Inhalt: Jo
(Charles Vanel) steigt an einem einsam gelegenen Ort in Südamerika aus dem
Flugzeug, wo es ihn gegen seinen Willen hin verschlagen hat. Der mittellose
Mittfünfziger ist gescheitert und kann sich in den USA nicht mehr sehen lassen,
weshalb ihm auch sein Kontakt zu Bill O’Brien (William Tubbs), einem Ingenieur
der nahe gelegenen Ölfirma, nicht mehr viel nützt, der für den alten Bekannten
keine Verwendung hat. Trotzdem gibt er sich in dem herunter gekommenen Ort
selbstbewusst und weltmännisch und stellt damit den Kontakt zu Mario (Yves
Montand) her, einem jungen Mann, der wie er aus Paris stammt und der es sich in
der Einöde gut eingerichtet hat.
Ihre
Gespräche und die der meisten hier gestrandeten Männer werden davon bestimmt,
es wieder in ihre alte Heimat zurück zu schaffen, wo sie von einem besseren
Leben träumen. Als die Ölfirma vier Männer sucht, die zwei mit Nitroglyzerin
beladene LKWs zu einer havarierten Pipeline fahren sollen, scheint sich diese
Chance zu bieten, aber der Job stellt sich nicht nur als gefährlich heraus,
bezahlt werden soll zudem nur die zuerst ankommende Besatzung. Obwohl Jo für
diesen Job zu alt ist, versucht er noch einmal seine Beziehungen spielen zu
lassen…
Henri-Georges
Clouzot hatte schon während des 2.Weltkriegs mit „Le corbeau“ (Der Rabe, 1943)
ein frühes Genre-Werk vorgelegt, das wegen seiner zynischen Betrachtung der
menschlichen Sozialisation viel Kritik erfuhr, auch weil es für das Filmstudio
der deutschen Besatzungsmacht, „Continental“, entstanden war. Nach dem Krieg
wurde Clouzot deshalb mit einem lebenslänglichen Berufsverbot belegt, dass
stillschweigend - dank prominenter Befürworter wie Jean-Paul Sartre - nach zwei
Jahren und mit den Dreharbeiten zu „Quai
des Orfèvres“ (Unter falschem Verdacht, 1947) beendet wurde, einem innerhalb
Clouzots Werk eher menschenfreundlichen Film. Nicht nur wegen des wenig
differenziert betrachteten Vorwurfs als Kollaborateur – Clouzot wurde in dieser Hinsicht von allen
politischen Seiten angegriffen – auch seine kritische Sichtweise der
menschlichen Psyche war in einem Nachkriegsfrankreich wenig gefragt, dass mit
den eigenen Sünden während der Nazi-Zeit nicht konfrontiert werden wollte.
Das ließ übersehen, dass Clouzot das Innenverhältnis seiner Protagonisten,
das meist von Herrschsucht, Selbstüberschätzung, Feigheit und Verrat geprägt war, in
einen sehr spannend aufgebauten Kontext einfügte, der das heutige Actionkino vorwegnahm. Zwar verfügt die
Ausgangssituation in „Le Salaire de la peur“ (Lohn der Angst) auch über kritisches
Potential – ein herunter gekommener Ort in Südamerika, dessen Bewohner in
Abhängigkeit von einem us-amerikanischen Ölmulti leben, der in der Nähe eine moderne
Raffinerie betreibt – noch wichtiger war für Clouzot aber ein realistisches und
schlüssiges Szenario für seine Story. Diese erfüllte in ihrer einfach
strukturierten Anlage jede Voraussetzung für einen spannenden Thriller. Nach
einer Havarie an einer Öl-Pipeline kann der entstandene Brand nur mit einer
Sprengung eingedämmt werden, wofür Nitroglyzerin benötigt wird. Der Transport
an den Unfallort stellt sich als äußerst heikel heraus, da für ein solches Gefahrengut nur zwei ungeeignete
Lastwagen zur Verfügung stehen. Der empfindliche Sprengstoff wird ohne
besondere Vorkehrungen auf der Ladefläche vertäut, während sich die Straße zum
Zielort als eine mit Schlaglöchern versehene unbefestigte Piste erweist.
