiert hatte. Das Spiel Anna Magnanis befand sich meist auf dem
schmalen Grat zwischen Drama und Komödie. Nur wenige Darsteller konnten in
ihren Rollen die fließenden Grenzen zwischen Trauer und Freude so deutlich
werden lassen.
In den Werken
des Neorealismus, besonders Mitte der 40er Jahre, wurde die Darstellung der
offensichtlichen Missstände, basierend auf dem Wunsch nach einem politisch,
gesellschaftlichen Wandel, noch sehr ernsthaft inszeniert, während Luigi Zampa auch
Anna Magnanis komödiantisches Talent für seinen Film nutzte - vielleicht liegt
darin eine Erklärung dafür, warum "L'onorevole Angelina" (Abgeordnete
Angelina) heute nicht zum Kanon des Neorealismus gezählt werden, obwohl der
Ausgangspunkt der Handlung, die Zustände im römischen Quartier „Pietralata“
nach dem Ende des Faschismus, bemerkenswert realistisch dargestellt ist.
Das Haus,
in dem Angelina (Anna Magnani) mit ihrem Mann Pasquale (Nando Bruno) und ihren
fünf Kindern lebt, gehörte zu einer Siedlung, die noch während der Mussollini -
Zeit entstanden war, aber nie fertig gestellt wurde. Zampa lässt die Kamera von
außen eindringen, zeigt den nackten Beton der herunter gekommenen Gebäude und
wirft den Blick auf die spärlich eingerichteten Innenräume, wo die Bewohner auf
Matratzen schlafen, ohne durch Innentüren getrennt zu sein. Weder gibt es ein
Bad, noch fließendes Wasser. Die Authentizität dieser Zustände unterstrich
Zampa noch durch die Journalisten, die diese unzumutbaren Lebensverhältnisse sensationslüstern
auf Bildern festhielten. Dass die Gebäude zudem in das Hochwassergebiet des
nahe gelegenen Flusses gebaut worden waren und regelmäßig überschwemmt wurden,
gehört heute zur römischen Stadtgeschichte.
Der Grund,
warum Menschen an einem solchen Ort leben müssen, lässt der Film schon im
ersten Dialog deutlich werden – sie sind zu arm, um sich eine bessere Wohnung
leisten zu können. Angelina und ihr Mann liegen schlaflos in ihrem Bett, in der
Sorge um die Ernährung ihrer fünf Kinder, obwohl Pasquale sogar einen Job als
Polizist hat. Zampa entwirft ein komplexes Bild einer Nachkriegszeit, in der es
einerseits an den notwendigen Dingen fehlte, während andererseits
Geschäftemacher diese Notlage ausnutzten. So hortet der einzige Händler am Ort
seine Waren, um sie für deutlich mehr Geld auf dem Schwarzmarkt verkaufen
können, während die Anwohner mit ihren geringen Geldmitteln vor seinem leeren
Laden stehen. Als Angelina diesen Plan durchschaut und sie gemeinsam mit den
anderen Frauen dessen Lager plündert, gewinnt sie erstmals an Reputation
innerhalb der Mitbewohner, besonders als sich herausstellt, das sie nicht
verhaftet wird, da der Händler selbst gegen das Gesetz verstoßen hatte.
Parallel
entsteht der Konflikt mit ihrem Mann, der nichts von dem Essen haben will, das
aus gestohlenen Zutaten gekocht wurde. Es ist nicht nur sein Beruf als
Polizist, der ihn mit den Gesetzesübertretungen konfrontiert, sondern auch als
Mann sieht er seine Position gefährdet, die ihn immer mehr dazu zwingt, sich um
die Kinder und den Haushalt zu kümmern. Doch das hält Angelina nicht davon ab,
weitere Rechte einzufordern. Als der Fluss wieder über das Ufer tritt und ihre
Gebäude unbewohnbar werden, besetzt sie mit den übrigen Einwohnern des
Quartiers einen nahe gelegenen mehrstöckigen Neubau, der als Ersatzbau geplant
worden war, dessen Bauarbeiten aber schon einige Zeit zum Stillstand gekommen
waren. Dieser Baustopp hatte ebenfalls spekulative Hintergründe, weshalb der
reiche Geschäftsmann und Besitzer des Gebäudes Callisto Garrone (Armando
Migliari) sich persönlich um den Konflikt kümmert und dabei taktisch klug
vorgeht.
