Inhalt: Der
Kopfgeldjäger John Corbett (Lee Van Cleef) hatte dafür gesorgt, dass die Gegend
von verbrecherischem Gesindel bereinigt wurde, weshalb er von dem Geschäftsmann
Brokston (Walter Barnes) auf die Hochzeitsfeier seiner Tochter eingeladen
wurde. Brokston will den angesehenen Pistolenschützen für seine Zwecke
einspannen, weshalb er ihn darum bittet, sich für ein politisches Amt zu
bewerben. Corbett fühlt sich in dieser Umgebung sichtlich nicht wohl, weshalb
er sofort einwilligt, den Mörder einer 12jährigen zu jagen, als aufgeregte
Männer von dem Verbrechen berichten. Der Mexikaner Manuel Sanchez (Tomas
Milian), genannt „Cuchillo“, soll das Mädchen erst vergewaltigt und dann getötet
haben.
Brokston
benötigt nicht lange, bis er den Herumtreiber findet, aber er unterschätzt den
gewitzten, jungen Mann, der ihm wieder entkommen kann. Auf seiner Flucht
erreicht Cuchillo eine Ranch, wo er die Cowboys um Hilfe bittet. Doch diese
haben nur Hohn und Spott für den Mexikaner übrig…
Sergio
Sollima hatte schon seit Anfang der 50er Jahre an vielen Drehbüchern
mitgewirkt, bevor er seine erste Regiearbeit bei einem Episodenfilm ablieferte,
dessen starkes Aufkommen in den 60er Jahren die enge Zusammenarbeit unter den
italienischen Filmschaffenden widerspiegelte. An der Seite der Darsteller
Alberto Bonucci ("Il mattatore" 1960, Dino Risi) und Nino Manfredi
("Brutti, sporchi e cattivi",1976, Ettore Scola), sowie des
Drehbuchautoren Luciano Lucignani ("Interrabang", 1969, Giuliano Biagetti) trug er die
Episode "Le donne" zu "L'amore difficile" (Erotica, 1962)
bei - ein Gemeinschaftswerk ausschließlich von Regie-Anfängern. Doch während es
für seine Kollegen bei einem seltenen Ausflug ins Regie-Fach blieb, begann für
Sollima wenige Jahre später - noch unter dem Pseudonym Simon Sterling - seine
Karriere als Regisseur.
Nach drei
Agentenfilmen war "La resa dei conti" (Der Gehetzte der Sierra Madre)
sein erster Italo-Western, dem mit "Faccia a faccia" (Von Angesicht
zu Angesicht,1967) und "Corri uomo corri" (Lauf um dein Leben,1968)
noch zwei weitere folgen sollten - nur bei Sergio Leone gibt es eine ähnliche
Beschränkung auf wenige, durchgehend qualitativ hochwertige Filme des Genres. Weitere Parallelen zu Sergio Leones Werk liegen in der Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor Sergio Donati, der auch an "C'era una volta il West" (Spiel mir das Lied vom Tod, 1968) beteiligt war, und der großartigen Filmmusik von Ennio Morricone. Der deutsche Titel "Der Gehetzte der Sierra Madre" beschreibt korrekt
das offensichtliche Geschehen im Film. Der Kopfgeldjäger Corbett (Lee van
Cleef) jagt den Mörder eines 12jährigen Mädchens, den arbeitslosen,
mexikanischen Herumtreiber "Cuchillo" (Tomas Millian), durch die
wüstenähnliche Landschaft bis nach Mexiko, aber der Originaltitel "La resa
dei conti" (wörtlich "Die Abrechnung" oder
"Rechenschaft") vermittelt genauer, worum es in dem Film wirklich
geht - um die Konsequenzen, die jeder für sein Handeln tragen muss.
