Inhalt: Aden, Jemen 1943 – Ein Mann, der sich gerade die
Schuhe putzen lässt, wird niedergestochen, zwei weitere auf einer engen Straße
brutal mit dem Auto überfahren. Major Harris (William Berger) vom englischen
Geheimdienst macht keine Gefangenen und lässt auch alle Anwesenden in einem
Gebäude der Stadt erschießen, dass als Geheimversteck feindlicher Agenten
diente. Von hier aus sollte unter der Leitung des Spaniers Pablo Vallajo (Horst
Buchholz) ein Attentat auf die in Aden stationierte englische Luftwaffe
vorbereitet werden. Nur Vallajo, der zufällig abwesend war, gelingt es zu
entkommen, aber Major Harris bleibt ihm auf der Spur.
Diese führt zu Anna (Sylva Koscina), eine diplomatische
Mitarbeiterin, die im neutralen Bahrein ohne ihr Wissen dem italienischen Geheimdienst
als Kontaktperson dient. Über sie soll Pablo an ein Päckchen mit den neuesten
Instruktionen gelangen. Pablo kann Anna von seinen Absichten überzeugen und
erfährt so, dass er für eine Fliegerstaffel Benzin organisieren und an einen
geheimen Ort in die Wüste transportieren soll. Dort soll eine italienische
Bomberstaffel unter Leitung von Major Ridolfi (Riccardo Garrone) zwischenlanden
und nachtanken, um ihren Angriff fortsetzen zu können. Eine sehr schwierige
Aufgabe für Pablo, da ihm Major Harris und seine Leute unmittelbar im Nacken
sitzen…
Der Kriegsfilm "La colomba non deve volare" (Die
Taube darf nicht fliegen) kam weder in die deutschen Kinos, noch erhielt er
eine deutschsprachige Synchronisation oder einen eigenen Verleihtitel - selbst
die spätere Vermarktung auf Video blieb aus. An sich nicht ungewöhnlich, trotz
der Schwemme an italienischen Action-Filmen, die in den 80er Jahren auf VHS
herauskamen, wäre "La colomba non deve volare" keine deutsche
Co-Produktion mit Horst Buchholz in der männlichen Hauptrolle. Im Jahr zuvor
hatte er noch unter der Regie von Antonio Pietrangeli in "Come, quando, perché" (Wo, wann, mit wem?) gespielt, der im September 1969 auch in
Deutschland angelaufen war. Zudem wirkt die Produktions-Beteiligung der
Inter-West Film GmbH, die schon Buchholz' Karrierebeginn mit "Die Halbstarken" (1956) und "Endstation Liebe" (1958) begleitet
hatte, wie der Versuch eines Neustarts in Deutschland. Nur warum erschien
"La colomba non deve volare" dann nicht auch hierzulande?
Buchholz‘ Renommee hatte in den 60er Jahren gelitten,
seitdem er es nach seinem letzten rein deutschen Film „Das Totenschiff“ (1959)
bis nach Hollywood geschafft hatte, sein Aufstieg danach aber schnell ins
Stocken geraten war und er fast ausschließlich in Italien arbeitete. Sergio
Garrones fünfter Film nach zuvor vier Italo-Western, von denen drei zeitnah auch
in Deutschland einen Verleih fanden, verfügte aber noch über genügend weitere
populäre Zutaten. Mit Sylva Koscina, dem Österreicher William Berger und
Garrones Bruder Riccardo in weiteren tragenden Rollen, Drehbuchautor Tito Carpi
und Kameramann Franco Dello Colli hatte Sergio Garrone eine illustre Western-erfahrene
Truppe mit an Bord. Begleitet von Riz Ortolanis gewohnt stimmungsvoller
Filmmusik, stand einer erfolgreichen Umsetzung nur wenig entgegen, zumal die
Produktionsmittel offensichtlich nicht knapp bemessen waren. Sieht man von den
60er Jahre Frisuren ab, gelang Sergio Garrone eine atmosphärisch stimmige
Umsetzung der während des 2.Weltkriegs 1943 in Nordafrika und West-Asien
spielenden Handlung. Ein Eindruck, der sich durch die Verzahnung mit
dokumentarischen Militär-Aufnahmen noch verstärkt, gerade weil sie der
Regisseur schwarz-weiß beließ und erst gar nicht versuchte sie optisch
anzupassen.