Angesichts
dieses Szenarios hätte „L’onorevole Angelina“ ein pessimistischer Film werden
können, nicht nur über das ergebnislose Anrennen des einfachen Bürgers
gegenüber kapitalistischen Interessen, sondern auch über die mangelnde
Solidarität unter den Armen und die Bereitschaft jedes Einzelnen, sofort den
eigenen Vorteil zu nutzen. Tatsächlich beschreibt Zampas Film die Realität
genau in diesem Sinn, aber er hinterlässt einen anderen Eindruck, der nur Anna Magnanis
Spiel zu verdanken ist. Das ist einerseits konsequent, denn wäre sie weniger
authentisch und mitreißend, nähme man ihr ihre Position als Anführerin, die
dank großen Zuspruchs in der Bevölkerung die Chance erhält, als Abgeordnete ins
Stadtparlament zu gelangen, gar nicht ab. Andererseits nimmt ihre emotionale
Art und ihre tatsächliche Ehrenhaftigkeit (der italienische Begriff „onorevole“
bedeutet auch „ehrenhaft“, sozusagen als Grundeigenschaft eines Abgeordneten),
die auch den Versuchungen der Führungsschicht widersteht, den Konflikten die
Spitze.
Auch die
kleine Liebesgeschichte zwischen Angelinas fast erwachsener Tochter und dem
Sohn des Geschäftsmanns (Franco Zeffirelli) vermittelt einen leichteren Grundton, wie auch die
Auseinandersetzung mit ihrem Mann Pasquale. Als dieser, demoralisiert von
seiner Rolle als Hausmann, sie verlassen will und um eine Versetzung bei der
Polizei bittet, kehrt sie reumütig zu ihm zurück und verzichtet auch auf ihre
Position als Abgeordnete, um sich wieder ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter zu
widmen. Äußerlich erinnert diese Konstellation an klassische Komödien, in denen
am Ende die Konvention siegt, aber Anna Magnanis Fähigkeit, selbst kritischsten
Momenten noch positive Aspekte abzugewinnen - etwa als ihre Mitbewohner sich
von ihr verraten fühlen und auf sie einstürmen – schließt auch das Gegenteil
ein. Als sie ihrem Mann mitteilt, das alles in seinem Sinn geschehen wird, und
sie ihre Kinder dazu auffordert, wieder Respekt vor ihrem Vater zu haben, wirkt
das keinen Moment unterwürfig, sondern selbstbewusst und bestimmend.
Trotz des realen
Hintergrunds, hinterlässt „L’onorevole Angelina“ nicht den tragischen,
aufrüttelnden Eindruck anderer neorealistischer Werke dieser Zeit, bedingt
durch die menschlich, emotionalen Verwicklungen, die sich letztlich in
Wohlgefallen auflösen, was dem Film ein wenig die Reputation als zeitkritisches
Werk nahm. Dabei verbirgt sich hinter dem aufregenden, schnellen Geschehen ein
Stillstand, der pessimistischer nicht sein könnte. Zampa beschließt sein Werk
mit der gleichen Szene, mit der er begann – während die Kinder in den
provisorischen Räumen auf ihren Matratzen liegen, kann das Ehepaar Angelina und
Pasquale vor Sorgen nicht schlafen. Es ist viel passiert – es wurde gekämpft,
gestreikt, gestritten, eingesperrt, sich geeinigt und versöhnt – aber geändert
hat sich nichts. In Zampas Film fällt das nur nicht so schnell auf – wie im
richtigen Leben.
"L'onorevole Angelina" Italien 1947, Regie: Luigi Zampa, Drehbuch: Piero Tellini, Suso Cecchi d'Amico, Darsteller : Anna Magnani, Nando Bruno, Armando Migliari, Franco Zeffirelli, Ave Ninchi, Laufzeit : 88 Minuten
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen