Inhalt: Der
Bandit Concalves (Fernando Sancho) dringt mit drei Männern in eine Kirche ein,
auf der Suche nach dem Kopfgeldjäger Johnny Forest (Gianni Garko). In der Halle
sind vier Särge aufgebahrt, was sie nicht weiter beachten. Ein Fehler, denn
Forest befindet sich in einem der Särge und sorgt von dort aus dafür, dass er bald
die Belohnung für sie kassieren kann. Seine Stimmung verändert sich, als er bei
seiner Geliebten Anne (Claudie Lange) erfährt, dass seine Mutter gestorben ist.
Zudem hatte sie als letzten Wunsch geäußert, dass er nicht zuerst auf seinen
Bruder Clint (Claudio Camaso) schießen soll, womit sie einen wunden Punkt bei
ihm traf.
Seitdem er
aus dem Gefängnis entlassen wurde, wo er 10 Jahre Haft absitzen musste, weil
ihm sein Bruder den von ihm selbst begangenen Mord an ihrem Vater in die Schuhe
geschoben hatte, war er auf der Suche nach Clint. Dieser hatte sich inzwischen
zu einem berüchtigten Verbrecher entwickelt, der gerade Probleme mit dem
Banditenboss Jurago (Piero Lulli) bekommen hat, weil er diesem die Beute eines
Goldraubs abgejagt hatte. Als Johnny Forest seinen Bruder endlich wieder
findet, sieht er sich zuerst gezwungen, diesem gegen Jurago beizustehen…
Es ist
wenig bemerkenswert, dass auch "Per 100,000 Dollari ti ammazzo"
(Wörtlich "Für 100.000 Dollar töte ich dich") das nach
"Django" (1966) nicht nur in Deutschland häufige Schicksal ereilte,
ebenfalls zum Django-Film ernannt zu werden. Doch die Umbenennung von Johnny
Forest (Gianni Garko) in "Django" war diesmal besonders verfälschend,
weil die Geschichte zweier verfeindeter Brüder auf ihrem gemeinsamen
Familiennamen aufbaut. Zudem erfüllt Johnny Forest nur in der Eingangssequenz
die Erwartungen an einen coolen Pistolero und Kopfgeldjäger, als er Fernando
Sanchos kurzen Gastauftritt schnell wieder beendet. Nachdem er sich bei dem
alten Sheriff - dem einzigen Mann, der noch eine Waffe tragen kann, aber nicht
im Bürgerkrieg kämpfen muss - die Belohnung für die vier getöteten Banditen
abgeholt hatte, erhält sein Charakter eine Tiefe, geprägt von Ereignissen, die
der Film in Rückblenden erzählt, die wenig mit den gewohnten „Django“ –
Charakteren gemeinsam hat.
Sein Bruder
Clint (Claudio Camaso), weniger attraktiv und begabt, hatte seinen Vater aus
Eifersucht getötet, als dieser Johnny wieder nach Hause zurückholen wollte,
obwohl es sich herausgestellt hatte, dass er nicht sein leiblicher Sohn war.
Die Behörden glaubten aber - durch Clint darin bestärkt - dass Johnny ihn im
Affekt getötet hätte, weil er es nicht ertragen konnte, ein „Bastard“ zu sein.
Immerhin gestanden sie ihm deshalb besondere Umstände zu, weshalb er mit 10
Jahren Gefängnis davon kam. Schon an dieser Vorgeschichte wird deutlich, dass
es sich bei Johnny Forest um keinen zynischen Revolverhelden handelt, sondern
um einen gebrochenen Mann, der zu keiner Beziehung mehr fähig zu sein scheint –
seine damalige Freundin hatte Selbstmord begangen – und nur davon besessen ist,
seinen Bruder, der sich während seines Gefängnisaufenthalts zu einem berüchtigten
Verbrecher entwickelt hatte, zur Verantwortung zu ziehen.
So erklärt
sich auch seine Reaktion auf die Nachricht vom Tod seiner Mutter und ihr letzter Wunsch, nicht zuerst auf seinen Bruder zu schießen, die ihn bei seiner
Geliebten Anne (Claudie Lange), einer unverheirateten Mutter, erreicht. Für ihn
ist es selbstverständlich, ihren letzten Willen zu respektieren. Einem
abgeklärten Profi wären solche Sentimentalitäten dagegen fremd, aber Johnny
Forest wird von Gianni Garko trotz seiner vorhandenen Schießkünste nicht als
Übermensch verkörpert, sondern seinem kaltblütigeren Bruder in der Beachtung moralischer
Grenzen unterlegen. Die Anfangssequenz, in der er seinem Beruf als
Kopfgeldjäger auf kaltblütige Weise nachgeht, wirkt im Gesamtkontext entsprechend
fremdartig, mehr an Garkos Vorgängerfilm "10,000 Dollari per un
massacro" (10.000 blutige Dollar, 1967) erinnernd, den das fast identische
Team ein knappes Jahr zuvor gedreht hatte.