In einer
der schönsten Sequenzen, als Cuchillo bei seiner Flucht vor Corbett Hilfe auf
einer Farm sucht, wird das Prinzip deutlich, das Sollima in seinem Film
verfolgt. Äußerlich scheint die Auseinandersetzung zwischen den beiden
Protagonisten - hier der wortkarge Meisterschütze, dort der trickreiche und
lautstarke kleine Gauner - die Handlung zu bestimmen, doch ihre wiederkehrenden
Treffen, die meist in eine erneute Flucht des Mexikaners münden, haben die
Funktion eines Katalysators, der die niederen Beweggründe ihrer Umgebung erst
zur Explosion bringt. So wird Cuchillo von den Arbeitern auf der Ranch mit
unverhohlenem Rassismus begrüßt. Erst das Eingreifen ihrer Chefin (Nieves
Navarro) verhindert weitere Gewalttätigkeiten, doch der Friede stellt sich
schnell als trügerisch heraus. Die attraktive Frau, die seit dem Tod ihres
Mannes der Boss ist, hält sich nicht nur für unwiderstehlich, sondern lässt den
Kurzliebhaber gleich darauf wieder fallen.
Es ist sein
Verfolger, der ihn vor weiteren Peitschenhieben rettet, denn Corbett will
Cuchillo nur der Gerichtsbarkeit übergeben. Doch er gerät in den gleichen Sumpf
aus Missgunst, Machtgier und Vorurteilen wie Cuchillo. Als die fidele Witwe
auch Corbett verführen will, nutzt der Mexikaner den Neid ihrer Arbeiter und
hetzt diese gegen seinen Verfolger auf, um die daraus entstehende Situation zur
Flucht zu nutzen. Die Männer sind dem Revolverhelden erwartungsgemäß nicht
gewachsen, genauso wie ihn die hübsche Rancherin kalt lässt. Als auch er den
Ort der Handlung verlässt, um sich wieder auf Cuchillos Spur zu begeben,
hinterlässt er Brachland – eine hilflose Frau umgeben von den Leichen ihrer
Untergebenen. Die Raffinesse in Sallimas demaskierender Vorgehensweise liegt
darin, das seine beiden Protagonisten in ihrer jeweiligen Haltung
selbstbestimmt sind, unabhängig von ihrer Umgebung, während die Konfrontation
mit ihnen, die egoistischen Obsessionen und den Opportunismus ihrer Umgebung
entlarven.
Cuchillo
und Corbett sind zwar einerseits komplexe Charaktere, auch dank des Spiels von
Lee Van Cleef und Tomas Milian, andererseits in ihrer moralischen
Standfestigkeit hochstilisiert, wenn auch keineswegs einseitig gestaltet. So
bleibt lange offen, ob Cochillo der Mörder ist, und Corbett nimmt einem
Familienvater, der ihm gerade das Leben gerettet hat, Pferd und Waffe weg, um
weiter sein Ziel zu verfolgen. Sollima befand sich mit ihrer Konfrontation auf
der Höhe der Zeit, Mitte/Ende der 60er Jahre, denn der Ältere vertritt
konservative Werte wie Zuverlässigkeit, Fleiß und Gerechtigkeit, der Jüngere
lehnt sich gegen die Gesellschaftsordnung auf, arbeitet nicht, hat dafür Spaß
und Sex. Dass Sollima diese Haltungen keineswegs für unvereinbar hielt, lässt
er an einer Gesellschaft deutlich werden, die äußerlich Anstand und Recht
predigt, ihre Macht aber nur für die eigenen Ziele missbraucht.
Sie alle –
der reiche Geschäftsmann Brokston (Walter Barnes), der Corbett für seine
politischen Ziele einspannen will, sein schmieriger Schwiegersohn, der aus
geschäftlichen Gründen Brokstons Tochter heiratete, der österreichische Baron
Von Schulenburg (Gérard Herter – eine Figur, die in der deutschen Fassung nicht
existierte), für den Töten Sport ist, der korrupte mexikanische Polizeichef
(Fernando Sancho) oder die promiskuitive Witwe – werden irgendwann zur
„Rechenschaft“ für ihr Handeln gezogen.
"La resa dei conti" Italien, Spanien 1966, Regie: Sergio Sollima, Drehbuch: Sergio Sollima. Sergio Donati, Darsteller : Lee van Cleef, Tomas Milian, Walter barnes, Fernando Sancho, Nieves Navarro, Laufzeit : 110 Minuten
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