Inhalt: Zwei Schüsse hallen durch die Nacht und eine junge
Frau läuft über die Straßen Roms. Sie sieht ihr Spiegelbild in einem Schaufenster und
fühlt sich plötzlich alt. In ihren Erinnerungen kommen die vergangenen Jahre
wieder hoch, die zu ihrer Tat führten:
Fröhlich verbringt die studierte Architektin Liana
(Françoise Christophe) ihre Freizeit unter ihren Freunden, zu denen auch der
Maler Sergio Rollini (Galeazzo Benti) gehört, der ein Porträt von ihr gemalt
hatte, das er bei seiner Vernissage ausstellt. Zu den Besuchern der Ausstellung
zählt auch Gerardo Villabruna (Pierre Cressoy), ein bekannter Dirigent, dem
besonders Lianas Bild, aber mehr noch sie selbst gefällt. Kühl lässt sie seine
Avancen an aich abgleiten, denn die junge Frau steht kurz vor ihrer Hochzeit,
aber Villabruna bleibt hartnäckig und findet den Zugang zu ihr…
Zwei Schüsse fallen und eine Frau läuft über die nächtlich
verwaisten Straßen Roms. Sie ist jung und schön, aber sie fühlt sich alt und
hässlich - Liana (Françoise Christophe), studierte Architektin, Tochter aus
wohlbehütetem bürgerlichem Haus, beginnt ihre eigene Geschichte rückwirkend zu
erzählen und vor dem geistigen Auge des Zuschauers entfaltet sich die übliche Erwartungshaltung:
"Una donna libera" (Eine freie Frau) - allein der Filmtitel schon
eine Provokation, ein Vorbote des Scheiterns. Die unaufhaltsame Tragödie einer
Frau, die sich gegen ihre gesellschaftliche Rolle stellt. Mit den zu
folgerichtigen Konsequenzen - Einsamkeit, Eifersucht, Tod.
Für Regisseur Vittorio Cottafavi das geeignete Terrain.
Wiederholt hatte er seine Fähigkeit bewiesen, straff inszenierte Dramen um
außergewöhnliche Frauenfiguren zu entwerfen. "Una donna ha ucciso"
(Eine Frau hat getötet, 1952), "Il boia di Lilla - La vita avventurosa di
Milady" (Anna und der Henker, 1953), "Traviata '53" (Die
Geliebte, 1953) – klar strukturierte Geschichten, deren emotionalen Tiefe er
mit wenigen Pinselstrichen auslotete, auch schwerwiegende Entscheidungen und
tragische Brüche ohne lange Hinführung
glaubwürdig wiedergebend. So auch in „Una donna libera“. Nur wenige
Minuten benötigte Cottafavi, um die junge Architektin als selbstbewusste,
moderne Frau aus konservativem Elternhaus zu charakterisieren. Sie gehört zum
Freundeskreis des Künstlers Sergio Rollini (Galeazzo Benti), der ein Porträt
von ihr gemalt hatte, und weiß sich auch ihres Vaters zu erwehren, der streng
über die Tugend seiner zwei Töchter wacht.
Das kann aber nicht verhindern, dass Gerardo Villabruna (Pierre
Cressoy), ein Frauenheld par excellence, in ihr Leben tritt. Er wird bei einer
Vernissage, auf der Lianas Porträt ausgestellt ist, auf sie aufmerksam, und
erweist sich in der Lage, auch diese disziplinierte, intelligente junge Frau
von sich zu überzeugen. Gut aussehend und als bekannter Dirigent mit der
nötigen faszinierenden Aura versehen, packt er sie bei ihrer Individualität.
Villabruna ist ganz Künstler, bürgerliche Gesetzmäßigkeiten stellt er in Frage und
trifft damit Lianas wunden Punkt. Ihrer vorbestimmten Rolle als Gattin und
Mutter, versorgt von einem geschätzten Ehemann, ist sie innerlich schon
entwachsen, beugte sich bisher aber dem Wunsch der Eltern. In ihren
aufkommenden Zweifeln spiegelten sich die soziokulturellen Veränderungen der
Nachkriegszeit - in vielen zeitgenössischen Filmen nicht selten als Warnung vor
den negativen Folgen besonders für die Frauen thematisiert.