Drehbuchautor
Ernesto Gastaldi hatte schon zu den Giuliano Gemma-Filmen "Arizona colt" (1966) und "I giorni dell'ira" (Der Tod ritt Dienstags,
1967) originelle, die Western-Szenerie differenziert betrachtende Scripte
vorgelegt, bevor er für "10,000 Dollari per un massacro" unter dem
Regisseur Romolo Guerrieri das Drehbuch schrieb. Ein Großteil der daran
beteiligten Filmschaffenden – darunter Claudio Camaso, der jüngere Bruder Gian
Maria Volontés, Fernando Sancho und Nora Orlandi, die die sehr stimmige
Filmmusik komponierte – waren auch bei "Per 100,000 Dollari ti
ammazzo" wieder mit an Bord, weshalb beiden Filmen zurecht eine gewisse
Verwandtschaft anzumerken ist. Doch neben Giovanni Fagos Regie, der hier seinen
ersten Film und einzigen Italo-Western verantwortete, gibt es einen weiteren
bemerkenswerten Unterschied. Erstmals war Sergio Martino nicht nur an der
Produktion beteiligt, sondern schrieb gemeinsam mit Gastaldi das Drehbuch und
begründete damit ihre lang andauernde Zusammenarbeit, während sein weiterhin
mitwirkender Bruder Luciano Martino - schon seit vielen Jahren als
Drehbuchautor tätig - ihre späteren Filme als Produzent begleitete. Ein
typisches Beispiel für den fließenden Übergang vom Western-Genre der 60er Jahre
zum Giallo, der erotischen Komödie und dem Poliziesco der 70er Jahre im
italienischen Film.
Ob es an
Sergio Martinos Mitarbeit am Drehbuch lag oder das Team insgesamt eine andere
Intention verfolgte, bleibt ungewiss, aber "Per 100,000 Dollari ti ammazzo“
entwickelte sich - anders als sein konventionellerer Vorgänger - zu einem
klassischen Drama zwischen zwei Brüdern, die die Tragik ihrer
Familiengeschichte gleichzeitig verbindet und entzweit. Zwar werden typische
Elemente des Italo-Western wie Schusswechsel, Duelle oder Folterungen
verwendet, im Gesamtkontext nehmen sie aber nur eine der Handlung
untergeordnete Rolle ein und werden nie zum Selbstzweck. Besonders Camaso als
Clint gelingt es, seine innere Zerrissenheit spürbar werden zu lassen im
Bewusstsein, Schuld an der Zerstörung seiner Familie auf sich geladen zu haben.
Ein Gefühl, das auch Momente der Sympathie für den Bruder zulässt - etwa als
dieser ihm gegen den Bandenboss Jurado (Pietro Lulli) hilft, dem Clint die
Beute eines Überfalls auf einen Geldtransport abgejagt hatte – das aber genauso
schnell in Hass umschlägt, als wollte er jede Erinnerung an frühere gemeinsame
Zeiten mit Gewalt unterdrücken. Dagegen bleibt Gianni Garko in seinem Spiel
eindimensionaler als der anständige Sohn, dessen Prämisse, den Wunsch seiner
Mutter zu erfüllen, ihn für seinen Bruder berechenbar werden lässt. Erst nach
einer langen Leidenszeit erhält er die Legitimation, seinem Bruder entgegen zu
treten.
Schon die
Orgelklänge zu Beginn, die die beeindruckende Filmmelodie einleiten, vermitteln
die Tragik in "Per 100,000 Dollari ti ammazzo“, dessen zwei Protagonisten
nur äußerlich die klassischen Rollen eines Kopfgeldjägers und eines
skrupellosen Verbrechers einnehmen. Hinter dieser Fassade verbergen sich zwei
Menschen, deren Charaktere ohne die für den Italo-Western typische Stilisierung
auskommen und die am Ende wieder vereint sind – am Meer, wo ihr gemeinsamer Weg
einmal begann.
"Per 100,000 Dollari ti ammazzo" Italien 1968, Regie: Giovanni Fago, Drehbuch: Ernesto Gastaldi, Luciano Martino, Sergio Martino, Darsteller : Gianni Garko, Claudio Camaso, Piero Lulli, Fernando Sancho, Claudi Lange, Bruno Corazzari, Laufzeit : 92 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Giovanni Fago:
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