Normalerweise ließe sich Niemand auf einen solchen Job ein, besonders da
die Ölgesellschaft bewusst zwei LKW-Besatzungen verpflichten will, von denen
nur die zuerst ankommende bezahlt wird. Innerhalb dieses Mikrokosmos betont Clouzot ein kapitalistisches Prinzip – dank eines großen Angebotes an
Arbeitskräften, die dringend Geld benötigen, um ihrer ausweglosen Situation zu
entkommen, kann sich der Arbeitgeber nicht nur miserable Arbeitsbedingungen
erlauben, er erhöht noch zusätzlich den Druck, indem er eine Art Wettbewerb
ausruft. Die zwei LKW verdoppeln nicht nur die Chance, dass Einer von ihnen am
Ziel ankommt, ohne dass die Ölgesellschaft dafür mehr Geld ausgeben muss,
sondern fördern auch die Konkurrenz unter den Fahrerteams. Die strenge
Auslese unter den vielen Bewerbern und die ausdrückliche Warnung vor dem hohen Risiko unterliegen
keinen sozialen Kriterien, sondern sollen die Wahrscheinlichkeit für die
Firma vergrößern, dass die letztlich dafür Engagierten ihrer Aufgabe auch gewachsen sind.
Obwohl sämtliche Kriterien – äußerer Druck, schwierige Ausgangssituation,
eine heterogen zusammengesetzte Gruppe von Männern, unvorhersehbare Gefahren –
nach wie vor im zeitgenössischen Actionfilm aktuell sind, verstößt Clouzots
Film gegen die heutigen Sehgewohnheiten, weil er sich Zeit lässt, seine
Charaktere und deren Situation schlüssig innerhalb eines realistischen
Szenarios zu entwickeln und sein Grundtenor pessimistisch bleibt. In den 80er Jahren, als die ersten
Musicclips gedreht wurden und die Werbeindustrie diese Ästhetik nachahmte,
kamen erneut Actionfilme in die Kinos, in denen sich kleine Einheiten einer
scheinbar aussichtslosen Situation stellten, aber die Erwartungshaltung des
Publikums hatte sich geändert,ein Grund, warum auch William Friedkins erneute Verfilmung von Arnauds Roman ("Sorcerer" (Atemlos vor Angst, 1977)) an den Kinokassen scheiterte. Die wie Partisanen agierenden Truppen setzten
sich aus unterschiedlichen Charakteren zusammen - etwa dem aggressiven Angeber,
dem Vorsichtigen, dem umsichtigen Anführer – darin Clouzots Konstellation nicht
unähnlich, aber stärker klassische Stereotype bedienend. Auch die systematische
Reduzierung der Gruppe blieb ein wesentliches Element des Genres, aber das
Gewicht wurde mehr auf die äußere Gewalt gelegt, während Clouzots Film den Tod auf frappierende Weise in seiner Alltäglichkeit zeigte.
Filme wie „Aliens“
(1986) oder „Predator“ (1987) schickten die Mitglieder einer Gruppe freiwillig
und oft aus Abenteuerlust in ihr gefährliches Unternehmen, die vier Männer in
"Lohn der Angst" sehen darin ihre einzige Chance, ihrem verpfuschten
Leben zu entkommen. Sie sind pleite, haben keine Arbeit oder sind auf Grund der
vorherrschenden Verhältnisse erkrankt. Ihnen ist die Gefahr, in die sie sich begeben,
jederzeit bewusst, weshalb sie die Angst nur verdrängen können, bevor sie
völlig von ihnen Besitz ergreift. Im Mittelpunkt stehen Mario (Yves Montand)
und Jo (Charles Vanel), die Beide aus Paris stammen. Der noch junge Mario hat
es sich in der lateinamerikanischen Einöde gut eingerichtet, während der neu
hinzu kommende Mittfünfziger Jo seine besten Zeiten lange hinter sich hat, in
dieser Abgeschiedenheit aber noch von seinen alten Geschichten profitieren kann. Zwischen
ihm und Mario entsteht eine oberflächliche Freundschaft, da der Jüngere sich
davon beeindrucken lässt. Dank Yves Montands damaliger Popularität wurde seine
Rolle trotz seiner mit Naivität gepaarten Arroganz und seiner
Bindungsunfähigkeit zur Identifikationsfigur.
