Inhalt: Der
16jährige Sandro (Alessandro Momo) verbringt mit seinen Eltern den Sommer am
Meer in deren Sommerresidenz. Das fröhliche Rumalbern mit seinen Freunden am
Strand und der harmlose Flirt mit Rosy (Monica Guerritore) sind vorbei, als
plötzlich sein großer Bruder Renzo (Orazio Orlando) auftaucht, der nur kurz ans
Meer gekommen ist, um seine schöne Frau Laura (Laura Antonelli) abzuliefern,
die hier schon ihren Urlaub verbringen soll, bevor er in den letzten zwei
Wochen dazu kommen will.
Seinem
Bruder trägt er noch augenzwinkernd die Bitte auf, sich um Laura zu kümmern,
damit sie sich nicht so allein fühlt. Doch von allein sein kann keine Rede
sein, angesichts ihrer Attraktion, mit der sie das Interesse der Männer sofort
auf sich zieht. Für Sandro ist es eine echte Belastung, ständig seine schöne
Schwägerin vor Augen zu haben, aber nicht zu wissen, wohin mit seiner wachsenden
sexuellen Begierde…
Nach dem
Erfolg mit "Malizia" (1973) griff Regisseur Salvatore Samperi ein
knappes Jahr später wieder auf sein bewährtes Team zurück, um in "Peccato
veniale" (Der Filou) erneut von der Affäre einer erwachsenen Frau mit
einem Jugendlichen zu erzählen. Doch auch wenn mit Laura Antonelli und dem noch
im selben Jahr, kurz vor seinem 18.Geburtstag, tödlich verunglückten Alessandro
Momo, die selben Schauspieler wieder ihre Rollen einnahmen, wurde "Peccato
veniale" ein gänzlich anderer Film. Spielte "Malizia" auf
Sizilien in den frühen 60er Jahren und entwarf eine Situation des
Machtmissbrauchs auf Basis traditioneller gesellschaftlicher Strukturen, die
der 16jährige Sohn des Hausherrn dazu nutzte, die Hausangestellte, die
beabsichtigte seinen Vater zu heiraten, zum Sex zu zwingen, entwickelte
"Peccato veniale" - ganz im Sinn seiner wörtlichen Bedeutung "Lässliche
Sünde" - das Bild eines unbeschwerten Sommermonats am Strand mit dem
16jährigen Sandro (Alessandro Momo) und seiner Schwägerin Laura (Laura
Antonelli), die Frau seines deutlich älteren Bruders Renzo (Orazio Orlando), im
Mittelpunkt.
Auch
"Peccato veniale" spielte nicht in der damaligen Gegenwart, sondern
Mitte der 50er Jahre in Versilia, einer toskanischen Küstenlandschaft, aber wie
üblich ging es Samperi weniger um optische Authentizität - sowohl Laura
Antonelli, als auch die männlichen Darsteller, besonders die Komiker Lino
Toffolo und Lino Banfi mit ihren 70er Jahre Frisuren, wirken sehr gegenwärtig -
als um ein atmosphärisch dichtes Zeitgemälde, dass sich einer traditionellen
Konstellation widmete. Im katholisch, patriarchalisch geprägten Italien war es
üblich, dass Jünglinge ihre ersten sexuellen Erfahrungen mit erwachsenen Frauen
erlebten - häufig auf Basis eines Bordell-Besuchs - da die Mädchen ihres Alters
als Jungfrauen in die Ehe gehen sollten. Auch im Subtext von
"Malizia" schwingt diese Thematik mit, die in einigen Filmen der 70er
Jahre als Anlass für erotische Szenen genutzt wurde ("Lezioni private" (1975)), aber Samperi gelang es in "Peccato veniale",
die schlüssig entwickelte Liebesgeschichte zwischen dem 16jährigen und seiner
Schwägerin - mit einer wie gewohnt optisch reizvoll in Szene gesetzten Laura
Antonelli - mit Sketchen und einem ironischen Blick auf männliches Machogehabe,
Homophobie und traditionelle Klischees zu kombinieren.