Die schwermütige Musik, besonders die wiederholt
angespielte Eingangssequenz von Tschaikowskys erstem Klavierkonzert, drückte
dem Film früh seinen Stempel auf. Und ließ eine melodramatische Grundstimmung entstehen,
die Cottafavi den Vergleich mit Douglas Sirk einbrachte. Wie Sirk entwickelte
Cottafavi unter der populär emotionalen Oberfläche eine Liberalität, die ihrer
Zeit voraus war. Auch die Ökonomie, mit der er tiefgreifende Veränderungen
quasi im Zeitraffer abhandelte, erinnert an Sirks Stil. Von ihrer Begegnung mit
dem charismatischen Dirigenten aufgewühlt, kommt es zu einem Gespräch mit ihrem
Verlobten, den Liana in wenigen Tagen heiraten wollte. Sie redet mit ihm über
Liebe, über die Bedeutung ihrer Beziehung jenseits rationaler Gesichtspunkte. Ein
Dialog, der damit endet, dass er ihr im Weggehen rät, insgesamt weniger nachzudenken.
In der nächsten Szene steht sie vor der Sommer-Residenz des Dirigenten. Dank
des Verzichts auf die tränenreichen Umstände der Trennung, bewahrte der Film
ein Gleichgewicht zwischen Melodrama und Pragmatismus, das auch Sirks Filme
auszeichnete.
Damit enden die Gemeinsamkeiten, denn während Sirk in seinem
parallel entstandenen „Magnificent obsession“ (Die wunderbare Macht, 1954)
bewusst überzeichnete und im us-amerikanischen Kitsch schwelgte, ist „Una donna
libera“ noch der Einfluss des Neorealismus anzumerken. Nicht nur Cottafavi
wurde in den 40er Jahren filmisch sozialisiert, sein Drehbuchautor Oreste
Biancoli, mit dem er zuvor schon gemeinsam das Kriegsdrama „Fiamma che non si
spegne“ (1949) entwickelt hatte, hatte an Alberto Lattuadas „Il bandito“ (Der
Bandit, 1946) und Vittorio De Sicas „Ladri di biciclette“ (Fahrraddiebe, 1949)
mitgewirkt. „Una donna libera“, dessen Story auf einem Theaterstück der argentinischen Feministin Malena Sandor basiert, spielte zwar im wirtschaftlich gesicherten,
bürgerlichen Milieu, blieb aber maßstäblich zur Realität. Lianas Angestellten-Dasein
in Paris, wohin sie nach dem für sie schmerzlichen Ende der Beziehung mit
Gerardo ging, fehlt jede schillernde Komponente, selbst der Luxus, den ihr der
ältere Unternehmer Massimo Marchi (Gino Cervi) bietet, den sie später aus
Vernunftgründen heiratet, wirkt nicht verschwenderisch.
Ähnlich angemessen, ohne künstlich forcierte Dramatisierung,
beschrieb Cottafavi die gesellschaftliche Reaktion auf Lianas Verhalten. Obwohl sie ihre
Verlobung löst, um mit einem anderen Mann eine Affäre zu beginnen, wird sie
nicht offen angefeindet, selbst ihr strenger Vater verstößt sie nicht. Der spätere Bruch mit ihrem wohlhabenden Ehemann, nachdem sie erneut die Nähe zu dem
Dirigenten gesucht hatte, verläuft nahezu lakonisch, ohne Streit. Damit vermied Cottafavi ein
Klima der Konfrontation und betonte Lianas Verankerung im konservativen
Bürgertum. Mitte der 50er Jahre eine wichtige Voraussetzung für die
Identifikation mit einer Protagonistin, deren Wunsch nach einem „freien Leben“
nicht Auflehnung, sondern Selbstverständlichkeit signalisieren sollte.
Eine Selbstverständlichkeit, die in der Realität für eine
Frau nicht existierte, wie der Film nadelstichartig deutlich werden ließ. Liana
droht kein Abgrund, wie zu Beginn der Eindruck entstehen konnte, sondern
Ignoranz und Vorurteile. Als sie sich bei einem bekannten Bauunternehmer um
einen Job bemüht, ist dieser gerne bereit, sie mit Juwelen zu überhäufen, doch
für eine Anstellung als Architektin hält er sie nicht geeignet. Auch der so
eloquent die bürgerliche Moral in Frage stellende Dirigent postuliert die Freiheit
der Liebe nur für sich selbst. Auf Kosten der Frauen. Lianas Schüsse auf ihn
geschehen nicht aus Eifersucht - sie hatte ihn längst durchschaut - sie gelten
seiner Verlogenheit und Rücksichtslosigkeit. Als sie ruhigen Schrittes zur
nächstgelegenen Polizeidienststelle geht, um sich zu stellen, ist sie frei.
"Una donna libera" Italien, Frankreich 1954, Regie: Vittorio Cottafavi, Drehbuch: Oreste Biancoli, Fabrizio Sarazani, Malena Sandor (Drama), Darsteller : Francoise Christophe, Pierre Cressoy, Gino Cervi, Galeazzo Benti, Christine Carère, Elisa Cegani, Laufzeit : 94 Minuten