Ihnen
stellt Clouzot in seinem auch mit italienischen Mitteln produzierten Film den Deutschen
Bimba (Peter van Eyck) und den Italiener Luigi (Folco Lulli) gegenüber. Im
Gegensatz zu den beiden auffälligen, sich in den Vordergrund spielenden französischen
Männern, wirken sie zurückhaltend, in der Sache kompetent und ruhig. Dass sie
sich auf das Unternehmen einlassen, liegt an ihrer tragischen Vorgeschichte. Der
Deutsche Bimba gehörte zu den Opfern des Nazi-Regimes, wie Clouzot fast
nebenbei andeutet, und Luigi entscheidet sich erst, mitzufahren, als er
erfährt, dass er sterben wird, wenn er weiter versucht, als Maurer sein Geld auf
wenig einträgliche Weise zu verdienen. Clouzot lässt damit ein egoistisches, aber in der äußeren Anlage attraktives Team, auf zwei
anständige, aber spröde Typen los, womit er die Situation weiter emotional zuspitzt.
Ohne das
Tempo zu forcieren, übertragen sich in seinen stark kontrastierenden
Schwarz-Weiß Bildern die Hitze und Staubigkeit der Landschaft, wird die
Langeweile zu Beginn ebenso spürbar, wie die sich stetig steigernde Angst und
damit verbundene körperliche Anstrengung, nachdem sich die Männer auf den Weg gemacht haben.
Die Vorsicht und absolute Kontrolle über jede Bewegung, die notwendig ist, um
eine Explosion zu vermeiden, lässt den Betrachter gleichsam den Atem anhalten. Der
Film bleibt realistisch in der Darstellung der Gefahren, zeigt Menschen, deren
Handeln von Angst bestimmt wird, und vermittelt konkret die Auswirkungen auf
ihren Körper. Obwohl der moderne Action-Film in dieser Hinsicht viel grausamer
und brutaler scheint, stellt seine bewusste Übertreibung in der
Gewaltdarstellung einen größeren Abstand her als Clouzots Film in seiner Unmittelbarkeit
der verstörend wirkenden Bilder.
Auch heute noch hat „Le Salaire de la peur“ (Lohn der Angst) nichts von dieser Wirkung verloren, aber Clouzot ging es nicht allein um vordergründige Spannung, sondern um das Verhalten von Menschen im Angesicht der Gefahr, unabhängig ob sie diese ignorieren, mit ihr bewusst umgehen oder sich von ihr beherrschen lassen. Herausgekommen ist dabei eine differenzierte Betrachtung über die menschliche Sozialisation, die wenig Grund zum Optimismus verbreitet.
Auch heute noch hat „Le Salaire de la peur“ (Lohn der Angst) nichts von dieser Wirkung verloren, aber Clouzot ging es nicht allein um vordergründige Spannung, sondern um das Verhalten von Menschen im Angesicht der Gefahr, unabhängig ob sie diese ignorieren, mit ihr bewusst umgehen oder sich von ihr beherrschen lassen. Herausgekommen ist dabei eine differenzierte Betrachtung über die menschliche Sozialisation, die wenig Grund zum Optimismus verbreitet.
"La salaire de la peur" Frankreich, Italien 1953, Regie: Henri-Georges Clouzot, Drehbuch: Henri-Georges Clouzot, Jérome Géronimi, Georges Arnaud (Novelle), Darsteller : Yves Montand, Charles Vanel, Peter Van Eyck, Folco Lulli, Véra Clouzot, Laufzeit : 141 Minuten
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