Häufig wird
Samperi die Neigung zu inzestiösen Verbindungen in seinen Filmen nachgesagt,
aber diese Betrachtungsweise ist oberflächlich, da es sich zwar um Angehörige
einer Familie, nie aber um direkte Blutsverwandte handelt. In "Peccato
veniale" entsteht diese Konstellation nicht nur nachvollziehbar - Renzo
lässt seine Frau bei seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder an deren
Sommerdomizil, während er in der Stadt arbeitet - sondern nutzt sie für eine
ironische Umkehrung männlicher Erwartungshaltungen. Sind die Szenen am Strand
von grober Komik - etwa wenn der dickliche Lino (Lino Toffolo) den
muskelbepackten Angeber austrickst, oder die Jugendlichen um Sandro einem
begriffsstutzigen Mädchen weismachen, sie müssten ihren Busen eincremen, damit
ihr Damenbart verschwindet (was dann blöderweise auch eintritt, weshalb sie den
Trick nicht mehr wiederholen können) - sind die Charakterzeichnungen der
übrigen Familienmitglieder gelungene Karikaturen.
Sandros
Vater Giustino (Tino Carrara) ist ein pensionierter Offizier, der zwar gerne
von alten Zeiten schwärmt, innerhalb der Familie aber nichts zu sagen hat.
Seine exzentrische Frau Lilla (Lilla Brignone), die ihn mit Verachtung straft,
schmust lieber mit ihrem Hund, weshalb Giustino ständig versucht, diesen
umzubringen, was selbstverständlich misslingt. Als er seinen Sohn zufällig in
Frauenklamotten sieht - Sandro hatte sie für Laura angezogen, damit sie die
Länge ihres Kleides festlegen konnte - ist seine größte Sorge, dass sein Sohn
schwul ist. Eine Katastrophe, die bei ihm noch vor dem Weltuntergang kommt.
Sandros
großer Bruder Renzo ist dagegen ein mit großem männlichem Selbstverständnis
versehener Sonny-Boy - charmant, gutaussehend und freundlich, aber ohne jede
Sensibilität oder Einfühlungsvermögen. Seine Ignoranz gegenüber seiner Frau,
deren schönen Körper er gerne liebkost, ohne zu spüren, dass sie sich einsam
fühlt und sich langsam etwas in der Beziehung zu Sandro verändert, nervt sie
zunehmend. Als sein kleiner Bruder ihm nachts am Telefon gestehen will, dass
Laura und er sich geküsst hätten, begreift Renzo nur, dass er etwas mit einer
erwachsenen, und wie er dann noch erfährt, verheirateten Frau hat. Eine
Information, die ihn mit Begeisterung erfüllt und an seine eigene Jugend
erinnert.
Salvatore
Samperi und seine Drehbuchautoren Ottavio Jemma und Alessandro Parenzo, die
auch an "Malizia" beteiligt waren, begehen nicht den Fehler, zu sehr
in Klamauk zu verfallen, sondern kontrastieren die witzigen Szenen mit der
ernsthaft geschilderten
Beziehungsentwicklung zwischen Laura und Sandro, für die sich der Film
viel Zeit lässt. Alessandro Momo gelingt es sehr gut, seine widerstreitenden
Emotionen zu transportieren. Anders als in "Malizia" und in den
üblichen Erotik-Komödien der 70er Jahre ist er kein notgeiler Teenager, für den
Frauen nur Objekte sind ("L'insegnante" (Die Bumsköpfe, 1975)), sondern hegt ernsthafte
Gefühle für Laura. Diese spürt das und kann vermitteln, warum ihr der junge
Mann langsam näher steht als ihr Ehemann, der über seine äußeren Wahrnehmungen
nicht hinaus kommt. Wenn Renzo am Ende die Mannwerdung seines kleinen Bruders
feiert und sein Vater aufatmet, dass sein Sohn nicht schwul ist, ahnen sie
nicht, dass er gerade mit der Ehefrau und Schwiegertochter geschlafen hatte.
"Peccato
veniale" ist weder besonders
schwerwiegend, noch kommt seine Kritik an männlichem Gehabe und Vorurteilen
über ironische Seitenhiebe hinaus - gleichzeitig befriedigt er deren
Voyeurismus mit Bildern der schönen Laura Antonelli. Aber Salvatore Samperi
wird auch in "Peccato veniale" seinem Ruf gerecht, seine erotischen
Filme mit einer gewissen Eleganz und inhaltlichem Format anzureichern - es ist
definitiv eine "lässliche Sünde", sich seinen unterhaltsamen Film
anzusehen.
"Peccato veniale" Italien 1974, Regie: Salvatore Samperi, Drehbuch: Salvatore Samperi, Ottavio Jemma, Alessandro Parenzo, Darsteller : Laura Antonelli, Alessandro Momo, Orazio Orlando, Tino Carraro, Lilla Brignone, Lino Toffolo, Lino Banfi, Laufzeit : 93 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Salvatore Samperi:
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