„La colomba non deve volare“ orientierte sich dagegen an
einer realen, aus italienischer Sicht geschilderten Militäraktion. Nach der
Landung der Alliierten im Süden Italiens sind die auf Sizilien stationierten
deutschen und italienischen Soldaten eingeschlossen. Ein italienisches
Bomber-Kommando erhält den Auftrag, den Besatzer-Ring anzugreifen, um ihre
Soldaten bei einem Durchbruchsversuch zu unterstützen. Die Schwere dieses
Vorhabens begründet sich durch die große Entfernung des Stützpunkts der
italienischen Fliegerstaffel. Um wieder von Sizilien aus zurückkehren zu können
ist es notwendig in der Wüste von Bahrein auf dem Hinflug den Tank aufzufüllen
– ein äußerst riskantes Vorgehen für die Piloten, denn jeder Schritt muss genau
ineinander greifen, um ein Gelingen zu ermöglichen. Doch der englische
Geheimdienst kennt die Pläne und will verhindern, dass „die Taube“ abhebt,
weshalb er alles daran setzt, einen spanischen Geheimagenten zu beseitigen, der
für den notwendigen Benzin-Nachschub in der Wüste sorgen soll.
Schon die ersten Minuten lassen wenig Zweifel daran, wem
in Garrones Film die Sympathien gelten. Zwar stellt sich heraus, dass es die
getöteten Männer auf den in Aden stationierten englischen Luftwaffenstützpunkt
abgesehen hatten, aber die brutale und hinterhältige Vorgehensweise, mit der der
englische Geheimdienstoffizier Major Harris (William Berger) diese ermorden
ließ, klassifiziert ihn als Bösewicht. Dagegen erweist sich der spanische Agent
Pablo Vallajo (Horst Buchholz), der als Einziger lebend aus Aden entkommen
konnte, als so charmanter, wie tatkräftiger Mann. Zuerst muss er Anna (Sylva
Koscina), die ihm in Bahrein als Kontaktperson dient, noch in ihrer Wohnung überwältigen,
aber schnell gewinnt er ihr Vertrauen und wird in seinem weiteren Vorgehen von
ihr unterstützt. Neben Pablo wird der Offizier der italienischen Luftwaffe Major
Ridolfi (Riccardo Garrone), der den Luftangriff leitet, zum eigentlichen Helden.
Und sein Flugzeug, ein Bomber vom Typ „Savoia-Marchetti S.M.79“, den Sergio
Garrone sowohl im Original wie in dokumentarischen Aufnahmen ausführlich im
Bild festhält. Ihnen gilt die den Film abschließende Tafel mit der Aufschrift „Das
legendäre Unternehmen der Helden von Bahrein erhielt so seinen Eintrag ins
goldene Geschichtsbuch“.
Vielleicht lag es an dieser kritiklosen Heldenverehrung, die
keinen Moment den politischen Hintergrund beleuchtete, dass "La colomba
non deve volare" nicht nach Deutschland kam? - Offiziere der deutschen Wehrmacht tauchen
als Verbündete nur in einer kurzen Szene auf und die Nähe des spanischen Agenten
zur Franco-Diktatur findet ebenso wenig Erwähnung wie die faschistische
Mussolini-Administration. Im Gegenteil zeigen sich die an unterschiedlichen
Orten agierenden Vallajo und Ridolfi einzig an der Sache interessiert und
wenden Gewalt nur im Notfall an – als wäre die Bombardierung der US-Armee eine
neutrale Hilfsaktion für eingesperrte Soldaten. Immerhin schürte ihr wenig emotionaler
Pragmatismus keine Ressentiments.
„La colomba non deve volare“ wurde wegen seines ruhigen, nur
von wenig Action unterbrochenen Stils kritisiert, obwohl darin seine Stärke
liegt. Die abschließenden Szenen mit dem Gefecht in der Wüste und den dokumentarischen
Aufnahmen des Luftangriffs erfüllten zwar die Erwartungshaltung an einen
Kriegsfilm, sind aber ebenso verzichtbar wie die Heldenbilder des Major
Ridolfi. Garrones Film ist immer dann am besten, wenn er sich als Western im Kriegsfilmgewand allein
auf seine Protagonisten konzentriert. Besonders Horst Buchholz gelingen in der
Wüste einige prägnante und spannende Szenen, aber auch sein Zusammenspiel mit
Sylva Koscina verfügt über einen erotischen Subtext, der keine Konkretisierung
benötigt. Seine Rolle des spanischen Agenten erinnert ein wenig an den von
Clint Eastwood gespielten „Mann ohne Namen“ aus Sergio Leones „Per un pugno di dollari“ (Für eine Handvoll Dollar, 1964). Er hat weder Vergangenheit, noch Zukunft. Und verschwindet, nachdem er seinen Job erledigt hatte, wieder in der
Wüste – hätte Garrone auch seinen Film so enden lassen, hinterließe „La colomba
non deve volare“ einen weniger zwiespältigen Eindruck.
"La colomba non deve volare" Italien, Deutschland 1970, Regie: Sergio Garrone, Drehbuch: Tito Carpi, Sergio Garrone, Giuseppe Masini, Mario di Nardo, Darsteller : Horst Buchholz, Sylva Koscina, William Berger, Riccardo Garrone, Howard Ross, Laufzeit : 97 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Sergio Garrone: